Montag, November 30, 2009

FC Le Mont : FC Gossau


NLB
Stade Pontaise
200 Zuschauer
(geringster Publikumsaufmarsch, seit dem Aufstieg des FC Gossau in die NLB im Jahr 2007)

Auf der Hinreise ins Waadtland las man in der Sonntagspresse wieder einiges über unseren örtlichen Fussballverein. Metzgermeister und Sponsor Freddy Grüebler wurde ebenso zitiert wie unser Präsident Roland Gnägi. Ein Foto zeigte den Vereinsvorsitzenden zudem, mit zwei Kamerateams vor der Auswechselbank, auf dem heimischen Buchenwald Sportplatz.

Nun war es also soweit, Spiel 1 nach dem Aufkommen des Wettskandals. Der erste sportliche Auftritt der Fürstenländer, nachdem der FC Gossau von "Digi-Cash" ("Blick") bis Roli Gnägi (NY Times bis BILD Zeitung) eine Woche im Fokus der weltweiten Medien stand. Selbst der Schreiber dieses bescheidenen Text wurde vor einigen Tagen vom Schweizer Fernsehen kontaktiert, ob man evtl. für ein kurzes Statement im Rahmen eines "Sportpanorama" Berichts zur Verfügung stehe? Ein Beitrag über den FC Gossau in der meistgesehenen Sportsendung der Schweiz, ist ansonsten so selten wie der Bau eines Minarett Turms in der Schweiz, ab dem 29.11.2009.

Die Pontaise ist selbst bei Begegnungen zwischen Lausanne und dem FC Gossau nur sehr spärlich gefühlt, an diesem Tag war es noch viel schlimmer. In einem ostdeutschen Wettlokal nachts um Drei herrscht mehr Betrieb, als an diesem Match. Wieder mal schickt man daher ein grosses imaginäres Fragezeichen nach Muri b. Bern. Wieso darf dieser kleine Club seine Heimspiele nicht in seinem Dorf austragen? Befürchtet man tatsächlich, dass z.B. drei Gossauer Fussballanhänger für Kolataralschäden auf deren Sportplatz sorgen?

Friedliebend wie der Gossauer Anhang bekanntlich ist, war es nicht weiter verwunderlich, dass schon bald Präsident Roli Gnägi mit dem Kamerateam des Schweizer Fernsehen bei uns auftauchte. Wir versteckten noch kurz die "Tippzettel" (kleiner Spass am Rande), und begrüssten den Gossauer Medienstar der letzten Woche. "Isch jetzt halt ä chli gstellt" meinte Gnägi mit einem Schmunzeln. Die nette Journalistin stellte uns daraufhin einige Fragen und unser medienerprobte Präsident meinte noch: "jo klar, es wer scho schö wenns meh fans wöred, aber mehr sind um jede froh". Ich versuchte dann auch noch eingermassen Sinnvolles in die Kamera zu sprechen. Was ohne intensives Kommunikationstraining "à la Bundesligaprofis im Zeitalter von SKY TV" gar nicht so einfach ist. Jedenfalls versuchte ich konzentriert ein "wiexait" und andere "fussballtypische" Floskeln zu vermeiden. Man kann ja nicht jahrelang lästern und dann den selben Mist rauslassen.

Nach dem kurzen Gespräch machte sich unser verkabelter Präsident mit dem Kamerateam im Schlepptau wieder Richtung Sitzplätze auf. Jetzt galt die Konzentration endlich wieder dem Fussball. Gespannt warteten wir auf die Reaktion des Gossauer Teams auf die Vorfälle der letzten Wochen. Schriftlich hat sich die Mannschaft ja schon von den Ereignissen rund um den Wettskandal distanziert. Nun lag es an den Spielern, dies auch mit einer kämpferischen Leistung auf dem Feld zu unterstreichen. Das Team knüpfte dann tatsächlich teilweise an die guten Leistungen vom Saisonbeginn an und hätte nach einer halben Stunde in Führung liegen müssen. Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass in der Folge ausgerechnet ein Goaliefehler zum 1:0 für das Heimteam führte. Adrian Harder, die nominelle Nummer 3 im Gossauer Gehäuse, wurde nach dieser unglücklichen Szene von mehreren Mitspielern getröstet. Dies zeugt sicherlich von einem guten Zusammenhalt im Gossauer Team. Zum oft zitierten psychologisch unglücklichsten Zeitpunkt kassierten die Gäste in der Folge auch noch das 2:0. Wieder war es Adrian Harder, der an dieser Szene massgeblich beteiligt war. Der junge Torhüter konnte einem richtig Leid tun. Sein Vater betreibt eine Zahnarztpraxis, ein Sportpsychologe wäre nach der ersten Halbzeit eher gefragt gewesen. Der Elfmeter, der vom Gossauer Goalie verursacht wurde, war allerdings sehr umstritten. Manch ein Gäste Anhänger vertrat die Meinung, dass der Schiedsrichter mit seiner Entscheidung ähnlich falsch lag, wie das Schweizer Stimmvolk an diesem Wahlsonntag

In der Pause waren die Supporter des Zweitletzten verständlicherweise in besserer Laune als die Unterstützer des Tabellenletzten. Zur bedrückten Stimmung passten die "sensationellen" Sandwiches im Stadion, 5 Stutz, 2 Scheiben Hot Dog Brot, und 2 Scheiben Schinken. Andere verzichteten daraufhin auf feste Nahrung und flirteten lieber mit 65jährigen Angestellten. Dies hatte zur Folge, dass gewisse Personen ihr Bier in der zweiten Hälfte an den Tribünenplatz serviert bekamen. Ein Publikumsaufmarsch, der nicht gerade an eine Pilgerfahrt nach Mekka erinnert, hat eben doch auch seine Vorteile.

Die Gäste spielten in der zweiten Hälfte weiterhin mit viel Herz und wurden (endlich) in der 57. Minuten mit einem Treffer belohnt. Die Vorentscheidung fiel dann just in einer Druckphase des FC Gossau. Ali Özcakmak unser letztjähriger "Starstürmer" (5 Spiele, 0 Tore) traf zum vorentscheidenden 3:1 für Le Mont. Klar, wenns schon nicht läuft tragen sich selbst gegnerische Spieler in die Torschützenliste ein, die zu Gossauer Zeiten in Sachen Treffsicherheit nicht gerade als geistige Brüder von Wilhelm Tell oder Robin Hood durchgegangen wären. Den Vater von Stephan Chapuisat hats jedenfalls gefreut. Der für seine Impulsivität bekannte Trainer der Westschweizer hüpfte freudenstrahlend an der Seitenlinie herum. Das 3:2 durch Murat Ural in der Nachspielzeit brachte dann unser Blut auch nicht mehr wirklich in Wallung, der Schlusspfiff ertönte nur Sekunden später.

Das Kamerateam war nur wieder zur Stelle, und begleitete die Mannschaft zur Verabschiedung der Fans. Was zu einer skurillen und wohl nicht alltäglichen Situation für die Leute vom Schweizer Fernsehen führte. Wo normalerweise die Fans klar in der Überzahl sind, war es hier genau umgekehrt. Der ganze Kader des FC Gossau winkte drei Gossau Anhängern auf der verwaisten Tribüne der Lausanner Pontaise zu. Nicht gerade Zustände wie bei Usain Bolt, als er hier im Juli das 200 Meter Rennen gewann.

Eine grösser Unterstützung hätte die Mannschaft an diesem Tag jedenfalls verdient. Sollte sie an diese Leistung anknüpfen können sehe ich ein kleines glühwürmchengrosses Licht am Ende des NLB Tunnels.
Unterstützung hätte auch der Verein FC Gossau in dieser schwierigen Zeit verdient. Ich bin nach wie vor davon überzeugt, dass man diese Partie hätte verschieben müssen. Der psychologische Druck auf die Spieler war enorm, dies war auch in einigen Szenen ersichtlich.

Auf dem Nachhauseweg quer durch die Schweiz sah man dann kaum noch Reisende beim konzentrierten Lesen von "Wettskandal" Berichten. Der überraschende Ausgang des Abstimmungssonntag wurde nun in vielen Zugabteilen diskutiert. Warum? Weshalb? und Wieso? hat die Schweiz diese umstrittene Initiative angenommen? Diese Frage bewegt die Weltöffentlichkeit, zumindest Roli Gnägi muss darüber bestimmt keine Auskunft geben. Es kehrt wieder so etwas wie Normalität beim FC Gossau ein. In dieser Woche wird auch die Aussenministerin Micheline Calmy Rey und nicht der FC Gossau Präsident in der New York Times zitiert werden.

Für Interessierte, die diese Sternstunde der TV Unterhaltung verpasst haben, hier nochmals der Bericht:

PS: Dank an Wern-Air

1 Kommentar:

Sektion Appenzell hat gesagt…

es kann alles noch so scheisse sein, oder scheisse laufen, du schreibst mit einer ironie gespickt, dass es einfach unglaublich ist.
sehr schöner blog