Donnerstag, November 19, 2009

Ein Fernsehabend

Diese WM Barrage ist schon was fieses. Innerhalb von zwei Spielen entscheidet sich für mehr als hundert Fussballspieler, ob sie im kommenden Sommer ihren Urlaub beim "Marktwert-Steigern" in Südafrika verbringen, oder doch mit der Schwiegermutter beim Karten spielen auf Sardinien.

Rückblick auf einen entspannten und mit einer herben Entäuschung endenden Fernsehabend (gewohnt parteiisch, gewohnt satirisch…)


Algerien : Ägypten

Der Kracher LIVE aus dem Sudan! Die Söhne Kleopatras gegen die ehemalige französische Kolonie im alles entscheidenden Relegationsspiel. Chaotische Bilder auf den Zuschauertribünen, Herrlich! Karin Keller Sutter wäre wohl dem Herzinfarkt nahe, hätte sie das miterleben müssen. Leute, die an Tribünenbrüstungen herunter klettern. Brennende Bengalen und ein besorgter Eurosport Reporter. "Die Stimmung ist doch schon genug aufgeheizt" meint der Fussballsprecher. Der Grund für die Aussage sind sind algerische Spieler, die ihre Landsleute mit Armbewegungen zu noch mehr Enthuisiasmus auffordern.
Das spielerische Niveau ist schwach, die Fans machen diesen Umstand aber mehr alles Wett. Zuschauer die ruhig auf ihren Plätzen sitzen, sind etwa so realistisch wie eine schwulen Parade durch die Strassen von Teheran.
Am Ende trägt Algerien den Sieg davon, und feiert euphorisch die Qualifikation, der Goalie hockt gar mit entblösstem Oberkörper auf der Torstange. Der Eurosport Reporter ist ganz fasziniert "so was sieht man in Afrika auch nicht alle Tage!"
Schade ist, dass diese Fans und diese Spieler in ein paar Monaten in den perfekt abgespielten Ablauf einer FIFA Fussball Weltmeisterschaft ™ gesteckt werden…

Ukraine : Griechenland

Schweinegrippe geplagtes Land gegen Land des spielerischen Elends! Schevtschenko gegen Rehhagels Mauertaktik. Ein Spielsystem das König Otto wohl noch vor dem Bau der Akropolis erfunden hat. Das Stadion ist nicht sehr gut gefüllt, die Ukraine hats übel erwischt mit H1N1. "Die Griechen Fans seien aus Angst vor der Grippe nicht mal angereist, zwei Charterflüge wurden abgesagt", meint der Eurosport Reporter. Eine Torchance in zwei Partien reicht für die Hellenen, die Osteuropäer sind ratlos nach dem überraschenden Führungstreffer der Gäste.
Rehhagel strahlt nach dem Schlusspfiff wie Aphrodite, die griechische Göttin der Liebe. Schevtschenko sitzt weinend auf dem Rasen von Donezk, ein junger Fan rennt über den Platz und will den Altstar trösten. Vergeblich, ein bulliger Ordner befördert ihn wieder Richtung Tribüne.

Stolz vermelden deutsche Medien am Folgetag, dass ihr Otto Rehhagel mittlerweile auch die griechische Landeshymne auswendig könne. Er darf dies zumindest noch dreimal in Südafrika unter Beweis stellen…Vielleicht mit dem grossen Ziel, den gegnerischen Strafraum nicht in der gleichen Art zu meiden, wie der Papst den Besuch eines Swinger Clubs.

Bosnien Herzegowina : Portugal


Diese Paarung versprach Spannung und fanatische Stimmung im Stadion. Bosnien will mit aller Macht an seine erste WM. Portugisische Spieler sollen bei ihrer Ankunft in Sarajevo gar bespuckt worden sein. Leider war ein gewisser Weltstar aus Portugal verletzungsbedingt abwesend…

Den ganzen Mittag den Bluewin TV Guide durchforscht. 175 Sender aber nirgends kommt dieses verdammte Spiel, "Schöne neue Welt" denkt man, da könnte man sich auch wieder eine Antenne auf das Haus montieren (SF1,SF2, ARD und ZDF war doch früher so einfach und unkompliziert)
Am Abend dann die positive Überraschung, der Match wird auf Kanal 150 "RTP Inernacional" gezeigt. Der Sender liegt schön eingebettet zwischen Kanal 149, wo gerade irgend so ein grosser Vogel über eine galizische Autobahn läuft, und Kanal 151, auf dem eine volkstümliche Tanzveranstaltung aus Osteuropa gezeigt wird. Das Stadion ist natürlich ausverkauft, offiziell 12'500 Einheimische unterstützen ihr Team leidenschaftlich. Die Leute im Gästeblock machen einen leicht eingeschüchterten Eindruck. Befreundete Groundhopper, die am Nachmittag noch bierseelige Kurzmitteilungen aus Sarajevo verschickten, stehen nun auch in diesem Sektor. Sie werden wohl schon aus reinen Sicherheitsgründen auf einen Heimsieg der Bosnier hoffen, denke ich. Nicht, dass die armen Kerle noch mit UN-Blauhelmen getarnt das Stadion verlassen müssen.
Der portugisische Reporter spricht ohne Unterbruch, unser Beni Thurnheer wirkt dagegen wie ein Mönch in einem Schweigekloster. Der verletzte "Zwetschge" Misimovic fehlt bei den Gastgebern an allen Ecken, auch das ein Grund für ein bescheidenes Spiel. Bei den Portugiesen, an und für sich ein sehr symphatisches Volk, laufen auf dem Platz mittlerweile schon viele Spieler rum wie der Ronaldo höchstpersönlich. So ein merkwürdiger Gang, eine Mischung zwischen arroganter Ente und Cowboy mit (zu) engen Hosen.
Die Südeuropäer lassen sich von dem lautstarken Heimpublikum überraschenderweise kaum beeindrucken. Nach dem 1:0 für Portugal ist klar, die Werbeindustrie darf sich freuen. Sie hat ihren kantenlosen, schön frisierten Weltstar am grossen Turnier im nächsten Sommer. Ronaldo macht sich halt schon besser auf einem Armani Plakat, als ein Zlatan Bajramovic…"Vorwärts für dä Sport" sag ich da nur.
Gut war der Weltfussballer von Real Madrid bei diesem Spiel nicht im Kader. Er passt so viel besser in die "playstationartige" Welt einer FIFA WM, als in ein kleines, altes Stadion in Sarajevo, auf einem nicht gerade Wimbledon Center Court Rasen.

Slowenien : Russland


Nur noch Formsache für den grossen Bären aus dem stolzen Russland, dachte man… Tja, falsch Gedacht.
Präsident Medwedev und Chelsea Präsident Abramowitsch schauten betreten aus der Wäsche. Russland verliert vor 12'000 freudentrunkenen Slowenen sein Ticket nach Südafrika. Der russische Kommentator auf Channel 1 (Bluewin TV Sendeplatz 160) ist logischerweise ziemlich depremiert. Um noch ein schlimmes Klischee hervorzuholen, der Mann wird jetzt sicherlich den einen oder anderen Wodka brauchen…Nastrovjie

Zwischen den Qualispielen, mal schauen was sonst noch so läuft im Massen Medium des 21.Jahrhunderts? Das Ostschweizer Regionalfernsehen bringt eine Diskussionsrunde mit dem FC SG Präsident Hüppi, dem Fan Verantwortlichen der Espen Urs "Bömmel" Baumgartner und dem Stadtrat Nino Cozzio. Thema natürlich was sonst in der heutigen Zeit "Gewalt im Stadion"! Was die Fanpolitik anbelangt scheinen die Meinungen von Cozzio und Baumgartner etwa so weit enfernt, wie das Ljudski Stadion in Maribor vom Stade de France in Paris…

Frankreich : Irland


Fussball à la haute cuisine gegen Fussball mit pintgetränkter Irish Pub Mentaliät! Clash of Cultures! Keine Frage wem da die Symphatien gehören. Come on you boys in green!!! Defensiv Zampano Trappatoni, an der Seitenlinie mit reichlich Weihwasser ausgestattet, macht sogar Hoffnung auf eine Sensation. Meine Frau äusserst sich in einem Monolog über das Aussehen des französischem Stürmer Nicolas Anelka. Den 1:0 Führungstreffer der Iren nimmt sich aber trotzdem noch zur Kenntnis, sogar freundenstrahlend. Irgendwie ist mittlerweile Frankreich für viele Schweizer Fussballfans das neue Deutschland. Beni Thurnherr kommentiert die Verlängerung Live auf SF 2, vorher brachte man ja lieber wieder so einen Film Blockbuster. Dafür präsentiert man Herr und Frau Schweizer jedes "Furz" Champions League Spiel, Service Public lässt grüssen...

Der Stadionsprecher im Stade de France, diesem irgendwie seelenlosen Bau in einem Pariser Aussenquartier, ist lauter als das Publikum der französischen Nationalmannschaft. Man denkt ,als Nicht-Franzose, der Grande Nation würde ein Sommerurlaub auf Korsika besser zu Gesicht stehen, als ein Aufenthalt am Kap der guten Hoffnung. Doch es wird nichts mit dem Wateloo für die Nachfahren Napoleons. Der neue französische Handballstar Thierry Henry bugsiert den Fussballweltmeister von 1998 an die WM.
La vie est dure sans confiture…

Das war er der letzte Abend der WM Qualifikation für Südafrika 2010. Sepp Blatter darf sich freuen, erstmals sind alle bisherigen Weltmeister am Start des Turniers.

Fazit: Die Quali Phase fing mit einer Entäuschung an, dem 1:0 der Schweiz gegen das grosse Luxemburg, und endete auch nicht ungbedingt symphatisch mit dem Ausscheiden der Iren.
Da hilft nur noch eine Folge "Stromberg" zum Abschluss des Abends… "Ärger ist wie ein Blumentopf. Von je höher er kommt, desto eher tut er dem weh, der ihn auf dem Kopf kriegt.“

2 Kommentare:

groundhopping.ch hat gesagt…

Grande, das könnten meine Worte sein zum jüngsten Quali-Abend ;-) Als Groundhopper seien mir zwei kurze Anmerkungen erlaubt: *hehe*

1) Das Quali-Spiel zwischen Bosnien und Portugal fand in Zenica (und nicht in Sarajevo) statt. Da werden unsere hoppenden Kollegen bestimmt von einer interessanten Taxi-Fahrt zu berichten wissen...

2) Das Stadion in Maribor heisst, streng genommen, Ljudski vrt. Ubersetzt heisst es meines Wissens "Volksgarten". Ljudski alleine bedeutet dementsprechend einfach nur "Volk".

So, genug irrelevante Fehler gesucht. Schönes Wochenende.

gossau-fen hat gesagt…

selbstverständlich sind dir anmerkungen jederzeit erlaubt :-)

wohl dem blog-schreiber, der über eine solch gut informierte (Groundhopper-)Leserschaft verfügt:-)