Freitag, Dezember 23, 2011

Eine (fast) perfekte Saison.

"Der Lauf startet in Bregenz. Angenehme Temperaturen herrschen an diesem Samstag im März. Die schnellsten Läufer aus dem Vorarlberg sind am Start, aber auch Teilnehmer aus Deutschland und der Schweiz. 32 Kilometer, den Bregenzerwald hoch bis nach Lingenau, 795 Höhenmeter gilt es zu bewältigen. Schnell integriere ich mich in der Spitzengruppe. Vorbei an kleinen Dörfern, entlang an kaum befahrenen Strassen. Alle paar Kilometer muss ein Läufer der hohen Geschwindigkeit Tribut zollen und lässt sich zurückfallen. Das Feld der Führenden wird immer kleiner. Als wir nur noch zu Fünft sind, denke ich an einen Platz unter den ersten Drei. Bei Kilometer 28 ist es nur noch eine Vierergruppe und schon bald fällt ein weiterer Läufer zurück. Ich wage einen Angriff, instinktiv, mit Mut, mit guten Beinen. Ich erreiche einen Kilomter Schnitt von 3.30min. Niemand kann mir Folgen. Vor mir nur das Spitzenfahrzeug. Ich gewinne mein erstes Rennen. Meine Familie empfängt mich am Ziel. Ein wunderschöner, unvergesslicher Moment."

Hatte das Jahr 2010 mit dem traumhaften London Marathon und dem Podestplatz (M30) beim Arlberg-Montafon Marathon schon einige Höhepunkte parat, sollte das folgende Jahr für mich noch besser werden. Da ich sozusagen nie eine Laufpause einlege konnte ich meine gute Form nahtlos ins neue Jahr mitnehmen. Die stark besetzte Crosslauf Serie in Lustenau verschaffte mir im Winter eine Tempohärte. Die mehreren Top-Platzierungen beim Laufcup steigerten zudem mein Selbstvertrauen. Die ersten Lorbeeren durfte ich beim Halbmarathon in Oberriet ernten. Ich konnte eine neue persönliche Bestzeit von 1h 16min erzielen. Danach sollte der erste Saisonhöhepunkt folgen. Der Linz Marathon in Niederösterreich. Eine Zeit zwischen 2h 40min-2h 45min war mein Ziel. Lag ich bei Rennhälfte noch auf Kurs für diese Endmarke, reichte es schliesslich "nur" zur neuen persönlichen Bestzeit von 2h47min. Im letzen Teil des Rennens durchlief ich eine Krise. Der Gegenwind und schwere Beine machten mir zu schaffen (lag es am schnellen Halbmarathon zwei Wochen zuvor?). Trotz allem begeisterten mich, einmal mehr, die netten Helfer und Zuschauer in Österreich. Schliesslich geht es ja nicht nur um Tempobolzerei. Ein gutes Essen am Vorabend des Marathon, ein feines Getränk nach dem Lauf, nette Gespräche mit anderen Leuten, neue oder bereits bekannte Städte laufend erleben. All dies gehört für mich zu einer Marathon Reise dazu.


Nach dem Rennen in Linz stand ein wahrer Klassiker an, die 20km de Lausanne galt es zu absolvieren. Ein Laufperle mit einem fantastischen Publikum. Die 20 Kilometer mit den vielen Steigungen in der Lausanner Altstadt haben es durchaus in sich. Mit dem 29. Rang unter 2847 Teilnehmern und dem 14. Rang in meiner Altersklasse war ich bei diesem stark besetzten Teilnehmerfeld überaus zufrieden. Nun stand die Berglauf Saison an. Nach dem "Gehetze" im Frühling freute ich mich nun auf neue Herausforderungen.

Die einzelnen Etappen des Rheintal-Walgau Berglaufcup und die Kreuzegg Classic bildeten meine Vorbereitung auf den LGT Alpin Marathon in Liechtenstein. Da ich überall persönliche Bestzeiten aufstellen konnte ging ich mit einem guten Gefühl an den Start des Berg-Marathon im Ländle. Ich erreichte einen Top Ten Platz und erlebte meinen zweiten Traumlauf der Saison. Schon 14 Tage später wartete der nächste Höhepunkt. Ich durfte anlässlich des Muttersberglauf den dritten Gesamtrang beim Rheintal-Walgau Berglaufcup feiern. Eine Flasche Grappa als „Preisgeld“ und eine grosse innere Zufriedenheit waren der Lohn dafür. Zusammen mit den Schwiegereltern und meiner Familie verbrachten wir einen gemütlichen Nachmittag in einer Berghütte oberhalb von Bludenz. Das war auch so ein unvergesslicher Moment im Laufjahr 2011.

Beim Hundwilerhöhelauf kurz vor den Sommerferien lief ich mit schweren Beinen auf den dritten Gesamtrang und gewann die Hauptklasse auf der Strecke Herisau-Hundwilerhöhe. Müde Beine und ein müder Kopf waren nun aber froh, um die erste Wettkampfpause der Saison. Nach dem Urlaub am Gardasee, wo ich meine Trainingsrunden in einem herrlichen Naturpark drehte, hiess mein nächstes Ziel Davos. Nach dem letztjährigen 78 Kilometer Ultra-Lauf sollten es dieses Jahr die 21 Kilometer von Klosters nach Davos sein. Der Lauf glückte mir nicht wunschgemäss. Ein Hungergefühl plagte mich bis zu Rennhälfte. Ich hatte mich wohl am Vormittag nicht ideal verpflegt, auch nach bald 10 Jahren Wettkampferfahrung lernt man nicht aus. Trotzdem reichte es auch bei diesem Lauf für den 2.Rang in meiner Altersklasse.

Nun kam der Lauf, mit dem ich seit dem Überqueren der Ziellinie eine Rechnung offen habe. Der Berglauf Klassiker Sierre-Zinal hat es in sich. Die extrem steilen ersten Kilometer schocken einen erstmaligen Teilnehmer. Selbst das Höhenprofil auf der Homepage kann einen Bergläufer nicht auf diese Qualen vorbereiten. Das erste Mal seit Jahren fühlte ich mich im Ziel körperlich am Ende, dies war nicht mal nach dem Ultra Marathon in Davos der Fall. Sierre-Zinal ich komme wieder!

Der Rütilauf, Etappenort des Züri Laufcup, bildete im September den Start zu meiner Herbsaison. Heisse Temperaturen, selbst im Wald sorgten für grosses Schwitzen und ich lief eine gute Zeit. Der Brunnen im Ziel entlohnte die Teilnehmer für die Strapazen. Meine Kinder freuten sich über den Ballonwettbewerb des Hauptsponsor. Später litt ich während des schlechten Gastspiel des FC Gossau in Rapperswil mehr, als während des Hitze-Lauf.

Mitte September startete ich beim Greifenseelauf. Fast alle, die irgendetwas mit Laufen am Hut haben, finden sich in Uster ein, vom übergewichtigen Gelegenheits-Jogger bis zu Viktor Röthlin. Wieso ich das auch noch Jahr für Jahr mache, kann ich mir auch nicht erklären? Ein mühsames Geschupfe und Gedränge am Start, eine Strecke dir mir nicht wirklich gefällt. Dazu meistens warme Temperaturen aufgrund der Startzeit am Nachmittag. Da kam es nicht überraschend, dass ich auch dieses Jahr die Zeit unter 1h 20min um eine Minute verfehlte. Trotzdem wäre es keine Überraschung, wenn man mich auch 2012 wieder auf der Startliste finden würde.

Nach dem Greifenseelauf kamen Zweifel an der Form, die ich aber zwei Wochen später wiederlegen konnte. Beim Halbmarathon anlässlich des 3-Länder Marathon in Lindau lief ich meinen dritten Traumlauf der Saison. Mit einer Zeit von 1h 17min erreichte ich den dritten Rang in meiner Alterskategorie. Im Ziel hatte ich zudem das Gefühl nicht wirklich ausgelaugt zu sein. Danach ging es zum Fischen, wobei sich dort der Erfolg nicht einstellen sollte. Zum Leidwesen meiner Tochter.
Eine Woche vor meinem grossen Herbst-Highlight lief ich dann beim Laufcup im Speicher ebenfalls wieder als Dritter über die Ziellinie.

Frankfurt Marathon! Zweitgrösster Marathon Lauf in Deutschland, eines der Teilnehmer stärksten Rennen in ganz Europa. Sehr akribisch bereitete ich mich auf dieses Abenteuer vor. Leider nervte ich damit manchmal meine Frau. Doch ich wollte nichts unversucht lassen, um endlich die Zeit unter 2h 45min zu erreichen. Da kann es entscheidend sein, ob es nun beim Mittagessen Pizza, oder eben doch besser Spaghetti gibt :-).
Die Stadt am Main hat den perfekten Marathon geliefert, besser kann man wohl so einen Anlass nicht organisieren. Trotz schnellem Kurs reichte es aber wieder "nur" zur neuen persönlichen Bestzeit. Nochmals 40 Sekunden schneller als in Linz. Der Einbruch kam wie in Linz zwischen Kilometer 34 und 37. Hier vergab ich mein Zeitziel. Wenn es in dieser Saison eine wirkliche Enttäuschung gab, war es das Verpassen dieser Marke. Trotzdem konnte ich meine Marathonbestzeit gegenüber dem Vorjahr um 5 Minuten verbessern. Darauf trank ich zufrieden ein "Äppelwoi" und freute mich auf die Zugfahrt zurück in die Schweiz.

Sozusagen als Schlusspunkt des Jahres kam der Frauenfelder Halbmarathon und damit auch ("Ole, Ole") der vierte Traumlauf der Saison. Das Ziel erreichte ich nach 1h14min27 Sekunden, ganz klare neue persönliche Bestzeit und der 11.Rang unter 841 Teilnehmern.
Eine Woche später, lief ich gesundheitlich bereits leicht angeschlagen, auf den dritten Rang beim Laufcup in Henau. Mein Husten machte mir nach dem Lauf Sorgen, völlig zu Recht wie sich herausstellen sollte.

Der Weihnachtslauf, mein Heimrennen, fand dieses Jahr nämlich ohne mich statt. Das erste Mal seit drei Jahren litt ich an einer Grippe. Sportlich hatte ich für diesen Lauf keine grossen Ziele, da die Streckenlänge nicht meinen Stärken entgegenkommt. Trotzdem war es Schade, diesen Lauf das erste Mal seit 10 Jahren zu verpassen.

Eine schöne Überraschung hatte der Dezember trotz der gesundheitlichen Probleme doch noch parat. Ich wurde für die Wahl zum Gossauer Sportler des Jahres nominiert. Eine Nomination, die mich unheimlich freut. Mein Wohnort liegt mir sehr am Herzen. Ich engagiere mich politisch in Gossau, bin Anhänger des lokalen Fussballvereins und lebe nun schon 25 Jahre hier. Ich freue mich sehr über die engagierte "Wahlwerbung" von Freunden, Familie, Bekannten und dem Laufverein.

Allgemein bin ich dankbar für die wertvollen Tipps von routinierten Laufkollegen, die harten Intervall-Trainigseinheiten mit meinem deutschen Trainigspartner, das Interesse und die motivierenden Worte von Familie, Freunden und Bekannten.
Vor 10 Jahren begann ich mit dem Laufen. Anfänglich mit Fussballtrikot, alten Hallenschuhen und sackschwacher Kondition. Ich war stolz auf mich, wenn ich 20 Minuten durchlaufen konnte. Im Jahr 2011 kann ich mir ein Leben ohne Sport nicht mehr vorstellen.

"Niemand kann mir Folgen. Vor mir nur das Spitzenfahrzeug. Ich gewinne mein erstes Rennen. Meine Familie empfängt mich am Ziel. Ein wunderschöner, unvergesslicher Moment."