Mittwoch, Januar 27, 2010

Laufcup-eine Liebeserklärung

Kemmental, Göttighofen, Henau oder auch Stelzenhof, nicht gerade Ortschaften die an glamuröse Momente des Sports erinnern. Von den olympischen Spielen ist man hier so weit enfernt, wie der Ballermann 6 von der afghanischen Krisenregion am Hindukusch. Eine Qualifikation muss ein Sportler nicht absolvieren, um bei den zehn Rennen der Cupsaison teilzunehmen. Einzige Teilnahmebedingung, bescheidene 20.-- Franken Stargeld, pro Veranstaltung also läppische 2.--Franken. Für solch kleines Geld, bekommt man heutzutage in einer Bar nur noch ein halbes Glas Leitungswasser.

Es werden auch keine internationalen Spitzenläufer mit horrenden Startgeldern geködert, auf Eigenwerbung wird ebenso praktisch gänzlich verzichtetet. Das Ehrenamtliche wird an diesen Anlässen gross geschrieben, und die Presse schaut nur äusserst selten vorbei.

Es herrschen kalte Temperaturen in Frauenfeld. Dieses Klima ist symtomatisch für den Laufcup, der zwischen den Kältemonaten Oktober und März stattfindet. Am heutigen Tag ist es allerdings vergleichsweise angenehm. In Sulgen kurz vor Weihnachten waren es auch schon mal -15 Grad. Beinahe 300 hartgesottene Läufer/innen waren damals trotzdem am Start. Ein paar wenige Teilnehmer gar in kurzen Hosen, als ob es nicht schon genug Wahnsinn wäre, bei diesen Temperaturen überhaupt einen Wettkampf zu bestreiten.

An diesem Samstag erfolgt der Start ab der Zuckerfabrik im thurgauischen Hauptort. Ein Helfer weist die Autos ein. Dieser Vorgang läuft immer sehr geordnet ab, oft werden Fahrgemeinschaften gebildet, so reichen die Parkplätze auch bei beengten Kapazitäten aus. Als ich aussteige, wärmen sich bereits viele Sportler auf, oder sie diskutieren vereinzelt mit Mitläufern. Bei den Startvorbereitungen befindet sich auch Hanspeter Trütsch. Der Bundeshausredaktor gehört zu den Stammgästen des Laufcups. Der Fernsehmann scheint ein überaus aktiver Läufer zu sein. Anlässlich des Silvesterlaufs im österreichischen Altach sah ich ihn fachsimpelnd mit der ebenfalls laufbegeisterten SP Nationalrätin Hildegard Fässler.

Die ersten Läufer nehmen nun die 12 Kilometer unter die Füsse. In Intervallen wird gestartet, nach dem Leistungsprinzip und immer mit einer Minute Abstand, sprinten die einzelne Grüppchen los. Der erste Teilnehmer rennt 45 Minuten vor dem schnellsten Läufer los. Aufgrund dieses Prozedere hat jeder Läufer theoretisch die Chance, als erster die Ziellinie zu überqueren und somit das Punktemaximum einzufahren. Im Prinzinip eine tief sozialistische Auslegung eines Wettkampfes, Lenin und Marx hätten ihre Freude daran.
Die Gesamtwertung interessiert aber nur am Rande, viele Läufer duellieren sich um die besten Zeiten, wieder andere sehen die Veranstaltung als Trainingseinheit an.

Mein Start rückt nun näher. Es bleibt aber noch Zeit für einen kurzen Schwatz mit Urban. Er ist Mitglied im selben Laufverein wie ich. Der symphatische Läufer ist einer jener fleissigen Helfer, die einen solchen Anlass überhaupt ermöglichen. Ob beim Tisch für die Nachmeldungen, bei der Verkehrsanweisung, oder auch beim Ausschenken der warmen Getränke nach dem Rennen. Urban hilft dort, wo gerade Not am Mann ist.

Das Teilnehmerfeld am Start lichtet sich nun langsam. Einzelne Sportler machen noch ein paar kurze Sprints, andere überlegen, ob sie die wärmende Kappe abziehen sollen, oder ob es ohne Mütze doch zu kalt wird. Silvan, schweizweit einer der Top Läufer in seiner Alterskategorie, zeigt sich mit seiner Startzeit nicht ganz zufrieden. Er wäre lieber eine Minute früher gestartet. Wie die Startzeiten den einzelnen Teilnehmern im Detail zugeteilt werden, wurde mir von einem Initianten des Laufcups einmal erklärt. Allerdings scheint diese Thematik ohne einen Doktortitel in Mathematik kaum verständlich.

Endlich gehts los. Zusammen mit zwei weiteren Läufern starte ich 40 Minuten nach den ersten Teilnehmern auf den 12km Kurs am Rande von Frauenfeld. Einer meiner "Begleiter" heisst Philipp, er weist in etwa das selbe Leistungsvermögen wie ich auf. Die meisten Rennen der Cup-Serie bestreiten wir daher, sozusagen im gegenseitigen Schlepptau. Die heutige Strecke ist stark coupiert, das ständige Auf und Ab ist nicht jedermanns Sache. Mir gefällt dieses wechselhafte Terrain und es kommt meinen Stärken entgegen. Der Lauf führt durch eine ländliche Gegend, auch dies ist typisch für den Laufcup. Wir passieren Dörfer, die wohl nicht einmal in Google Earth zu finden sind.

6 Kilometer des Rennens liegen hinter mir. Einige vor mir gestarteten Läufer konnte ich bereits überholen. Nun vernehme ich leise Schritte hinter meinem Rücken, in wenigen Momenten wird mich also ebenso das Schicksal des "Aufgeholten" ereilen. Mit kaum hörbarem Schnaufen und einem regelmässigen Laufstil überholt mich einer der Top Läufer des Teilnehmerfelds. Folgen wäre hier zwecklos, die Konzentration auf das eigene Rennen macht wesentlich mehr Sinn.

Schnee hat es kaum auf Feldwegen des Rundkurs. Petrus kann aber auch ganz anders. Es gab im letzten Jahr Etappen am Cup, die an einen Lauf durch die winterliche sibirische Tundra erinnerten. Am heutigen Tag trifft der teilnehmende Sportler vorallem auf Matsch, anstatt auf Schneeflocken. Bei den Passagen durch den Wald ist Konzentration gefordert, nicht das eine gepflegte Schlamm-Bauchlandung vor die Füsse der Vefolger hinlegt wird.

Die Läufermasse wird gegen Ende des Wettkampfs immer grösser. Einzelne Läufer wandern nun die kurzen, aber steilen Steigungen hoch, andere haben sich definitiv zu warm angezogen und halten ihre atmungsaktive Jacke in der Hand. Es sind nur noch drei Kilometer bis zum Ziel, ich laufe nun vielerorts neben dem eigentlichen Weg. Dies kostet zwar Kraft, aber das Überholen gestaltet sich um einiges einfacher. Von weitem erblicke ich die Laufjacken von zwei Vereinskollegen. Sie starteten drei respektive fünf Minuten vor mir. Mein sportlicher Ehrgeiz treibt mich den kleinen Hügel hoch, vorbei an immer mehr Läufern. Noch 500 Meter bis zum Ziel, die letzte schlammige Kurve ohne Sturz gemeistert überhole ich die beiden Kollegen. Bleibt zu hoffen, dass sie mich nicht aus dem Verein ausschliessen, trotz dieses Überholmanöver kurz vor dem Finish. Nach 12 Kilometer hält jeder Teilnehmer seinen kreditkartengrossen Chip an ein Lesegerät, so wird die individuelle Zeit registriert. Danach stürzen sich die erschöpften Läufer auf das reichhaltige Kuchen und Getränke Buffet. Fleissige Helfer ermöglichen diese kostenlose Verpflegung. Während des Rennens schweigt ein grosser Teil der Läufer/innen. Nun hört man ein fröhliches Stimmengewirr. Die Renntaktik wird analysiert, die Streckenverhältnise besprochen, oder auch nur über die eigene Form gejammert oder frohlockt. Saisonpläne werden preisgegeben, oder mögliche Ziele definiert. Lange Zeit hält die Plauderei allerdings nicht an, die verschwitzten Klamotten müssen gewechselt werden, ansonsten läuft man Gefahr den nächsten Termin im Laucup Kalender zu verpassen, und das wäre wirklich verdammt Schade.

PS:Ein riesen Dank an alle freiwilligen Helfer, die diesen grandiosen Anlass überhaupt ermöglichen.

Montag, Januar 25, 2010

Wie weiter?

Letzten Samstag war ich seit längerer Zeit das erste Mal wieder Abends in St.Gallen unterwegs. Nur gut zwanzig Minuten benötige ich mit dem Bus vom St.Galler Messeglände bis praktisch vor meine Haustüre. Beim Umsteigen am Hauptahnhof steigen etliche junge Gossauer ein, die sich wohl der elterlichen Order beugen, um rechtzeitig vor 1.00 Uhr die heimische Türschwelle zu überschreiten. Eilig verabschieden sie sich von ihrem "Schätzli" aus der Gallus Stadt, leeren ihre letzte Büchse Schützengarten Bier oder stopfen sich Fast Food aus dem nahegelegenen Schnellimbiss hinter die Kiemen. Schon für 16, 17jährige Gossauer scheint sich also das Nachtleben vornehmlich in der Kantonshauptstadt abzuspielen.

Der Bus fährt am neuen St.Galler Stadion vorbei, hier sieht man wie wehmütige Blicke aus dem Fenster schweifen. Ein bekannter DJ legt in dieser Nacht im städtischen In-Club auf, dort kommt man erst ab 18 Jahren rein. Wir passieren die Stadtgrenze zu Gossau, es ist jetzt nicht gerade so, dass eine Mauer oder gar ein Stacheldraht die Grenze zur Olma Stadt symbolisiert. Im Gegenteil, es ist eigentlich nicht ganz klar, wo St.Gallen aufhört und wo Gossau anfängt. Ein grosses Industriegebiet verbindet die zwei Nachbarstädte.

Wir erreichen das Mettendorf, die grösste Gossauer Wohnsiedlung. Hier steigen die meisten Fahrgäste aus. Über den Wohnblöcken liegt die Dunkelheit der Nacht. Das Licht ist überall gelöscht. Der Flachbildschirm, den man sich mit dem 13 Monatslohn zugelegt hat, ist ausgeschaltet. Thomas Gottschalk hat sich von seinen Gästen verabschiedet, und auch das Siegerinterview mit Didier Cuche im Sport Aktuell ist schon längst Geschichte. Ein Junge zieht seine FC St.Gallen Mütze tief ins Gesicht, es ist kalt heute Nacht. Am Wartehäuschen prangert ein Espenblock Kleber. Ein Ortsfremder hätte wohl das Gefühl, er befände sich in einer x-belliebigen Vorstadt von St.Gallen...

Der St.Galler Stadtpräsident möchte eine Metropole in der Ostschweiz schaffen. Mehrere Gemeinden sollen seiner Meinung nach fusionieren. Der Politiker erhofft sich davon einen Standortvorteil und eine bessere Position gegenüber Bundesbern. Der bedeutenste Zuzug für die Olma Stadt, wäre dabei eine 17'000 Einwohner Gemeinde an der westlichen Grenze der Kantonshauptstadt. Gossau im Jahre 824 erstmals geschichtlich erwähnt, durchschnittlich 20 Nebeltage im Jahr und dank des "Walter Zoo", beliebtes Ausflugsziel in der Region.

9200 Gossau-St.Gallen??? kaum vorstellbar für die Einen, ein längst fälliger Schritt für die Andern. Der Gossauer Stadtpräsident zeigt sich eher skeptisch. " Zwischen Fusionseinsicht und Umsetzungsprozess liege ein Graben" so der parteilose Politiker. Mit Graben ist der Unterschied treffend formuliert. Die Fürstenländer Kleinstadt beheimatet ein lokalpatriotisches Völkchen. Viele, vorallem ältere Gossauer legen grossen Wert auf die Eigenständigkeit ihrer Gemeinde. Nicht wenige der alteingesessene Familien sind familiär untereinander verbunden. Das örtliche Gewerbe beteiligt sich immer wieder aktiv in der Poltik, ob es nun um den neuen Schulratspräsidenten geht, oder um die Gestaltung des Stadtzentrums. Früher sprachen böse Zungen gar vom sprichwörtlichgen "Gossauer Filz".

Ein ausgesprochener Bezug zur Wohngemeinde bringt viele positive Dinge mit sich. Gossau besitzt prozentual zur Bevölkerung eine enorm hohe Anzahl an Vereinen, der Handball Club spielt in der NLA, der Fussballverein in der NLB. Gossau hat auch eine Partei, die sich ausschliesslich den Problemen und Anliegen der Kleinstadt widmet.

Wie würde eine Abstimmung mit dem Thema "Fusion-St.Gallen/Gossau" heute ausgehen? Bei einigen Gossauern scheint ein "Wechsel" zur Kantonshauptstadt, in etwa so erstrebenswert wie die WM Tickets für Südafrika bei der Schweizer Bevölkerung. Die Gründung einer Separatisten Bewegung wie in Korsika oder im Baskenland wäre trotzdem nicht zu erwarten. Eine revolutionäre patriotische Organisation wird auch bei einer Zusammenschliessung mit St.Gallen nicht enstehen. Die Kanalarbeiter wären weiterhin die einzigen Gossauer, die sich im Untergrund bewegen. Die beiden hier thematisierten Städte trennt ja auch kein politisches System, wie Nord und Südkorea, oder eine Mauer wie früher die DDR und die Bundesrepublik. Die religiösen Unterschiede sind auch nicht gerade mit Israel und dem Iran zu vergleichen. Ganz im Gegenteil, der Einfluss von St.Gallen wird in Gossau immer grösser. Die meisten "Beizen" führen mittlerweile Schützengarten Bier. Sushi findet man wohl bald einfacher in den ortsansässigen Lokalitäten, als das mehrfach prämierte lokale Bier. Ein "Ladensterben" ist zudem nicht von der Hand zu weisen. Die Einheimischen nützen mehr und mehr das Konsumangebot in der angrenzenden Grossstadt. Dies hat sicher auch damit zu tun, dass das mühsame Verkehrsproblem in den letzten Jahren nie gelöst werden konnte. Eine attraktive Einfkaufsmeile liegt in Gossau etwa so fern, wie ein sorgenfreier Arbeitstag für Bundesrat Merz.

Hier liegen auch die Gründe, wieso ich gegen eine Zusammengehen mit St.Gallen bin. Meiner Meinung nach entwickelt sich Gossau schon seit Jahren in die Richtung "Vorstadt" von St.Gallen. Bei einer Fusion würden die Interessen der Gossauer Bürger wohl in den Hintergrund geraten. Ein positiver Nebeneffekt einer Vereinigung mit der Gallus Stadt ist mir jedenfalls nicht ersichtlich. Im Gegenteil, viele Fragen stellen sich. Würde der Bahnhof Gossau weiterhin ein Verkehrsknotenpunkt bleiben? Wie sehe die Stadtentwicklung in Zukunft aus? Wenn man "Vorstädte" anderer Metropolen begutachtet, schwant einem jedenfalls Böses. Gossau sollte sich deshalb die Eigenständigkeit bewahren, und selbsbewusst gegenüber dem grossen "Bruder" auftreten. Eine Attraktivitätssteigerung des Stadtzentrums, die Verbannung des Schwerverkehrs aus dem Stadt und die Erhöhung des kultuerellen Angebots wären hier hilfreiche Schritte.

Was wird in 20 oder 30 Jahren sein? Objektiv gesehen, und wenn man den Lauf der Zeit beobachtet, wird eine Fusion irgendwann wohl Tatsache sein. Vielleicht wühlt diese Frage dann auch niemanden mehr auf? Vielleicht sieht sich keiner mehr dazu veranlasst, an einem Montag Abend solche Zeilen wie die obigen niederzuschreiben. Wer weiss, evtl. sind die "Gräben" zwischen den beiden Städten irgendwann auch nicht mehr tief?

Ich laufe die paar Schritte von der Bushaltestelle nach Hause. Mir kommt ein Gespräch vom Nachmittag in den Sinn. Leidenschaftlich, als ginge es um die UBS Steueraffäre in den USA, diskutierten zwei Gossauer über die Qualität der "Beizenfasnacht". Wo jetzt die schönste "Barmaid" arbeite, und wo überhaupt dekoriert sei?

Gossau bleibt Gossau (vorerst noch zumindest)

Mittwoch, Januar 20, 2010

Lokalpolitik in den Medien

Tageszeitungen verlieren immer mehr Leser. Grund dafür sind die Gratiszeitungen und der veränderte Medienkonsum heutzutage. Im Zeitalter von Internet, Podcasts, Blogs :-), und "Blick am Abend" sind Informationen jederzeit abrufbar.

In unserem Haushalt haben wir gleich zwei Zeitungen abonniert (*virtuelles Schulterklopfen*). Neben der regionalen Tageszeitung auch eine Sonntagslektüre. Der Grund dafür sind die Hintergrundberichte, Kommentare, Kulturinfos, Auslandberichte usw. die man in einer kostenlosen Zeitung kaum, oder nur in geringem Masse vorfindet. Desweiteren abonnieren wir diese Zeitungen nicht zuletzt auch aus Prinzip. Ich bin der Meinung qualitativer Journalismus und eine vielfältige Meinung in der Medienlandschaft ist gerade heutzutage sehr wichtig. Ein Experte orakelte im St.Galler Tagblatt vor einigen Tagen, dass es geradezu eine dramatische Vorstellung wäre, wenn es in Zukunft nur eine Tageszeitung in der Deutschschweiz geben würde. Diese Ansicht teile ich durchaus.

Ein wichtiger Bestandteil einer regionalen Tageszeitung ist der Lokalteil. Hier wird von der Jahreshauptversammlung des Turnvereins, bis zu Eröffnung eines neuen Coiffeursalons berichtet. Oft werden aber auch lokalpolitische Dinge behandelt.

Die Reaktionen auf den Zeitungsbericht zeigen mir, dass die Tageszeitungen immer noch über einen grosse Leserschaft verfügen. Die Rückmeldungen beweisen auch, dass nebst Schlagzeilen von einem neuen Jumbo-Jet in Kloten, oder Amy Winhouses nächstem Gerichtstermin, auch regionalen Meldungen durchaus wahrgenommen und vorallem auch gelesen werden.

Dieser Umstand lässt hoffen, dass unsere Medienlandschaft auch in Zukunft nicht "nur" von Gratiszeitungen dominiert wird.

Sonntag, Januar 17, 2010

FC Gossau : FC Tuggen

Testspiel
Kunstrasen Buchenwald Sportanlage
50 Zuschauer
2:2

Lauberhorn Samstag, ein fixer Termin im Kalender jedes sportbegeisterten Schweizers. Mit der ganzen Familie sass man früher vor der Flimmerkiste und jubelte oder fluchte über die helvetischen Skisportler. Damals war der Samstag noch ein Schultag. Wenn man sich das heute so überlegt, ein unheimlicher Luxus für unsere Eltern. Jedenfalls führte der Umstand der samstäglichen Schulpflicht für uns Schüler zu veritablen Stesssituationen. Um 11.50 h läutete die Schulglocke, und nur 20 Minuten später ertönte die Stimme von Matthias Hüppi zur Einstimmung auf das legendäre Rennen in Wengen. Beim Spurt nach Hause wurden bereits imaginäre Slalomstangen gekippt und gefährliche Schanzen genommen. Das einzige Ziel bestand darin rechtzeitig vor dem Fernsehgerät zu sein, um Bernhard Russi samt Kamera in der Hand den "Hundsschopf" oder das "Brückli-S" ("ui ui ganz isig isch das hüt") bezwingen zu sehen.

Heute sieht das ein wenig anders aus. Wo früher die Strassen noch leergefegt waren, als gebe Kurt Felix sein Comeback bei "Verstehen Sie Spass?", merkt man an diesem Samstag Vormittag nichts vom bevorstehenden alpinen Highlight der Saison. Einzig der Schreiber dieses Textes steht ein wenig nervös an der Bushaltestelle und wartet auf das Gefährt, dass ihn zu einem gepflegten Mittagsmenü und vorallem zu hoffentlich schnellen Schweizer Skicracks am hemischen Fernseher führen sollte. Den Jugendlichen an der Wartestelle geht das Wengener Skirennen wahrscheinlich sontswo vorbei. Die Abfahrt im Berner Oberland kennen sie wohl höchstens von der Spielkonsole und Namen wie Cuche, Defago oder Janka sind ihnen so geläufig, wie die Departemente der sieben Schweizer Bundesräte. Silvan Zurbriggen gibt als seine Hobbys Jagen und Jassen an, zugegeben es gibt wohl coolere Freizeitbeschäftigungen im Jahre 2010. Die Schweizer Skifahrer taugen heutzutage also kaum noch zu jugendlichen Massenidolen.

Kaugummi kauend, Musik hörend, jeweils mit der Freundin samt (noch) schmalen Hintern auf den eigenen (noch) schmaleren Beinen sitzend, warten sie auf den Bus Richtung Bahnhof. Was ich mich frage, wie kann eine Unterhaltung von 16-jährigen heutzutage überhaupt funktionieren? Jeder, der vier in weiten Kleider gewandeten Halb-Erwachsenen, hört die neusten Hits mit einer ohrenbetäubenden Lautstärke, die eine goldene Zukunft für Hersteller von Hörgeräten voraussagen lassen. Die ältere Dame neben ihnen, dürfte jedenfalls nach den 10 Minuten Wartezeit problemlos als Background Sängerin von Kesha oder Rihanna anheuern. Zumindest die Texte dürfte sie jetzt schon mal kennen.

Das Rennen verläuft nach den eidgenössischen Vorstellungen. So abgeklärt und routiniert, wie Lothar Matthäus bei einer Hochzeitszeremonie, bezwingt Carlo Janka die Lauberhornabfahrt. Das grösste Schweizer Skitalent seit Bruno "National" Kernen sorgt für einen überlegenen Sieg.

Der "Iceman" gewinnt auf dem Lauberhorn und ich mache mich kurz darauf ebenfalls auf zu eisigen Temperaturen. Der FC Tuggen ist wieder einmal zu Gast in Gossau. Der Schwyzer Club ist seit dem letztjährigen Abstieg von Red Star Zürich, so etwas wie der Inbegriff des 1.Liga Clubs schlechthin. Seit 1986 spielen die Tuggener in der dritthöchsten Schweizer Liga. Nur in der Saison 94/95 durften sie sich für ein Jahr in der NLB versuchen.

Der Publikumsaufmarsch zu diesem "Vorbereitungsklassiker" mag jetzt nicht wirklich mit dem Skirennen im Berner Oberland mithalten. Dafür gibts hier keine rumgröllenden Walliser Skifans, aber leider auch keine treffenden Analysen von Bernhard Russi "es sind extrem schwierige Bedingige hüt". Die Wartezeit für die lokalen Wurstspezialiäten am Verpflegungsstand sind auch nicht wirklich mit dem Andrang an einem Raclett Stand bei der kleinen Scheidegg zu vergleichen. Dies ist auch gut so, das Spielgeschehen erfordert vollste Konzentration, es bleibt keine Zeit zum Schlangestehen. Die hohe Anzahl Testspieler sorgt nämlich dafür, dass einem die eigene Mannschaft in etwa so bekannt ist, wie die Skifahrer am Lauberhorn ab Nummero 50.

Temperaturen unter dem Gefrierpunkt, die Ersatzspieler der Gäste müssen sich zwecks Warmhaltung mit Joggen um den Platz beschäftigen. Ein Reservemann, der wohl nicht als 1500 Meter Läufer zur Olympiade fahren möchte, mault leise vor sich hin "i bi doch nöd imene Liechtathletikverein". Das Spiel plätschert so vor sich hin, der FC G Trainer Alex Kern tigert an der Seitenlinie hin und her. Er versucht Einfluss auf das Spiel zu nehmen "Do dä 20 er, dä Imhof dä chasch doch nöd eifach vergesse". Verzweifelt weist der Coach einen Abwehrspieler darauf hin, den Bruder des ehemaligen VFL Bochum Spieler doch besser im Auge zu behalten. Für einen Testspieler mit wehendem blonden Haar findet Kern jedoch lobende Worte. "Gut gmacht Jan!", ruft er Richtung Spielfeld. Jan Berger, der tschechisch-schweizerische Fussballspieler weilt zur Probe bei den Fürstenländern. Zuletzt war er beim East Bengal Club in Indien tätig. Dieser Verein spielt in der 15 Millionen Metropole Kalkutta. Gibt es einen grösseren Kontrast, als zwischen Gossau und Kalkutta? Dies wäre wohl so, wie wenn die Band "Rammstein" beim Musikantenstadl auftreten würde.

Während der zweiten Halbzeit spreche ich mit dem langjährigen, verdienten und symphatischen Gossauer Assistenztrainer Miro Caktas. Er trat aus beruflichen Gründen vor einigen Wochen von seinem Amt zurück. Caktas trainiert nun in der Rückrunde den 2.Liga Verein Sirnach. "Dies ist weniger zeitaufwenig, als ein Job in der NLB" meint er. Sein Herzblut für den Club FC Gossau ist aber immer noch vorhanden, dies spürt man während des Gesprächs mehrere Male.

Das Spiel endet 2:2. Ich nehme wieder den Bus. Zwei Jugendliche diskutieren. Sie: "i ha sturmfrei", Er: "söll ich verbi cho?", Sie: "Nei!", Er "chunsch hüt obed in Usgang?", Sie: "Nei"!
Vielleicht hätte der Verehrer doch eher ein Gespräch über Carlo Janka anfangen sollen. Obwohl hätte die Angebetete das Schweizer Skiass überhaupt gekannt, man weiss es nicht?....und vorallem hätte es den verhinderten Casanova weitergebracht? Früher kannte ich Leute, die mit Bruno Kernen Autogrammen das holde Geschlecht erfolgreich umgarnten. Das waren noch Zeiten, die Strassen waren wie leergefegt am Lauberhorn Samstag.

PS: Miro! Danke für deinen Einsatz über die letzen 3,5 Jahre!

Donnerstag, Januar 14, 2010

Aktiv mitwirken.

Treuen Lesern dieses Blogs wird mein politisches Interesse nicht entgangen sein. Schon von Klein auf verfolgte ich das Geschehen auf internationalem, nationalen und lokalem Parkett. Merkwürdigerweise interessierten mich politische Diskussionen schon in jungen Jahren, dies war doch eher etwas untypisch für einen damals 12jährigen. Zumal meine schulischen Leistungen nicht gerade auf einen Universitätsabschluss in Politik hindeuteten. Nach meiner absolvierten Lehre bei einem alteingesessenen Gossauer KMU, brachte mich mein Hobby in viele verschiedene Länder. Ob in Russland, Amerika oder in Israel, bei meinen Beobachtungen von Land und Leuten machte ich mir oft Gedanken über die politischen Hintergründe. Die Erkenntnise meiner Reisen und die politischen Vorgänge in unserem Land brachten mir daraufhin, den immer stärker werdenden Wunsch, mich politisch zu engagieren. Schon lange war mir klar, dass meine politische Heimat die Sozialdemokratische Partei sein wird. In nationalen oder kantonalen Abstimmungen deckt sich die Wahlempfehlung der SP zumeist mit meiner Meinung. Zudem bin ich der festen Überzeugung, dass ein friedliches Zusammenleben nur mit einer sozialen Marktwirtschaft möglich ist. Ein solidarisches Zusammenleben, in der auch die Schwachen ihren Platz finden ist meine Idealvorstellung einer funktionierenden Gesellschaft. Exorbitante Gehälter, das Wegfallen von Sozialleistungen, die immer grösser werdende Kluft zwischen Arm und Reich, es gibt für mich viele Gründe um sich politisch Links einzubringen.

Seit einem Jahr bin ich im Vorstand der SP Gossau. Die Aufgabe in der Lokalpolitik bereitet mir viel Freude, zumal ich schon feststellen durfte, dass man mit Einsatz und Überzeugung tatsächlich etwas bewegen kann.
Gossau ist nicht gerade als linke Hochburg bekannt. CVP, FDP und SVP haben in unserer Stadt grosses Gewicht, gerade darum ist mir eine linke Politik in Gossau auch ein starkes Anliegen. Unsere Stadt besitzt seit Anfang dieses Jahrtausends ein Stadtparlament, in diesem können sich auch die kleineren Partei einbringen. Meiner Ansicht nach ist dies eine wichtige Grundlage für ein funktionierendes politisches System.

Die SP erreichte bei der letzten Wahl zwei Sitze. Aufgrund eines Rücktritts wurde ich nun von meiner Partei, als Nachfolger im Stadtparlament vorgeschlagen. Dies muss noch vom Gossauer Stadtrat bestätigt werden. Ich würde dieses Amt jedenfalls sehr gerne ausführen. Die Stadt Gossau liegt mir am Herzen, auch das wissen Stammleser meines Blogs. Gossau steht vor wegweisenden Jahren. Das beinahe schon landesweit bekannte Verkehrsproblem ist immer noch nicht gelöst. Neues Bauland soll in unserer Stadt gefunden werden. Die Entwicklung des neuen Zentrums beim Bahnhof darf auch mit Spannung verfolgt werden. Gossau braucht neue Sportanlagen. Gossau muss als Wohnort attraktiv bleiben, um nicht in ferner Zukunft als "Vorstadt" von St.Gallen wahrgenommen zu werden.

Kein Angst auch die politisch weniger intressierte Personen werden zukünftig auf diesem Blog auf ihre Kosten kommen. Die Texte bleiben gewohnt kritisch, bissig und manchmal hoffentlich humorvoll. Allerdings werde ich die Plattform dieses Blogs in nächster Zeit auch für lokalpolitische Anliegen nützen.

http://www.goz.ch/other/download/GoZ_02_13.01.2010.pdf
(Seite 7)

Mittwoch, Januar 13, 2010

Gästeblog: Das Duell der Unabsteigbaren

v.l.n.r.): Michel Avanzini, Orlando Lattmann, Diego Lattmann, Mirco Graf, Marc Lütolf, Enzo Todisco, Michael Ludäscher, Cyril Schiendorfer, Blerim Ibrahimi, Denis Simani, Jean-Pierre Tcheutchoua.

der folgende Spielbericht stammt von Haller, einem leidenschaftlichen Fussballreisenden, FC Aarau Fan und Verfasser von vorzüglichen Spielberichten auf http://blog.groundhopping.ch/.

Gästeblog: Das Duell der Unabsteigbaren

Insgesamt sechs Mal trafen Aarau und Gossau in offiziellen Bewerbsspielen aufeinander - zweimal obsiegte Aarau, zweimal war Gossau erfolgreich und ebenfalls zweimal wurden die Punkte friedlich geteilt (6:6-Tore). Dies geschah zwischen 1975 und 1978, als beide Equipen in der Nationalliga B weilten. Nun sollte es - wenn auch nur auf freundschaftlicher Basis - zu einem erneuten Duell zweier Vereine kommen, die der gemeine Fussballfan gerne als „unabsteigbar“ bezeichnet. Während Aarau als gallisches Dorf schon seit 29 Jahren in der obersten Spielklasse mitmischt, etablierte sich Gossau erst vor zweieinhalb Jahren (wieder) in der NLB. Trotz bescheidenen (Finanz-)Mitteln und einer zurückgebliebenen, aber charmanten Infrastruktur vermochte der begehrte Platz im Schweizer (Halb-)Profifussball bislang erfolgreich verteidigt werden. Dies ist ebenso eine Gemeinsamkeit zwischen den beiden Vereinen, wie die Tatsache, dass beide Clubs schon einmal auf den Zwangsabstieg von direkten Kontrahenten angewiesen waren, um den Status der Unabsteigbaren zu erhalten.

Inzwischen sieht es in Sachen Aufrechterhaltung dieses Mythos eher düster aus. Der Punktestand beträgt zur Winterpause sowohl in Aarau als auch in Gossau nur sieben magere Zähler, wobei der Schweizer Meister von 1993 dafür sogar drei Partien mehr benötigte. Auch das Torverhältnis ist nahezu identisch, weder 11:45 (Aarau) noch 12:45 (Gossau) zeugen von einer spassigen Hinrunde. Im neuen Jahr soll nun alles besser werden. Die beiden Träger der roten Laterne(n) entschieden, sich zum Auftakt der Rückrundenvorbereitung im Rahmen eines Testspiels zu duellieren, getreu dem Motto: „Geteiltes Leid ist halbes Leid“. Die Gastgeber zeigten sich dabei besonders grosszügig - und traten einen Spieler zwecks dringender Förderung der Gossauer Defensivstabilität an den Gegner ab: Der junge Innenverteidiger Michael Ludäscher wurde vom sympathischen Gäste-Trainer Alex Kern ebenso getestet wie der Mittelfeldspieler Diego Lattmann (Chiasso, ex-Slovan Liberec) und ein dunkelhäutiger Akteur namens Magouh, dessen unterirdische Leistung mit einer frühzeitigen Auswechslung belohnt wurde, nachdem er erst nach dem wärmenden Pausentee ins Spiel kam.

Entspannt - sofern dies aufgrund der winterlichen Verhältnisse möglich war - gab man sich dem Aufeinandertreffen seiner grossen Aarauer Liebe und der reizvollen (Teilzeit-)Affäre aus Gossau hin. Dass die beiden Equipen im bisherigen Saisonverlauf durchschnittlich ungefähr drei Gegentore pro Spiel kassierten, war allerdings noch lange nicht gleichzusetzen mit einer aufregenden Ansammlung an hochklassigen Strafraumszenen, die durch wacklige Abwehrreihen mitverursacht wurden. Im Gegenteil: Der Führungstreffer des Oberklassigen resultierte vielmehr durch einen glückhaften, aber berechtigten Handspenalty (Baykal, 25.). Die Szene des Tages folgte in der 39. Minute, als der heimische Captain Burki (nein, den Ruf des ewigen Talents vermochte er bislang trotz Kurzzeit-Aufgebot für die Nati noch nicht abzulegen…) nach einem Lattenschuss zum vermeintlichen 2:0 traf, doch der Treffer annulliert wurde. Wieso? Weil ein Gossau-Spieler kurz zuvor in bester Eishockey-Manier eine Verschiebung des eigenen Kastens inszenierte. Oder wie es Trainer Kern nach dem Schlusspfiff mit einem breiten Grinsen ausdrückte: „Das haben wir im Training einstudiert…“ ;-)

Aus Sicht der Ostschweizer war vor allem die offensive Harmlosigkeit zu bemängeln - nur zweimal wurde es vor dem Aarauer Gehäuse brenzlig, aber Nachwuchskeeper Studer liess sich weder von Avanzinis Direktabnahme (27.) noch vom abgelenkten Schuss Eggmanns (90.) bezwingen. Kurz zuvor war Lehtinen - einer der verspäteten Aarauer „Unser-Kader-reicht-scheinbar-doch-nicht-zum-angestrebten-Klassenerhalt“-Einkäufe, ebenso der ex-Löwe Francis Kioyo, der sich inzwischen im Aarauer Nachwuchs versuchen darf - für den gerechten 2:0-Endstand besorgt. Dass es sich beim Eintrittsgeld von fünf Franken (waren zwecks Finanzierung der anwesenden Sicherheitskräfte notwendig geworden…) um eine lohnende Investition handelte, war übrigens auch dem Aarauer Rapisarda zu verdanken, der das Publikum in der Schlussphase nach Eishockey- und Fussballeinlagen auch noch mit einer mehr als auffälligen Handballaktion verwöhnte, indem er das Leder - wohl in Gedenken an Diego Maradona und Thierry Henry - mit beiden Händen in die Maschen lenkte. Diese Regelwidrigkeit war nicht einmal für den wachsamen Schiedsrichter und seine Gehilfen zu übersehen.

Fazit des Tages? Nun ja, in grosse Jubelgesänge darf wohl (noch) keine der beiden Mannschaften ausbrechen. Immerhin lag das Runde (aus Sicht der Aarauer) mal wieder im Eckigen - und bei den Gästen aus Gossau könnte Michael Ludäscher, der die volle Distanz zum Einsatz kam, tatsächlich die gesuchte Verstärkung im Abwehrzentrum darstellen (Anmerkung: Nein, ich bin nicht im Besitz seiner Transferrechte… ;-)). Und freuen wir uns auf die Rückrunde. Es wäre schliesslich nichts Neues, wenn sowohl Aarau als auch Gossau Unmögliches doch noch möglich machen würden. Hopp Gossau!

Mittwoch, Januar 06, 2010

Wie Gossau parliert

Gossau, 5. Januar 2010, erste Parlamentssitzung des neuen Jahrzehnts. Frierende Bürger bewegen sich Richtung Fürstenlandsaal. Wird es nachher in der politischen Runde auch so frostig zu und her gehen wie in der sibririschen Tundra?
Im Foyer werden die dicken Wintermäntel jedenfalls abgelegt. Grüppchenweise stehen Parlamentarier und Nicht-Parlamentarier zusammen. Werden hier nochmals die letzten parteiinternen Abmachungen getroffen? Geht’s vielleicht auch nur darum, ob man den Christbaum zuhause schon entsorgt hat?

Fünf Minuten vor Beginn der Sitzung bewegen sich die Politiker und das Publikum auf ihre Plätze. Ganz vorne im Saal, zuoberst mit dem Blick auf das gemeine Volk, sitzt der höchste Gossauer, der Parlamentspräsident. An seiner Seite der Vizepräsident und die beiden Stimmenzähler. Darunter hat die Exekutive Platz genommen, der fünfköpfige Stadtrat mit dem Stadtpräsidenten in der Mitte. Ihnen zugewandt ist das 30köpfige Stadtparlament, säuberlich mit einem dezent angebrachten Seil vom Publikum getrennt. Einige bekannte Gesichter entdecke ich unter den Politik Interessierten. Überrascht nehme ich die grosse Anzahl Zuschauer zur Kenntnis, der FC Gossau müsste jedenfalls beinahe neidisch werden. Der Gossauer Bürger scheint also eher an Politik, als an Sportveranstaltungen interessiert zu sein. Vielleicht liegt es auch nur daran, dass die mitgliederstärksten Lokalparteien weniger Niederlagen einstecken müssen, als der örtliche Fussballverein. "Der nachfolgende Apero sei jedenfalls nicht der Grund für das zahlreiche Erscheinen an dieser 1.Parlamentssitzung", dies versichert mir jedenfalls ein Stammgast dieser Veranstaltung.
Welcher politischer Couleur die einzelnen Gäste im Publikum angehören ist mir nur teilweise bekannt. Im Verlaufe der nächsten Stunde verraten sich aber einige Zuschauer durch Gemurmel, oder kaum hörbares spöttisches Lächeln beim einen oder anderen Rednerbeitrag.

An der heutigen Sitzung ist ausnahmsweise Fotografieren erlaubt. Mein ehemaliger Sekundarlehrer fotografiert fleissig den abtretenden Parlamentspräsidenten. Deutschunterricht hatte ich früher bei ihm, nun lese ich seine Artikel in der Lokalzeitung. Natürlich ist auch die Journalistin des St.Galler Tagblatt vor Ort. Kürzlich schrieb sie einen interesannten Artikel über meinen prominenten Nachbarn. Die gute Frau muss einen grossen Spagat bewerkstelligen in einer kleinen Stadt wie Gossau. Da reicht das Spektrum von der Cervelat Prominenz bis zur schwerwiegenden politischen Diskussion im Stadtparlament.

Der Parlamentspräsident des Jahr 2009, ein bekannter Gossauer Sportarzt, eröffnet die Sitzung. Eine pointierte Abschiedsrede später, nimmt der Nachfolger von der SVP seinen Platz ein. Dieser Mann ist ein waschechter Gossauer, und er hat ein durchaus positives Image, was man über unsere Stadt ja nicht gänzlich behaupten kann. Der einstimmig gewählte Lokalpolitiker hebt in seiner symphatischen Antrittsrede die Vorteile der Fürstenländer Stadt hervor. "Gossau ist ein wunderbarer Ort" so der Mann der schweizerischen Volkspartei. Im Verlaufe des Abends treffe ich im Rahmen meines dienstäglichen "Lauftreffs" auf einen weiteren symphatischen SVP Lokalpolitiker. Keine Angst, ich werde nun nicht die politischen Farben wechseln. Nach einem gelungen Spielzug von Juventus Turin oder Real Madrid, kauft man sich ja auch nicht gleich ein Trikot von denen.

Nach den Wahlen werden im Parlament lokalpolitische Dinge behandelt. Die Markthalle ist sozusagen "die Brücke von Messina" in unserer Stadt. Wie die Verbindung von Sizilien ans italienische Festland soll die Markthalle auch in Gossau die Leute miteinander verbringen. Im Gegensatz zum Grossprojekt am unteren Ende des Stiefels steht unsere Halle allerdings schon seit einigen Jahren. Der eigenwillige Bau hat schon einiges zur Völkerverständigung beigetragen. Verkäufer und Käufer treffen im wöchentlichen Wochenmarkt aufeinander. Einmal im Monat, immer am 13., treffen sich zudem Jung und Alt, "Gwerbler" und "Büezer" zum Musk hören und Stadbühler Bier trinken. Trotz all dieser positiven Dinge wurde die, mittlerweile bei den Gossauer Bürgern etablierte, Markthalle auch an diesem Tag wieder schlecht gemacht. Der Rednerbeitrag der FDP stösst dann auch bei einem Bauer, Markhallen-Benützer und CVP Stadtparlamentarier in Personalunion auf wenig Verständnis. Seine Gegenrede wird im Publikum vereinzelt mit Kopfnicken entgegengenommen.

Zum Schluss der ersten Sitzung im neuen Jahr verabschiedet ein SP Mann seinen zurücktretenden Parteikollegen im Parlament. Lange Jahre und 69 Sitzungen hat der ausscheidende Politiker miterlebt. Vorallem die Schlagfertigkeit des ehemaligen Kantonsrat wird von seinem Genossen hervorgehoben. Die heftigen verbalen Ausseindarsetzungen mit einem "Panzergeneral" von der gegenüberliegenden politischen Seite werden dem Parlament fehlen, so der Sozialdemokrat über seinen engagierten Kollegen.

Nach einer Stunde wird zum Apero geladen. Diejenigen Zuschauer, die ihre warme Stube nur aufgrund der abschliessenden Freigetränke verlassen haben kommen nun auf ihre Kosten. Die Weissweingläser klirren, es wird geplaudert, vielleicht wir die eine oder andere politische Allianzen geschmiedet und bald trifft man sich schon wieder....wenn in einem Monat in Gossau parliert wird.

Montag, Januar 04, 2010

so wird es oder auch nicht (Teil IV)....letzter Teil der satirischen Jahresvorschau

nun also noch der letzte Teil der satirischen Jahresvorschau. Dinge die so garantiert nie geschehen werden.

September:

-Kunstrasen nicht mit uns!!!! Mit dieser Botschaft protestieren aktive Fans der Schweizer Fussballvereine gegen das unbeliebte, künstliche Grün in vielen Stadien. Einige Fans verkleiden sich als Gummibäume und die "Kiffer", unter den Ultras, rauchen als Zeichen des Widerstand künstliches Gras. Ganz extreme weibliche Fans lassen sich aus Protest Silikonbrüste anfertigen, um auf das Schicksal der künstlichen Fussballplätze aufmerksam zu machen. Es wird in Fankreisen gar in Erwägung gezogen, künstliches Pyro zu zünden :-)

-Die Schweiz absolviert ihr erstes EM Qualifikationsspiel auf den Färör Inseln. Mehreren Schweizer Fans wird das legendäre Nachtleben von Torshavn zum Verhängnis. Nicht wenige verpassen den Rückflug nach Zürich und lassen sich notgedrungen als Schafhirten auf der Insel nieder. Statement eines begeisterten Auswanderer: "Isch super do. Häd viel Natur und Minarett händs do au kei, isch fascht wie i dä Schwiz"

Oktober:

-Sensation oder so ähnlich! Der FC Gossau wirft den FC Linth aus dem laufenden Cup Wettbewerb. Vorallem das spannende Penaltyduell zwischen den hochklassigen Torhütern Dragan Draganovic und Darko Damjanovic elektrisiert die Zuschauer im Glarnerland.

-Die Schweiz bestreitet ihr zweites EM Quali Auswärtsspiel. Reiseziel dieses Mal Island. Wieder verpassen einige Anhänger den Rückflug in die Schweiz. Nebst den helvetischen Schafhirten auf den Färör Inseln, bleibt den zurückgebliebenen Schweizern auf Island ein weiterer Beruf der richtigen Eidgenossen im Blut liegt. Sie werden allesamt Banker.

November:

-Entrüstung bei den Schwingern. Ab nächstem Jahr wird in ihrer traditionsbewussten Schweizer Sportart nur noch künstliches Sägemehl ausgestreut. Begründung eines Offiziellen: "Das Sägemehl müsse so nicht mehr jedes Mal augetauscht werden, zudem könnten auch Veranstaltungen bei schlechtem Wetter durchgeführt werden. Allenfalls könne man auch Pop oder Rock Konzerte in den Sägemehl Arenen durchführen"

-die Schweiz bestreitet ein Freundschaftsspiel auf den Seychellen. Wie könnte es anderes sein, wieder bleiben einige Gästefans auf der Insel stecken. Die Entäuschung darüber hält sich aber in Grenzen. In einem Radiointerview meint einer der Festsitzdenden "mit Stüüroasen kenned mer üs jo us".

Dezember:

-der FC Luzern spielt sensationeller Weise im Champions League Achtelsfinale, ebenso die Berner Young Boys. Der FC St:Gallen erreicht die nächste Runde in der Europa Liga…(jetzt mal ernsthaft, das Ganze kann man nicht mal in einem satirischen Text bringen, oder?)
Jedenfalls weiter im Text, vor Saisonbeginn hätte man diese sensationellen Erfolge, etwa für ähnlich realistisch gehalten wie eine goldene Hochzeit für Lothar Matthäus. Unter den SVP Mitgliedern hätte man eher auf einen sofortigen EU Beitritt der Schweiz gewettet, als auf solch grandiose Ergebnisse von Schweizer Clubmannschaften.
All diese sensationellen Ergebnisse sind natürlich nur wegen dem Kunstrasen möglich. Gut Luzern spielt noch nicht auf Kunstrasen, und St.Gallen hat nur einen Trainer mit viel künstlichem Haarverstärker. Trotzdem wer würde es wagen zu behaupten, diese Erfolge wären ohne Kunstrasen überhaupt möglich gewesen?

Ein Jahr geht schon wieder zu Ende. Es wird aufregend werden im Jahr 2010. Wie heisst die fünfte Frau des deutschen Rekordnationalspieler? Wird Rainer Bieli Chef Kommentator im Schweizer Fernsehen? Überwintert der FC Winterthur auf den UEFA Cup Plätzen? Spielt Jean Pierre Tcheutchoua für Kamerun an der WM, oder doch Enzo Todisco für Brasilien? Wird im Bundesratszimmer künstlicher Rasen ausgelegt, und was meint Karin Keller-Sutter eigentlich dazu?
Fragen über Fragen….