Mittwoch, Januar 27, 2010

Laufcup-eine Liebeserklärung

Kemmental, Göttighofen, Henau oder auch Stelzenhof, nicht gerade Ortschaften die an glamuröse Momente des Sports erinnern. Von den olympischen Spielen ist man hier so weit enfernt, wie der Ballermann 6 von der afghanischen Krisenregion am Hindukusch. Eine Qualifikation muss ein Sportler nicht absolvieren, um bei den zehn Rennen der Cupsaison teilzunehmen. Einzige Teilnahmebedingung, bescheidene 20.-- Franken Stargeld, pro Veranstaltung also läppische 2.--Franken. Für solch kleines Geld, bekommt man heutzutage in einer Bar nur noch ein halbes Glas Leitungswasser.

Es werden auch keine internationalen Spitzenläufer mit horrenden Startgeldern geködert, auf Eigenwerbung wird ebenso praktisch gänzlich verzichtetet. Das Ehrenamtliche wird an diesen Anlässen gross geschrieben, und die Presse schaut nur äusserst selten vorbei.

Es herrschen kalte Temperaturen in Frauenfeld. Dieses Klima ist symtomatisch für den Laufcup, der zwischen den Kältemonaten Oktober und März stattfindet. Am heutigen Tag ist es allerdings vergleichsweise angenehm. In Sulgen kurz vor Weihnachten waren es auch schon mal -15 Grad. Beinahe 300 hartgesottene Läufer/innen waren damals trotzdem am Start. Ein paar wenige Teilnehmer gar in kurzen Hosen, als ob es nicht schon genug Wahnsinn wäre, bei diesen Temperaturen überhaupt einen Wettkampf zu bestreiten.

An diesem Samstag erfolgt der Start ab der Zuckerfabrik im thurgauischen Hauptort. Ein Helfer weist die Autos ein. Dieser Vorgang läuft immer sehr geordnet ab, oft werden Fahrgemeinschaften gebildet, so reichen die Parkplätze auch bei beengten Kapazitäten aus. Als ich aussteige, wärmen sich bereits viele Sportler auf, oder sie diskutieren vereinzelt mit Mitläufern. Bei den Startvorbereitungen befindet sich auch Hanspeter Trütsch. Der Bundeshausredaktor gehört zu den Stammgästen des Laufcups. Der Fernsehmann scheint ein überaus aktiver Läufer zu sein. Anlässlich des Silvesterlaufs im österreichischen Altach sah ich ihn fachsimpelnd mit der ebenfalls laufbegeisterten SP Nationalrätin Hildegard Fässler.

Die ersten Läufer nehmen nun die 12 Kilometer unter die Füsse. In Intervallen wird gestartet, nach dem Leistungsprinzip und immer mit einer Minute Abstand, sprinten die einzelne Grüppchen los. Der erste Teilnehmer rennt 45 Minuten vor dem schnellsten Läufer los. Aufgrund dieses Prozedere hat jeder Läufer theoretisch die Chance, als erster die Ziellinie zu überqueren und somit das Punktemaximum einzufahren. Im Prinzinip eine tief sozialistische Auslegung eines Wettkampfes, Lenin und Marx hätten ihre Freude daran.
Die Gesamtwertung interessiert aber nur am Rande, viele Läufer duellieren sich um die besten Zeiten, wieder andere sehen die Veranstaltung als Trainingseinheit an.

Mein Start rückt nun näher. Es bleibt aber noch Zeit für einen kurzen Schwatz mit Urban. Er ist Mitglied im selben Laufverein wie ich. Der symphatische Läufer ist einer jener fleissigen Helfer, die einen solchen Anlass überhaupt ermöglichen. Ob beim Tisch für die Nachmeldungen, bei der Verkehrsanweisung, oder auch beim Ausschenken der warmen Getränke nach dem Rennen. Urban hilft dort, wo gerade Not am Mann ist.

Das Teilnehmerfeld am Start lichtet sich nun langsam. Einzelne Sportler machen noch ein paar kurze Sprints, andere überlegen, ob sie die wärmende Kappe abziehen sollen, oder ob es ohne Mütze doch zu kalt wird. Silvan, schweizweit einer der Top Läufer in seiner Alterskategorie, zeigt sich mit seiner Startzeit nicht ganz zufrieden. Er wäre lieber eine Minute früher gestartet. Wie die Startzeiten den einzelnen Teilnehmern im Detail zugeteilt werden, wurde mir von einem Initianten des Laufcups einmal erklärt. Allerdings scheint diese Thematik ohne einen Doktortitel in Mathematik kaum verständlich.

Endlich gehts los. Zusammen mit zwei weiteren Läufern starte ich 40 Minuten nach den ersten Teilnehmern auf den 12km Kurs am Rande von Frauenfeld. Einer meiner "Begleiter" heisst Philipp, er weist in etwa das selbe Leistungsvermögen wie ich auf. Die meisten Rennen der Cup-Serie bestreiten wir daher, sozusagen im gegenseitigen Schlepptau. Die heutige Strecke ist stark coupiert, das ständige Auf und Ab ist nicht jedermanns Sache. Mir gefällt dieses wechselhafte Terrain und es kommt meinen Stärken entgegen. Der Lauf führt durch eine ländliche Gegend, auch dies ist typisch für den Laufcup. Wir passieren Dörfer, die wohl nicht einmal in Google Earth zu finden sind.

6 Kilometer des Rennens liegen hinter mir. Einige vor mir gestarteten Läufer konnte ich bereits überholen. Nun vernehme ich leise Schritte hinter meinem Rücken, in wenigen Momenten wird mich also ebenso das Schicksal des "Aufgeholten" ereilen. Mit kaum hörbarem Schnaufen und einem regelmässigen Laufstil überholt mich einer der Top Läufer des Teilnehmerfelds. Folgen wäre hier zwecklos, die Konzentration auf das eigene Rennen macht wesentlich mehr Sinn.

Schnee hat es kaum auf Feldwegen des Rundkurs. Petrus kann aber auch ganz anders. Es gab im letzten Jahr Etappen am Cup, die an einen Lauf durch die winterliche sibirische Tundra erinnerten. Am heutigen Tag trifft der teilnehmende Sportler vorallem auf Matsch, anstatt auf Schneeflocken. Bei den Passagen durch den Wald ist Konzentration gefordert, nicht das eine gepflegte Schlamm-Bauchlandung vor die Füsse der Vefolger hinlegt wird.

Die Läufermasse wird gegen Ende des Wettkampfs immer grösser. Einzelne Läufer wandern nun die kurzen, aber steilen Steigungen hoch, andere haben sich definitiv zu warm angezogen und halten ihre atmungsaktive Jacke in der Hand. Es sind nur noch drei Kilometer bis zum Ziel, ich laufe nun vielerorts neben dem eigentlichen Weg. Dies kostet zwar Kraft, aber das Überholen gestaltet sich um einiges einfacher. Von weitem erblicke ich die Laufjacken von zwei Vereinskollegen. Sie starteten drei respektive fünf Minuten vor mir. Mein sportlicher Ehrgeiz treibt mich den kleinen Hügel hoch, vorbei an immer mehr Läufern. Noch 500 Meter bis zum Ziel, die letzte schlammige Kurve ohne Sturz gemeistert überhole ich die beiden Kollegen. Bleibt zu hoffen, dass sie mich nicht aus dem Verein ausschliessen, trotz dieses Überholmanöver kurz vor dem Finish. Nach 12 Kilometer hält jeder Teilnehmer seinen kreditkartengrossen Chip an ein Lesegerät, so wird die individuelle Zeit registriert. Danach stürzen sich die erschöpften Läufer auf das reichhaltige Kuchen und Getränke Buffet. Fleissige Helfer ermöglichen diese kostenlose Verpflegung. Während des Rennens schweigt ein grosser Teil der Läufer/innen. Nun hört man ein fröhliches Stimmengewirr. Die Renntaktik wird analysiert, die Streckenverhältnise besprochen, oder auch nur über die eigene Form gejammert oder frohlockt. Saisonpläne werden preisgegeben, oder mögliche Ziele definiert. Lange Zeit hält die Plauderei allerdings nicht an, die verschwitzten Klamotten müssen gewechselt werden, ansonsten läuft man Gefahr den nächsten Termin im Laucup Kalender zu verpassen, und das wäre wirklich verdammt Schade.

PS:Ein riesen Dank an alle freiwilligen Helfer, die diesen grandiosen Anlass überhaupt ermöglichen.

1 Kommentar:

Dänu hat gesagt…

Ich hatte ja als Innerschweizer auch mal das Vergnügen, Lauf-Cup-Atmosphäre zu schnuppern und kann Deine lebendig geschilderten Eindrücke nur bestätigen. Das Glück wollte es, dass ich die Etappe "Stelzenhof" (Kenner sagen: Die schönste Strecke des Lauf-Cups) unter die Beine nehmen durfte, mich hat die gesellige Veranstaltung wirklich beeindruckt. Einziges Manko ist das komplett fehlende Ö.V.-Angebot, das ist eher atypisch für diese Zielgruppe. Aber was nicht ist, kann ja noch werden.

In bester Erinnerung bleibt mir - als absoluter "Dessert-Narr" - natürlich auch das Kuchenbuffet :-)

Es ist in der Tat eine tolle Laufserie - ganz im Sinne des Sports! Ich kann nur hoffen, dass dies einst in der Innerschweiz Nachahmer findet.