Mittwoch, Januar 06, 2010

Wie Gossau parliert

Gossau, 5. Januar 2010, erste Parlamentssitzung des neuen Jahrzehnts. Frierende Bürger bewegen sich Richtung Fürstenlandsaal. Wird es nachher in der politischen Runde auch so frostig zu und her gehen wie in der sibririschen Tundra?
Im Foyer werden die dicken Wintermäntel jedenfalls abgelegt. Grüppchenweise stehen Parlamentarier und Nicht-Parlamentarier zusammen. Werden hier nochmals die letzten parteiinternen Abmachungen getroffen? Geht’s vielleicht auch nur darum, ob man den Christbaum zuhause schon entsorgt hat?

Fünf Minuten vor Beginn der Sitzung bewegen sich die Politiker und das Publikum auf ihre Plätze. Ganz vorne im Saal, zuoberst mit dem Blick auf das gemeine Volk, sitzt der höchste Gossauer, der Parlamentspräsident. An seiner Seite der Vizepräsident und die beiden Stimmenzähler. Darunter hat die Exekutive Platz genommen, der fünfköpfige Stadtrat mit dem Stadtpräsidenten in der Mitte. Ihnen zugewandt ist das 30köpfige Stadtparlament, säuberlich mit einem dezent angebrachten Seil vom Publikum getrennt. Einige bekannte Gesichter entdecke ich unter den Politik Interessierten. Überrascht nehme ich die grosse Anzahl Zuschauer zur Kenntnis, der FC Gossau müsste jedenfalls beinahe neidisch werden. Der Gossauer Bürger scheint also eher an Politik, als an Sportveranstaltungen interessiert zu sein. Vielleicht liegt es auch nur daran, dass die mitgliederstärksten Lokalparteien weniger Niederlagen einstecken müssen, als der örtliche Fussballverein. "Der nachfolgende Apero sei jedenfalls nicht der Grund für das zahlreiche Erscheinen an dieser 1.Parlamentssitzung", dies versichert mir jedenfalls ein Stammgast dieser Veranstaltung.
Welcher politischer Couleur die einzelnen Gäste im Publikum angehören ist mir nur teilweise bekannt. Im Verlaufe der nächsten Stunde verraten sich aber einige Zuschauer durch Gemurmel, oder kaum hörbares spöttisches Lächeln beim einen oder anderen Rednerbeitrag.

An der heutigen Sitzung ist ausnahmsweise Fotografieren erlaubt. Mein ehemaliger Sekundarlehrer fotografiert fleissig den abtretenden Parlamentspräsidenten. Deutschunterricht hatte ich früher bei ihm, nun lese ich seine Artikel in der Lokalzeitung. Natürlich ist auch die Journalistin des St.Galler Tagblatt vor Ort. Kürzlich schrieb sie einen interesannten Artikel über meinen prominenten Nachbarn. Die gute Frau muss einen grossen Spagat bewerkstelligen in einer kleinen Stadt wie Gossau. Da reicht das Spektrum von der Cervelat Prominenz bis zur schwerwiegenden politischen Diskussion im Stadtparlament.

Der Parlamentspräsident des Jahr 2009, ein bekannter Gossauer Sportarzt, eröffnet die Sitzung. Eine pointierte Abschiedsrede später, nimmt der Nachfolger von der SVP seinen Platz ein. Dieser Mann ist ein waschechter Gossauer, und er hat ein durchaus positives Image, was man über unsere Stadt ja nicht gänzlich behaupten kann. Der einstimmig gewählte Lokalpolitiker hebt in seiner symphatischen Antrittsrede die Vorteile der Fürstenländer Stadt hervor. "Gossau ist ein wunderbarer Ort" so der Mann der schweizerischen Volkspartei. Im Verlaufe des Abends treffe ich im Rahmen meines dienstäglichen "Lauftreffs" auf einen weiteren symphatischen SVP Lokalpolitiker. Keine Angst, ich werde nun nicht die politischen Farben wechseln. Nach einem gelungen Spielzug von Juventus Turin oder Real Madrid, kauft man sich ja auch nicht gleich ein Trikot von denen.

Nach den Wahlen werden im Parlament lokalpolitische Dinge behandelt. Die Markthalle ist sozusagen "die Brücke von Messina" in unserer Stadt. Wie die Verbindung von Sizilien ans italienische Festland soll die Markthalle auch in Gossau die Leute miteinander verbringen. Im Gegensatz zum Grossprojekt am unteren Ende des Stiefels steht unsere Halle allerdings schon seit einigen Jahren. Der eigenwillige Bau hat schon einiges zur Völkerverständigung beigetragen. Verkäufer und Käufer treffen im wöchentlichen Wochenmarkt aufeinander. Einmal im Monat, immer am 13., treffen sich zudem Jung und Alt, "Gwerbler" und "Büezer" zum Musk hören und Stadbühler Bier trinken. Trotz all dieser positiven Dinge wurde die, mittlerweile bei den Gossauer Bürgern etablierte, Markthalle auch an diesem Tag wieder schlecht gemacht. Der Rednerbeitrag der FDP stösst dann auch bei einem Bauer, Markhallen-Benützer und CVP Stadtparlamentarier in Personalunion auf wenig Verständnis. Seine Gegenrede wird im Publikum vereinzelt mit Kopfnicken entgegengenommen.

Zum Schluss der ersten Sitzung im neuen Jahr verabschiedet ein SP Mann seinen zurücktretenden Parteikollegen im Parlament. Lange Jahre und 69 Sitzungen hat der ausscheidende Politiker miterlebt. Vorallem die Schlagfertigkeit des ehemaligen Kantonsrat wird von seinem Genossen hervorgehoben. Die heftigen verbalen Ausseindarsetzungen mit einem "Panzergeneral" von der gegenüberliegenden politischen Seite werden dem Parlament fehlen, so der Sozialdemokrat über seinen engagierten Kollegen.

Nach einer Stunde wird zum Apero geladen. Diejenigen Zuschauer, die ihre warme Stube nur aufgrund der abschliessenden Freigetränke verlassen haben kommen nun auf ihre Kosten. Die Weissweingläser klirren, es wird geplaudert, vielleicht wir die eine oder andere politische Allianzen geschmiedet und bald trifft man sich schon wieder....wenn in einem Monat in Gossau parliert wird.

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