Sonntag, Januar 17, 2010

FC Gossau : FC Tuggen

Testspiel
Kunstrasen Buchenwald Sportanlage
50 Zuschauer
2:2

Lauberhorn Samstag, ein fixer Termin im Kalender jedes sportbegeisterten Schweizers. Mit der ganzen Familie sass man früher vor der Flimmerkiste und jubelte oder fluchte über die helvetischen Skisportler. Damals war der Samstag noch ein Schultag. Wenn man sich das heute so überlegt, ein unheimlicher Luxus für unsere Eltern. Jedenfalls führte der Umstand der samstäglichen Schulpflicht für uns Schüler zu veritablen Stesssituationen. Um 11.50 h läutete die Schulglocke, und nur 20 Minuten später ertönte die Stimme von Matthias Hüppi zur Einstimmung auf das legendäre Rennen in Wengen. Beim Spurt nach Hause wurden bereits imaginäre Slalomstangen gekippt und gefährliche Schanzen genommen. Das einzige Ziel bestand darin rechtzeitig vor dem Fernsehgerät zu sein, um Bernhard Russi samt Kamera in der Hand den "Hundsschopf" oder das "Brückli-S" ("ui ui ganz isig isch das hüt") bezwingen zu sehen.

Heute sieht das ein wenig anders aus. Wo früher die Strassen noch leergefegt waren, als gebe Kurt Felix sein Comeback bei "Verstehen Sie Spass?", merkt man an diesem Samstag Vormittag nichts vom bevorstehenden alpinen Highlight der Saison. Einzig der Schreiber dieses Textes steht ein wenig nervös an der Bushaltestelle und wartet auf das Gefährt, dass ihn zu einem gepflegten Mittagsmenü und vorallem zu hoffentlich schnellen Schweizer Skicracks am hemischen Fernseher führen sollte. Den Jugendlichen an der Wartestelle geht das Wengener Skirennen wahrscheinlich sontswo vorbei. Die Abfahrt im Berner Oberland kennen sie wohl höchstens von der Spielkonsole und Namen wie Cuche, Defago oder Janka sind ihnen so geläufig, wie die Departemente der sieben Schweizer Bundesräte. Silvan Zurbriggen gibt als seine Hobbys Jagen und Jassen an, zugegeben es gibt wohl coolere Freizeitbeschäftigungen im Jahre 2010. Die Schweizer Skifahrer taugen heutzutage also kaum noch zu jugendlichen Massenidolen.

Kaugummi kauend, Musik hörend, jeweils mit der Freundin samt (noch) schmalen Hintern auf den eigenen (noch) schmaleren Beinen sitzend, warten sie auf den Bus Richtung Bahnhof. Was ich mich frage, wie kann eine Unterhaltung von 16-jährigen heutzutage überhaupt funktionieren? Jeder, der vier in weiten Kleider gewandeten Halb-Erwachsenen, hört die neusten Hits mit einer ohrenbetäubenden Lautstärke, die eine goldene Zukunft für Hersteller von Hörgeräten voraussagen lassen. Die ältere Dame neben ihnen, dürfte jedenfalls nach den 10 Minuten Wartezeit problemlos als Background Sängerin von Kesha oder Rihanna anheuern. Zumindest die Texte dürfte sie jetzt schon mal kennen.

Das Rennen verläuft nach den eidgenössischen Vorstellungen. So abgeklärt und routiniert, wie Lothar Matthäus bei einer Hochzeitszeremonie, bezwingt Carlo Janka die Lauberhornabfahrt. Das grösste Schweizer Skitalent seit Bruno "National" Kernen sorgt für einen überlegenen Sieg.

Der "Iceman" gewinnt auf dem Lauberhorn und ich mache mich kurz darauf ebenfalls auf zu eisigen Temperaturen. Der FC Tuggen ist wieder einmal zu Gast in Gossau. Der Schwyzer Club ist seit dem letztjährigen Abstieg von Red Star Zürich, so etwas wie der Inbegriff des 1.Liga Clubs schlechthin. Seit 1986 spielen die Tuggener in der dritthöchsten Schweizer Liga. Nur in der Saison 94/95 durften sie sich für ein Jahr in der NLB versuchen.

Der Publikumsaufmarsch zu diesem "Vorbereitungsklassiker" mag jetzt nicht wirklich mit dem Skirennen im Berner Oberland mithalten. Dafür gibts hier keine rumgröllenden Walliser Skifans, aber leider auch keine treffenden Analysen von Bernhard Russi "es sind extrem schwierige Bedingige hüt". Die Wartezeit für die lokalen Wurstspezialiäten am Verpflegungsstand sind auch nicht wirklich mit dem Andrang an einem Raclett Stand bei der kleinen Scheidegg zu vergleichen. Dies ist auch gut so, das Spielgeschehen erfordert vollste Konzentration, es bleibt keine Zeit zum Schlangestehen. Die hohe Anzahl Testspieler sorgt nämlich dafür, dass einem die eigene Mannschaft in etwa so bekannt ist, wie die Skifahrer am Lauberhorn ab Nummero 50.

Temperaturen unter dem Gefrierpunkt, die Ersatzspieler der Gäste müssen sich zwecks Warmhaltung mit Joggen um den Platz beschäftigen. Ein Reservemann, der wohl nicht als 1500 Meter Läufer zur Olympiade fahren möchte, mault leise vor sich hin "i bi doch nöd imene Liechtathletikverein". Das Spiel plätschert so vor sich hin, der FC G Trainer Alex Kern tigert an der Seitenlinie hin und her. Er versucht Einfluss auf das Spiel zu nehmen "Do dä 20 er, dä Imhof dä chasch doch nöd eifach vergesse". Verzweifelt weist der Coach einen Abwehrspieler darauf hin, den Bruder des ehemaligen VFL Bochum Spieler doch besser im Auge zu behalten. Für einen Testspieler mit wehendem blonden Haar findet Kern jedoch lobende Worte. "Gut gmacht Jan!", ruft er Richtung Spielfeld. Jan Berger, der tschechisch-schweizerische Fussballspieler weilt zur Probe bei den Fürstenländern. Zuletzt war er beim East Bengal Club in Indien tätig. Dieser Verein spielt in der 15 Millionen Metropole Kalkutta. Gibt es einen grösseren Kontrast, als zwischen Gossau und Kalkutta? Dies wäre wohl so, wie wenn die Band "Rammstein" beim Musikantenstadl auftreten würde.

Während der zweiten Halbzeit spreche ich mit dem langjährigen, verdienten und symphatischen Gossauer Assistenztrainer Miro Caktas. Er trat aus beruflichen Gründen vor einigen Wochen von seinem Amt zurück. Caktas trainiert nun in der Rückrunde den 2.Liga Verein Sirnach. "Dies ist weniger zeitaufwenig, als ein Job in der NLB" meint er. Sein Herzblut für den Club FC Gossau ist aber immer noch vorhanden, dies spürt man während des Gesprächs mehrere Male.

Das Spiel endet 2:2. Ich nehme wieder den Bus. Zwei Jugendliche diskutieren. Sie: "i ha sturmfrei", Er: "söll ich verbi cho?", Sie: "Nei!", Er "chunsch hüt obed in Usgang?", Sie: "Nei"!
Vielleicht hätte der Verehrer doch eher ein Gespräch über Carlo Janka anfangen sollen. Obwohl hätte die Angebetete das Schweizer Skiass überhaupt gekannt, man weiss es nicht?....und vorallem hätte es den verhinderten Casanova weitergebracht? Früher kannte ich Leute, die mit Bruno Kernen Autogrammen das holde Geschlecht erfolgreich umgarnten. Das waren noch Zeiten, die Strassen waren wie leergefegt am Lauberhorn Samstag.

PS: Miro! Danke für deinen Einsatz über die letzen 3,5 Jahre!

1 Kommentar:

gossau-fen hat gesagt…

um Missverständissen vorzubeugen.

Ein Blog Leser machte mich per Mail darauf aufmerksam, dass die Jungen zu schlecht wegkommen in meinem Text. Dies ist natürlich überhaupt nicht in meinem Sinne. Ich gehöre nicht zur Fraktion "jo die hütig jugend isch scho schlimm" (meine Stamm-Leser wissen das). Ganz im Gegenteil, ich bin der Meinung die Jugendlichen von heute sind viel, viel besser als ihr Ruf.

Bei meinem Blog wollte ich einzig aufzeichnen, dass die Interessen heute einfach anders sind, und das ist ja auch gut so. Früher interessierte sich halt einfach jeder für den Ski Weltcup, heute halt eher für das neueste Musik Abspielgerät.