Diese Woche herrschte, spätenstens ab Dienstag Abend ca. 21.34 h, Ausnahme Zustand in der Ostschweiz. Der Vorzeigeclub und gleichzeitig sportliche Aushängeschild dieser Region, wurde von aufmüpfigen Tessinern in die Nationalliga B befördert. Die Vorfälle, im und um das Spiel, liesen die Emotionen überall hochkochen. Am Arbeitsplatz gab es nur ein Thema, genauso in der Schule und im Freundeskreis. Die grösste Tageszeitung der Ostschweiz, befasste sich in mehreren Kolumnen und Berichten mit den Geschehnisen. Bei manchen Nachbetrachtungen hatte man das Gefühl, der Journalist käme gerade aus einem Kriegsgebiet zurück.
Sicherheitsverantwortliche gaben Interviews mit Aussagen wie "wir hatten den klaren Auftrag das Spielfeld frei zu halten". Irgendwie erinnerte mich das an Aussagen aus dem Irak wie z.b."wir hatten den Befehl Basra zu halten". Als dann auch noch von einem angeblichen Waffendepot im Espenmoos die Rede war, war man fast überrascht, dass die St.Galler Regierung nicht noch am Abend des Spiels das Kriegsrecht ausgerufen hatte.
Die, meiner Ansicht nach, sehr einseitige Berichterstattung der Medien, hatte wie in Kriegszeiten klar in "die Guten" (Polizei) und "die Bösen" (Fans) unterteilt. Die Fans also so etwas wie die Partisanen des neuen Jahrtausends? Von den Mächtigen im Staat gejagt, teilweise vom kleinen Mann aber unterstützt? Mein Nachbar, ca. 55 Jahre, Hobby: Schrebergarten, meinte jedenfalls, dass er wütend wurde, als er am TV den Polizeiaufmarsch vor dem St.Galler Block mitansehen musste.
Wenigstens veröffentlichte die oben bereits angsprochene Tageszeitung ein hervorragend geschriebenes Communique des St.Galler Fan Dachverband. Wobei leider die Gefahr besteht, dass die Darstellung der Fans, in der allgemeinen medialen Panik-Mache untergeht.
Selber, hatte ich schon seit einiger Zeit ein ungutes Gefühl, beim Thema "Fan-Politik" der St.Galler Polizei. Da sich mein Arbeitsort in der Nähe des neuen Stadion des FC SG befindet, durfte ich in den letzten Wochen, des Öfteren den Aufmarsch von Hundertschaften "gut" ausgerüsteter Polizisten mit ansehen. Die Hardliner scheinen sich jedenfalls durchgesetzt zu haben, mit dem Hooligan Gesetz und dem Wegweisungsrecht, haben sie mittlerweile auch die gesetzlichen Grundlagen, für ihre harten Einsätze. Übrigens halte ich die zwei erwähnten Gesetze für nicht wirklich demokratisch, und es erinnert mich irgendwie an Kriegsrecht...wo wir also wieder beim Thema wären.
Der Einsatzleiter kündigt übrigens auch schon für das Eröffnungsspiel im neuen St.Galler Stadion an, dass man sehr viele uniformierte Polizei sehen werde. Die Paarung der Partie lautet übrigens Schweiz : Liechtenstein, und nicht Deutschland gegen England, dass aber die letzte EM-Vorbereitungspartie der Schweiz eher von Familienvätern und ihren Kindern besucht wird, als von besoffenen 130 Kilo-Glatzen aus Leeds, scheint wohl noch nicht allen Verantwortlichen klar zu sein. Hardliner bleibt Hardliner, auf so etwas wie die soziodemografische Struktur des Publikums wird da nicht geschaut.
Nicht nur meiner Ansicht nach, wurden im Zusammenhang, mit der EM einige Sachen beschlossen, die eine ernsthafte Gefährdung der Demokratie darstellen. Wenn ich etwa sehe, wie die Polizei in Bern, stolz ihre Container für Randalierer medienwirksam vorstellt, und man sogar mit Überwachungsdronen (das sind die fliegenden Dinger) arbeiten will, habe ich das Gefühl, die Schweiz hat es definitiv geschafft. "Zu Gast im Überwachungsstaat", der Slogan tönt mal schon ganz ähnlich wie bei der WM 2006, und man wollte ja unbedingt die deutsche Weltmeisterschafts-Party kopieren.
Meine Vorfreude auf die EM hat sich jedenfalls schon lange in Luft aufgelöst, sofern sie überhaupt einmal wirklich da war. Auch die Freude an einem Spiel der höchsten Schweizer Fussballklasse, ist mir nach den Vorkomnissen vom letzten Dienstag gründlich vergangen.
Postiv stimmt mich nur noch die Erwartung auf die kuschlige Nationalliga B Saison mit dem FC Gossau. Fraglich nur, wann profilierungssüchtige "Sicherheits-Hardliner" auch noch die zweithöchste Fussballliga unseres Landes für sich entdecken.
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