Dienstag, März 30, 2010

Barfuss in Freiburg...

Karin Keller ohne Sutter, Kurt ohne Paola Felix, ein Surfer ohne Brett, oder eben auch ein Läufer ohne Schuhe...

Auf dem Weg nach Freiburg im Breisgau, drehe ich mich kurz zum Rücksitz um und frage meinen Kollegen, ob dort hinten eine Plastiktasche liege? "Jo, do liät so än Sack do hine", meint er nach einem kurzen Blick Richtung Gepäckablage. "Puuuh, Glück kha", antworte ich. Mein komisches Gefühl in der Magengegend, dass ich irgend etwas wichtiges Zuhause vergessen habe, bestätigt sicht also nicht.

Freiburg Halbmarathon. Drei Fussballfans machen sich auf zur sportlichen Betätigung. Da die jeweiligen Lieblingsvereine momentan mit negativ Schlagzeilen nicht gerade zurückhaltend sind, fiel ein Verzicht auf die Spiele an diesem Sonntag nicht wirklich schwer. Einzig die windigen und nassen Bedingungen vermochten unsere Vorfreude auf den "Laufspass" (@Nichtläufer:Ironiefrei) ein wenig zu trüben.

Beim Messegelände in Freiburg angekommen, greife ich mit einem routinierten Griff nach dem Plastiksack. Meine Hand geht allerdings ins Leere. Zwar liegt da eine Tasche, allerdings mit einem Gegenstand drin, der nicht mal mit viel Phantasie als Laufschuh durchgeht.
Jetzt hat es mich also erwischt! Nach achtjähriger Laufkarriere, nach über 70 Laufveranstaltungen, tatsächlich ich "Vollpfosten" habe meine Schuhe zuhause vergessen. Ich bewundere meine beiden Kollegen, dass sie sich in Anbetracht dieser Situation nicht mit Lachkrämpfen auf dem feuchten Parkplatzboden winden.

Mein Glück ist, dass bei grösseren Veranstaltungen meist parallel eine "Marathon-Messe" abgehalten wird. Hektisch durchstreife ich also die Verkaufsstände. Noch eine Stunde bis zum Start. Wie ein Fuchs auf der Suche nach einer Beute schleiche ich in der Halle umher. Neben mir drängen sich unzählige Läufer in die Verkaufsstände. Sie sind auf der Suche nach "Messerabatt". „ Den Asics DS-Trainer den haben sie doch hier im Sonderangebot?“ fragt ein schlaksiger Sportskamerad neben mir. „Nein, leider alles weg!“, so die prompte Antwort der Verkäuferin. Blöd nicht nur für den „Schnäppchenjäger“ auch eher ungut für mich. Der „DS-Trainer“ ist mein Lieblingsschuh.

Die Zeit rinnt davon, ich quetsche meine nicht gerade "Ballettschühchen" kompatibeln Füsse in diverse Schuhe Gr. 44-46. Endlich finde ich etwas Passendes! Bei der Bezahlung fragt die nette Verkäuferin, ob ich den Schuh samt Karton mitnehmen möchte? Meine Antwort, dass ich gedenke diese Treter bald 21,1 Kilometer mit dem Asphalt Freiburger Strassen bekannt zu machen, lässt sie kurz stutzen. Ich erkläre ihr mein überaus dummes „Problem“. Sie wünscht mir Glück und meint augenzwinkernd, dies werde wohl der Siegerschuh werden. Die Chancen dazu standen auch schon schlechter, musste doch der Favorit und Vorjahressieger Dieter Baumann mit einem grippalen Infekt absagen. Das Rennen fand also ohne den Olympiasieger statt.
Dafür mit einem Hobby Sportler aus der Ostschweiz, der im Begriff war eine „Läuferische Todsünde“ zu begehen. „Man läuft kein Rennen mit einem neuen Schuh!“. Vergleichbar etwa mit grundlegenden Dingen der Kindererziehung. „Man isst nicht mit den Händen“, oder „Sag immer schön Danke“.

Mit Angst vor bösen Fussblasen stehe ich also am Start. „Highway to Hell“ wird gespielt. "wollen wirs nicht Hoffen", denke ich. Gedanklich spiele ich diverse Alternativen durch, aber Barfuss zu laufen kommt nicht in Frage. Das machen heutzutage selbst die Kenianer nur noch in Werbespots. Ich begutachte die Laufutensilien meiner Konkurrenten. Allesamt mit gut eigenlaufenem Schuhwerk. Ich blicke neidvoll hinunter.

Punkt 14.00 wird gestartet, pünktlich dazu setzt leichter Regen ein. Zudem bläst der Wind kräftig von der Seite. Die ersten Kilometer sind mühsam. Ich brauche ziemlich lange bis ich meinen Rhythmus gefunden habe und horche intensiv in meinen Körper. "Da "ripschen" sich doch die Knöchel an meinen neuen Schuhen, vermute ich. Ein Arzt würde mich wohl in diesem Moment als Hypochonder diagnostizieren.

Als wir durch die wunderschöne Freiburger Altstadt rennen, sind die Gedanken an mögliche Probleme mit meinen neuen Schuhen allerdings wie wegge"Blasen". Ein Hochgefühl kommt auf. Spitzensportler sagen jeweils, dass sie in Wettkämpfen "Glücksgefühle" aus vergangenen Ereignissen hervorrufen Ich lief vor 5 Jahren in dieser Stadt meinen ersten Marathon unter der ominösen 3 Stunden Marke. Jede Kurve ist mir bekannt. Vom "Runners High" spricht man, wenn sich Endorphine im Hirn ausschütten. So was ähnliches erlebe ich ab Kilometer 10 dieses Rennens. Mein Lauf ist bestimmt von Überholmanövern, mehrere Läufer heften sich an meine Füsse. Sie profitieren vom Windschatten, es geht immer noch eine scharfe Bise. Meine "Hilfestellung" nehme ich gerne in Kauf. Die Gefühlslage ist fantastisch und kurz vor Schluss sind meine Verfolger abgehängt.

Die letzten beiden Kilometer. 2005 hattte ich völlig ausgepumpt gehofft, dass Rennen unter 3 Stunden zu beenden. Es hat damals geklappt, und auch dieses Mal hat mir Freiburg Glück gebracht. Ich könnte meine neuen Schuhe küssen!!! 1h 22min 13Sek, zeigt die Anzeigetafel beim Ziel auf dem Messegelände. Keine persönliche Bestzeit, aber nur selten absolvierte ich die Halbmarathondistanz schneller. In Anbetracht der widrigen äusseren Bedingungen, ist die Leistung umso erfreulicher. Ränge sind nebensächlich, trotzdem Platz 10 von knapp 500 Läufern in meiner Altersklasse, damit kann man durchaus zufrieden sein.

Freiburg im Breisgau hat es erfreulicherweise auch mit meinen beiden Kollegen gut gemeint. Der Eine läuft das erste Mal in seinem Leben den Halbmarathon unter 1h 30min und torpediert damit seine persönliche Bestleistung. Der Dritte im Bund wäre wohl als Erster über die Ziellinie gelaufen. Er legte sein Augenmerk neben der Lauferei aber auf weitere schöne Dinge des Lebens. So nützt er die sportliche Betätigung für den einen oder anderen Schwatz. Auch als ihm kurz vor dem Ziel ein Bierchen angeboten wird lässt er sich nicht zwei mal Bitten.

So traten wir schon bald wieder die Heimreise an. Allesamt zufrieden und sogar ein neues Paar Schuhe waren dabei. Die Fussballvereine spielten übrigens auch ohne unsere Anwesenheit durchaus erfolgreich.

2 Kommentare:

Dänu hat gesagt…

Ein Genuss, diesen Bericht zu lesen. Und alles davon ist wahr! An dieser Stelle nochmals Gratulation zu Deiner Top-Leistung.

gossau-fen hat gesagt…

die Gratulation geht gleich an dich zurück! du bist der Speedy aus MK :-)