Donnerstag, März 11, 2010

Mein erstes Mal...

Nun stand sie an, meine erste Sitzung im Gossauer Stadtparlament. Seit nunmehr 24 Jahren lebe ich in dieser Stadt, die mir in dieser Zeit ans Herz gewachsen ist. Ihre „Kleinbürgerlichkeit“ hab ich oft verflucht, ihren „dörflichen Charakter“ aber auch geschätzt. Jetzt sitze ich also in der Legislativ der Fürstenländer Metropole.

Zu Fuss mache ich mich auf zum Fürstenlandsaal. Natürlich quetscht sich Abends um halb Sechs wieder die gefühlte Halbjahresproduktion eines deutschen Mittelklassewagens durch unsere kleine Stadt. Ich denke für mich: "Schön wäre es, wenn ich es im Parlament miterleben dürfte, wie man einen vernünftigen Lösungsansatz für diese endlose Problematik entwickeln könnte". Dies sind aber vorerst nur Illusionen, wer Gossau kennt, weiss warum... Gedankenversunken marschiere ich weiter. Vor dem Saal treffe ich einen Bekannten, er ist seit eineinhalb Jahren für die CVP im Parlament. Die Aufgabe in der kommunalen Politk sei sehr interessant, und er verstehe nun viele Zusammenhänge die im Hintergrund ablaufen, meint der Gossauer KMU Geschäftsführer. Mein Parteigenosse von der SP stösst wenig später auch zu uns. Er ist schon ein Routinier im Parlamentsbetrieb und erläutert mir nochmals einige Dinge.

Die Atmosphäre im Parlament ist entspannt, jedes Mitglied begrüsst mich mit Handschlag und man ist sofort beim „Du“. Wir zwei Parlementarier von der sozialdemokratischen Partei sitzen im 30-köpfigen Parlament am rechten Rand, sozusagen diametral zu unseren politischen Ansichten. Neben uns beiden „Sozis“ nehmen sieben SVP, drei FDP, acht CVP und vier FliG (Freie Liste Gossau) Mitglieder Einsitz im Parlament. Der Stadtrat besteht aus fünf Mitglieder (drei davon parteilos, zwei FDP). Gossau ist also nicht gerade das Kuba der Schweiz, die linke Politik hat es dementsprechend schwer. Unsere Stadt beheimatet nicht unbedingt eine progressive Gesellschaft. Für die SP kommt erschwerend hinzu, dass man mit 2 Sitzen nicht in Komissionen mitwerken kann. Wir dürfen zwar in diesen Einsitz nehmen, haben allerdings kein Stimmrecht.

„Die heutige Sitzung werde wohl schnell vorbei sein“, meint mein Parteikollege vor dem Beginn. Er sollte recht behalten. Die Länge der Sitzung beschränkt sich auf die Dauer einer „TV-Seifen Oper“. Mit dem Unterschied, dass in den 25 Minuten Parlamentssitzung kein belangloses „Blablabla“ zum Besten gegeben wird. Viel Unsinn kann man zugegebenermassen in einer knappen halben Stunden auch nicht erzählen. Die Traktanden werden jedenfalls zügig durchgegangen. Eine Diskussion wird bei keinem Punkt verlangt. Zu vergleichsweise längeren Redebeiträgen kommt es einzig bei der Interpellation zur Steuerfusssenkung (Gallus Hälg, SVP) und bei unserer Interpellation zur „Schliessung SBB Bahnhofsschalter. Mein Parteigenosse Karl Bürki kritisiert in seinem Kommentar die Strategie der Schweizerischen Bundesbahn. „Die Dienstleistungen am Bahnhof Gossau werden in kleinen aber beständigen Schritten abgebaut“ so Bürki. Unverständnis drückt er auch darüber aus, warum den der Bahnhof im kleineren Sargans am Sonntag offen bleibt, und der in Gossau nicht?

Leserbriefe und persönliche Reaktionen bestätigten uns in den letzen Wochen, dass die „Schliessung des Bahnhofsschalter am Sonntag“ mehrheitlich auf Kritik stösst. Dies ist auch meine erste politische Enttäuschung. Trotz stichhaltiger Argumente und einigem Rückhalt aus der Bevölkerung hatten wir wohl nie den Hauch einer Chance, dass die SBB auf ihren Entscheid zurückkommt.

Den Stimmzettel ein paar Mal hochhalten, sollte meine einzige Betätigung an dieser ersten Sitzung bleiben. Wohl noch selten zuvor war das Wort vom „Hineinschnuppern“ in einen Parlamentsbetrieb treffender. Einige Mitglieder der Legislative trafen sich danach noch zu einem kleinen Umtrunk in einer örtlichen Lokalität. Die Politiker vom Bundeshaus bilden ihre Seilschaften ja auch in der Bellevue Bar aus, so sagt man jedenfalls. Dem will man wohl im kleinen Gossau nicht nachstehen. Viel zu diskutieren gibt es im Fürstenländer Städtchen. Muss dieser Gröbli Kreise wirklich so teuer sein? Warum stimmte die Gossauer Bevölkerung für eine Steuerfusssenkung, obwohl grosser Investitionsbedarf herrscht?

Ein Leserbriefschreiber forderte kürzlich die Abschaffung des Parlaments. Ich denke diese Volksvertretung hat aber auch in Gossau durchaus seine Daseins Berechtigung. Ein Rückschritt wäre es aus meiner Sicht, die ganze politische „Macht“ auf einen kleinen Stadtrat zu verteilen. In einem Parlament haben auch kleinere Parteien die Möglichkeit, die Meinungen und Interessen ihrer Mitglieder zu vertreten. Ausserdem sorgt eine lebhafte politische Landschaft dafür, dass Projekte vorangetrieben werden, die ansonsten auf die lange Bank geschoben würden.

Ich freue mich jedenfalls auf die nächste Parlamentssitzung in Gossau.

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