Dienstag, März 23, 2010

Der Entscheid...

Im Juli des letzten Jahres führte ich am Rande des St.Galler Open Air eine emotionale Diskussion mit einem alten Bekannten. Es ging um den umstrittenen Entscheid der FC Gossau Verantwortlichen, trotz sportlichem Abstieg in der NLB zu bleiben. Wir waren uns in diesem Thema in etwa so einig, wie Israel und Palästina in der Frage des Gaza Streifen. Mein ehemaliger Teamgefährte bei den FC G Junioren vertrat die Meinung, dass die NLB nur eine "Geldvernichtungsmaschine" darstelle. Ich hingegen versuchte ihn zu überzeugen, dass eine Mannschaft in der zweithöchsten Liga u.a. ein gutes Aushängeschild für den Gesamtverein und unsere Stadt darstelle.

Vielleicht war ich damals zu naiv? "Diä Nati B isch doch ä Pleiteliga", wie oft hörte ich diesen Satz. Mir war ja auch klar, dass eine zweite Liga mit 16 Profi rsp. Halbprofivereinen in unserem kleinen Land nicht realistisch ist. Einige hundert Zuschauer im Schnitt finanzieren nun mal keine semi-talentierten Fussballer aus Brasilien oder Kroatien. Allerdings war ich im Sommer des letzten Jahres immer noch verzaubert von der ersten Saison des FC Gossau in der NLB. Dort bewies die Gossauer Amateurmannschaft verstärkt mit einigen Profis, dass mit leidenschaftlicher Leistung vieles möglich ist. Dieses Team gab einigen Leuten den Glauben an den "echten unverfälschten Fussball" wieder.

Die darauffolgende Spielzeit sah ich als Ausrutscher. Der kleine Verein musste Lehrgeld bezahlen. Viele Spieler kamen und gingen, nicht mal deren Namen konnte man sich merken, so schnell waren sie wieder verschwunden. Selten oder wohl nie spielte der Mannschaft in der zweiten NLB Saison mit der gleichen Aufstellung. So konnte kein Gefüge entstehen, kein Spielsystem war erkennbar, es gab kein spielerisches Versändnis auf dem Platz. Dementsprechend bitter verlief diese Saison, zwei Trainer mussten gehen, Siege waren in etwa so selten, wie FKK Strände in Nowosibirsk.

In dieser Saison sollte es nun besser werden. Doch es kam anders. Zuerst verliert ein Typ seinen Job, und dann läuft im einige Monate später auch noch die Freundin weg. So ähnlich ist es dem FC Gossau ergangen. Nachdem sportlich zuvor wirklich fast alle versagt hatten, schlitterte man nun auch noch mit voller Wucht in den "Wettskandal". Dass die Hinrunde unter einem guten Stern stand kann also niemand behaupten. Wiederum raffte man sich aber auf und versuchte es in der Rückrunde besser zu machen. Der Willen dazu war bei der sportlichen Führung und der Mannschaft vorhanden, so hatte man zumindest von Aussen den Eindruck.

Jetzt also der Entscheid des Vorstands, 10 Spieltage vor Ende der Saison. Der FC Gossau zieht sich aus der NLB zurück. Sportlich sind von nun an sogar Wettkämpfe in der rythmischen Gymnastik für Frauen Altersklasse 65-75 relaventer, als die restlichen Parteien. Der Entscheid, den Gang in die 1.Liga anzutreten kommt jedenfalls nicht so überraschend, wie der Zeitpunkt der Bekanntgabe.

Das Positive, die Rückstufung in die dritthöchste Schweizer Liga kann für den FC Gossau eine Chance darstellen. Mit gezielter Juniorenförderung, und guten regionalen Spielern könnte der Fürstenländer Verein endlich wieder positiv wahrgenommen werden.

Aus Sicht der Fans tut der Entscheid sicherlich weh. Als Anhänger will man seinen Verein immer möglichst weit oben sehen. Doch die Ereignisse in den letzten Monaten liessen mich persönlich innerlich ein wenig abstumpfen. Ich denke daher ein Neuanfang ist richtig. Um auf meine Diskussion beim Open Air zurückzukommen. Mein alter Bekannte hatte Recht werden nun die meisten Denken. Doch solche Meinungen waren auch ein Mitgrund warum das "Abenteuer NLB" beim FC Gossau schlussendlich scheitern musste. In der Bevölkerung war kein Rückhalt zu spüren, potente Sponsoren fehlten ebenso wie viele Zuschauer. Der FC G wurde oft belächelt, und der Satz "die ghöred jo au nöd id Nati B" machte mich des öfteren wütend.

Trotz aller kritischen Stimmen, der FC Gossau spielte zumindest eine Saison lang erfolgreichen NLB Fussball. Die Fürstenländer haben damals bewiesen, dass dies auch mit wenigen finanziellen Mitteln funktioniert. Es war ein Traum, der leider viel zu schnell endete. Die Spielzeit 07/08 war meine schönste Zeit als Fussballfan.

PS: Einen besonderen Dank an Präsident Roli Gnägi, der trotz vieler widrigen Umstände bis zuletzt an einen NLB Fussball in unserer Stadt geglaubt hat.
einen Dank auch an seinen Vorgänger Alex Bühler und sein Team im Vorstand. Sie ermöglichten den sensationellen Aufstieg vor 3 Jahren.

4 Kommentare:

Dänu hat gesagt…

So bitter das im Moment klingen mag: Hauptsache ehrlicher Fussball! Dein Text trifft - wie so oft - mitten ins Fussballerherz. Non mollare mai.

voegtu hat gesagt…

Ein zweigeteiltes Schwert: Einerseits verstehe ich den Entscheid. Aber andererseits hätte ich eine zweigleisige Planung wesentlich besser gefunden. So hätten die letzten Spiele noch Wettbewerbscharakter gehabt und die Spieler und Fans etwas wofür sie hätten leben und kämpfen können. Ach. Irgendwie frustrierend.

Dani R. hat gesagt…

Es ist aus, jetzt! Und, und das schmerzt wohl am Allermeisten: wohl für sehr sehr lange Zeit!
Aber es macht mich wütend. Die ganze Geschichte macht mich wütend! Angefangen da, dass jetzt alle die Recht kriegen, die sich gegen einen Ausbau der Spielstätte gewehrt haben „Gsehsch, jetzt hett mr no wieder (logisch, WIEDER…) vergäbe öppis is Stadion investiert!“ Weiter in der Sache, dass die Leute die immer behauptet haben, Gossau brauche bestimmt keine NLB Mannschaft, jetzt auch ihr „i has jo immer gsait“ Grinsen aufsetzen. Warum soll sich Gossau (ja, dieses Gossau welches sich immer gerne als „Stadt“ präsentiert) nicht sportlich „bei den Leuten“ positionieren? Faktisch bleibt jetzt eine Handballmannschaft (die hoffentlich noch sehr lange NLA spielen wird) plus ein NHL Torwart (welcher aber „nur“ mal in Gossau gewohnt hat) übrig. Reicht das? Sind das die Ansprüche?
Dann ein weiterer Punkt: wie ging das da mit dem möchtegern „grossen“ Nachbarn noch mal? Von wegen „Region muss zusammenhalten“ etc.? Ja, beim Abgang unserer ehemaligen Nr. 10 hiess es das aus aller Munde. Und danach?
Aber jetzt, was nun? Meiner Meinung nach sollte man versuchen, den Spielbetrieb per sofort einzustellen und sich für die nächste Saison (höchstens (!) in der 2. Liga Interregional) mit dem Neuanfang beschäftigen. So attraktiv die 1. Liga auch wäre, Abstiegskampf im sportlichen Niemandsland kann nun wirklich keine Motivation (mehr?) sein...
Schade um das was zu Beginn ganz gut gewachsen ist - und mit einer Aufgabe zu Ende gehen wird

Thuner hat gesagt…

... und ich hab den ganzen Abend gerätselt, wegen welchem mathematischen Mysterium Gossau rot gefärbt ist.
Schade für den Verein und die Fans, aber auch schade für die Liga, aus der sich innert weniger Monaten schon zum dritten Mal ein Team freiwillig zurückzieht. Im Handball ist es doch auch möglich, dass Kleinst-Teams in der NLA mitspielen, z.b. gerade Gossau.