Letzigrund Zürich
20'500 Zuschauer
Die Jahrhundertniederlage-ein schonungsloser Augenzeugenbericht
"Nei i fahre nüm uf Athen im Oktober, nei so nid" tönte es, oder auch "s'nöchscht mol, häds den kei Zuschauer, noch däre huere Sauerei"! Frustriert, geschockt und wütend verliessen patriotisch geschmückte Schweizer Fans das Letzigrund Stadion.
Was die 20'500 Zuschauer die 95 Minuten zuvor erlebt hatten, hätte auch Horror Autor Stephen King nicht grusliger inszenieren können. Die Matchbesucher hätten an diesem Abend so viel anderes (schlaueres) machen können. Man hätte sich z.b die aktuelle „Gute Zeiten-Schlechte Zeiten“ Folge, 10x hintereinander anschauen können, oder man hätte Nackt kriechend und rückwärts die Bahnhofsstrasse in Zürich hinauf und hinunter robben können. Wahrscheinlich wäre man sogar lieber stundenlang mit Rainer Calmund in einem engen Lift stecken geblieben, inkl. Dauerberieselung durch die neusten CD’s von Enrique Iglesias und den Kastelruther Spatzen. Alles wäre soviel angenehmer gewesen, als dieser Abend im neuen Züricher Stadion.
Die meisten Schweizer Fans stellten sich vor dem Spiel, nur die Frage, wie viele Tore man den kleinen Luxemburger heute wohl einschenken würde. Der "Blick" hat ja schliesslich geschrieben, dass man die "Luxemburgerli" vernaschen werde. Alles war vorbereitet für die grosse Comback Show von Heilsbringer Alex Frei. Die Stimmung vor den Stadiontoren war gut. Es gab nicht mehr gar so viele Polizisten wie während des Grossturniers im Juni, und die Atmosphäre war richtig enstpannt. Ein paar grenzdebile Luxemburger Anhänger sangen zwar von "Schweiz Kanaken", aber was solls, sie waren halt schwerstens betrunken. Den Spass gönnte man dem kleinen Grüppchen, nachher würden sie ja kaum mehr Grund zum Lachen haben. Dachte man…
Das Spiel plätscherte anfangs so dahin, Alex Frei übelegte wahrscheinlich noch in welche Richtung er beim ersten Torjubel abdrehen würde, und plötzlich hiess es 0:1. Die Party auf den Tribünen war nun aber so was von vorbei. Die Stimmung wäre beim einem "Tokio Hotel" Konzert, dass vor 10'000 sehnsüchtigen Teenies, 2 Minuten vor Beginn abgesagt wird, nicht geschockter gewesen. Vor dem Führungstreffer der Gäste wurde sogar vereinzelt ein "Ottmar, Ottmar National" angestimmt, dass war nun natürlich auch passe. Dafür tobten die Gäste Anhänger ab. Teilweise befürchteten sie wohl noch, sie wären in einer luxemburgischen Version von "Verstehen Sie Spass" gelandet. Bald würde ihnen jemand sagen, dass das Ganze mit dem Führungstreffer gegen die Schweiz nur eine riesen Verarschung gewesen wäre. Doch auf der Anzeigetafel blinkte es klar und deutlich 0:1 für das kleinste der Benelux Länder.
Kurz vor der Pause kam dann zum psychologisch besten Zeitpunkt der Ausgleich für die Schweiz. Die Erleichterung war nun gross, jetzt würde alles seinen gewohnten Gang nehmen. 1 x Hakan Yakin, 2 x Frei, alles in allem würde man mit einem blauen Auge davon kommen. Ottmar Hitzfeld würde nach Spielschluss, Alain Sutter und Matthias Hüppi Rede und Antwort stehen, und zum Besten geben, dass solche Spiele schwierig seien und am Schluss nur die drei Punkte zählen. Ungefähr so würde es ablaufen. Dachte man…
Was dann in der 2. Halbzeit tatsächlich ablief, spottet jeder Beschreibung. Die Schweizer Nationalspieler stellten sich auf dem Rasen in etwa so geschickt an, wie ein nigerianischer Skifahrer beim Olympia Slalom. Dazu fehlte es neben der Technik, auch noch am Kämpferherz. Das Zusehen verursachte bei den meisten Schweizer Fans, körperliche Leiden. Ein netter 12-Runden Sparring mit Vladimir Klitschko hätte weniger Schmerz verursacht, als dieses Spiel der Nati.
Man rechnete allerdings immer noch jeden Moment mit dem erlösenden 2:1. Mit so einem kleinen "Törchen" wäre man schon mehr als zufrieden gewesen, auch die grössten Optimisten im Publikum, rechneten nun nämlich nicht mehr mit einem klaren Erfolg gegen den Aussenseiter. Einfach nicht gleich blöd, oder noch blöder dastehen als die Österreicher nach ihrer peinlichen "Jahrhundert" Niederlage gegen die Farör Inseln, dass wir nun der sehnlichste Wunsch der meisten Zuschauer.
Die Zeit lief nun mit einer bemerkswerten Geschwindigkeit ab. Doch auf dem Rasen passierte nichts und wieder nichts. Die Feierabend Kicker aus Luxemburg bereiteten unserer Mannschaft etwa so viel Mühe, wie ein MC Donalds 5 Gang Menü einem magersüchtigen Model. Nun passierte etwas merkwürdiges, sonderbares, tatsächlich etwas gar Unvorstellbares. Die Schweizer Abwehr, in der insbesondere Ludovic Magnin teilweise auftrat wie ein untalentierter Eiskunstläufer, schrieb luxemburgische Geschichte. Irgendwie stand es auf einmal 2:1. „Nei, Nei,Nei, i glaub i spinne“ fassunglose Gesichter bei den Schweizer Fans. Viele verliessen fluchtartig das Stadion. Für die Gäste hingegen war Weihnachten, Geburtstag, das 1.Mal, Schulabschluss, Erbschaft von der Oma, Polterabend, Luxemburgischer Nationafeiertag, und Silvester zu gleich. Abartiger Jubel.
Just an diesem Tag wurde am Genfer Kernforschungszentrum Cern der "Urknall" simuliert. Alle Welt sprach vom Schwarzen Loch. Ein Experte meinte die Chance, dass ein schwarzes Loch Menschen verschlucken könne, sei etwa gleich gross, wie die Möglichkeit, dass aus dem Experiment ein Drache entstehe und alle Leute auffresse. Er hätte wohl einige Stunden zuvor auch sagen können, die Möglichkeit sei etwa gleich gross, wie eine Heimniederlage der Schweiz gegen Luxemburg. Etwa 20'200 Fans im Stadion Letzigrund hätten ihm vor dem Spiel vorbehaltlos zugestimmt.
Nur weg hier, weg von diesem Schauplatz der historischen Niederlage. 1515 verlor die Eidgenossenschaft ihre letzte grosse Schlacht bei Marignano, 2008 verliert die Nati gegen den Fussballzwerg Luxemburg. Das Schlimme daran, 1515 sahen die Schweizer gegen die Franzosen eine zeitlang noch als sicherer Sieger aus. An diesem 10.September 2008, zeigte die Schweiz aber keine Gegenwehr, und der Gegner war vom Potential her auch noch deutlich unterlegen. Es war erschreckend.
Das Tram zum Hauptbahnhof total überfüllt, schwitzende Körper in roten Trikots. Vor einem Döner Laden können sich ein paar Typen ein Lachen nicht verkneifen (mein Gott, wer will ihnen das Verübeln, sie hatten ja Recht). Merkwürdige Stimmung im Zug nach Hause, ähnlich bedrückt wie nach dem EM Aus. Im Gegensatz zum Out gegen die Türkei im Juni, glaubten aber diesmal viele der Fans immer noch in einem ganz beschissenen Alptraum gelandet zu sein. Viele werden am darauffolgenden Morgen mit Halschmerzen aufgewacht sein, vor lauter Kopfschütteln.
Anmerkungen:
Wenn jemand überhaupt Gefallen an dieser Niederlage gefunden hat, dann vielleicht noch Rolf „Baku“ Fringer, der nun in den Schatten von Ottmar „Lux“ Hitzfeld rückt.
Der Satz des Tages am 11.September 2008.
Die Niederlage von Gestern macht die Schande von Baku vergessen
Ach ja und lest doch den Bericht über das israelische 3.Liga Spiel (unter diesem Eintrag), lenkt ein wenig ab von unseren "Schülerbuben".
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