Dienstag, April 03, 2007

Gästeblog: Sony Ericsson Open Miami, Florida (Key Biscayne)














Gästeblog vom FC L-Dänu
grosser FC Luzern Fan und Redaktionsmitglied
des vorzüglichen Fanzines "Der Stelzbock".
(zu finden unter www.us-luzern.ch)

Sony Ericsson Open Miami, Florida (Key Biscayne)
Crandon Park - Centre Court / Grandstand-
13'300 Zuschauer

Die Vorzeichen standen schlecht. Eine Hiobsbotschaft löste die Nächste ab. Von ausverkauft war die Rede. Davon, dass Federer erfahrungsgemäss immer die "Night Session" bevorzuge (und unsere Agenda dann jeweils mit anderen Sport-Events besetzt war). Und unsere Schweizer Damen wollten anscheinend auch nicht wirklich von uns angefeuert werden und verabschiedeten sich bereits während einer Phase des Turniers, als wir uns noch mit überforderten Fussballfunktionären, selbstherrlichen Auslandschweizern und nur nachts wirklich motivierten, aber selbst da grösstenteils erfolglosen Nationalspielern beschäftigten.

Weil aber - und das können unsere Landsleute von der fussballspielenden-und organisierenden Zunft fürwahr nicht von sich behaupten - unsere Reise nur so von administrativem Glück (oder hat es etwa doch mit Organisationsgeschick zu tun?) strotzte, genügte am Sonntagabend ein einminütiger Blick ins Internet, um die eh schon gut gelaunte Reisegruppe zusätzlich aufzuheitern. Am Montagnachmittag war also Spitzen-Tennis in Key Biscayne angesagt.

So setzte man sich frühmorgens (also so gegen Mittag) in die zwei Luxusschlitten und orientierte sich ein paar Meilen südlicher. Vor Ort angekommen, schickten wir die zwei jüngsten Herren ins Rennen, um für alle Karten zu besorgen, während dem die Fahrer sich um den Parkplatz kümmerten.

Um es einfach mal festzuhalten, organisatorisch kann man keiner der Sportveranstaltungen, die wir während unseres Trips erleben durften, etwas anhaben. Die Lotsen, die Beschilderung, der Verkehrsfluss, einfach alles funktioniert einwandfrei. Doch irgendwie bemerkenswert, wenn man bedenkt, dass der öffentliche Verkehr für die Amis keine lohnenswerte Alternative ist. Einzig die hohen Parkplatzpreise (zwischen 10 und 15 USD pro Event) sind gewöhnungsbedürftig. Andererseits entspricht das ja wiederum auch nur einer einzigen Biereinheit, so gesehen relativiert es das Ganze wieder...

Nun denn, nach dem ersten Schock, den wir den beiden Ticketdealer-Schlitzohren zu verdanken haben, gings erstmal auf den Centre Court, um die Zaunfahne aufzuhä..... äääähhh, die erworbenen Sitzplätze zubegutachten. Zum fairen Preis von USD 33.- gabs Plätze im obersten Rang, die Sicht auf Tennisplatz und der dahinterliegenden Skyline von Miami Downtown darf durchaus als passabel bezeichnet werden. Kaum hat man es sich auf den Sitzen gemütlich gemacht, durfte auch schon die erste Überraschung- und es sollte nicht die letzte bleiben - beklatscht werden. Ein amerikanischer Qualifikant namens Amer Delic (der im übrigen eine bewegte Lebensgeschichte hinter sich hat) schmiss die Nr. 4 Nikolay Davydenko in zwei Sätzen aus dem Turnier. Besonders wichtig war für uns, dass die Spiele im Centre Court nicht zu lange andauerten, damit wir uns nach Federer-Spiel rechtzeitig aus dem Staub machen konnten.

Vor unserem "Genius" sollte aber erst noch das Tennis-Informer-Kreuzchen für den "Grandstand" gemacht werden. Florian Mayer gegen Tommy Robredo lautete die Partie. Deutschland blieb sowohl supporttechnisch wie auch resultatmässig unter den Erwartungen.

Dazwischen kurze Verpflegung mit Pasta und schon gings zurück auf den Centre Court, wo unsere Nr. 1 sich bei 82 Grad Fahrenheit "aufwärmte". Das Spiel war im ersten Satz noch einigermassen ausgeglichen, dann drehte King Roger leicht auf und liess Nicolas Almagro aus Spanien (Setzliste Nr. 29) auch im zweiten Satz erwartungsgemäss das Nachsehen. Und wir konnten uns pünktlich auf den (Um-)Weg in Richtung Basketball machen.

Der Zufall (oder ist es eben doch Schicksal?) wollte es, dass am darauffolgenden Tag einerseits etwas wechselhaftes Wetter, andererseits wiederum Roger Federer auf dem Programm stand. So entschied man sich kurzerhand, noch einmal Key Biscayne in Angriff zu nehmen. Mit dem Badezeug im Schlepptau, falls es uns mal langweilig werden sollte. Eins vorweg, es blieb trotz herrlichem Sonnenschein und glühender Hitze bei der Absicht, an den Strand zu gehen und am Ende verzichtete sogar unser Musterhopper aus Bern freiwillig auf einen potenziellen Ground in Fussdistanz...

Bei unserer Ankunft in Key Biscayne (das Turnier wurde übrigens von den Spielern zum achten Mal in neun Jahren als "Tournament of the Year by the ATP" gewählt) wartete gleich der erste Knüller auf. Serena Williams schlug Maria Sharapova überraschend souverän und freute sich sichtlich über den gelungenen Effort. Auch Papa Williams - natürlich mit Sitzplatz in der ersten Reihe - schien der Tochter wohlgesonnen. Wesentlich enger ging es beim zweiten Match zu und her. Der Sandspezialist David Ferrer forderte dem Amerikaner Andy Roddick insbesondere im ersten Satz einiges ab. Nicht nur das Endresultat, auch der Spielverlauf im zweiten Satz erinnerte dann aber doch stark an die am Vortag gesehene Partie Federer-Almagro und so zog Roddick verdient in die nächste Runde ein.

Nun war endlich die Zeit für uns Fussballproleten gekommen. Unbeeindruckt von der gemütlich-gepflegten Ambiance im ganzen Tennis-Areal nahmen wir uns fest vor, Roger Federer lautstark zu unterstützen. Der Gegner war nicht ganz ohne, Guillermo Canas war zwar nur als Qualifikant ins Turnier gerutscht, hat jedoch eine Nummer 2-Position im ATP-Ranking (vor ca. fünf Jahren) vorzuweisen, eliminierte in den Runden davor u.a. Tim Henman und Juan Carlos Ferrero und zu guter Letzt schlug er vor wenigen Tagen überraschend unsere Nr. 1 in Indian Wells. Also durchaus Gründe genug für den Schweizer, seinen Gegner nicht ganz auf die leichte Schulter zu nehmen.

Es sollte das packendste und spannendste Spiel überhaupt werden, dem wir auf unserer gesamten Florida-Reise beiwohnen durften. Bereits der erste Satz verlangte eine Tie-Break-Entscheidung, normalerweise eine Spezialität von Roger Federer. Zum Erstaunen aller gelang es aber dem Argentinier Canas, die Fehlerquote wesentlich geringer zu halten und er siegte überraschend mit 7:6 (7:2).

Danach schien Federer den Rank gefunden zu haben. Er packte seine bekannten Fähigkeiten aus und überzeugte mit unglaublichem Power-Tennis. Obschon Canas im ganzen zweiten Satz nur einen einzigen unerzwungenen Fehler (!)beging, blieb er ohne Chance und verlor klar mit 6:2.

So musste also ein dritter Satz herhalten... Federer gelang dabei - mit dem starken zweiten Satz und dem Fussballpöbel im Rücken - bald ein weiteres Break und die Vorentscheidung schien gefallen zu sein, natürlich zur Freude der vereinzelten über das ganze Stadion verteilten Schweizer Fans.

Canas jedoch gab sich noch nicht auf. Er kämpfte vorbildlich und aufopferungsvoll in etwa so, wie wir es uns zwei Tage zuvor von unseren (Be-)Trinktouristen in den Schweizer Fussballtrikots gewünscht hätten und liess sich bei jedem gewonnenen Punkt frenetisch von den zahlreichen argentinischen Zuschauern feiern.

Und tatsächlich zeigte Federer Nerven. Statt des zweiten Breaks und 3:0 gelang es Canas, das Game zu retten und nur wenig später schaffe er gar das Re-Break. Der Centre Court stand Kopf. Waren wir - stolze Verwender des Begriffs "Fussballpöbel" - anfangs noch die einzigen, die Federer hörbar (aber sehr fair, wohlgemerkt!) supporteten, fühlte sich mittlerweile der Grossteil der argentinischen Zuschauer inspiriert, Gegensteuer zu geben. Es gab Momente, in denen wir ansatzweise die Begeisterungsfähigkeiten der Südamerikaner zu spüren bekamen. Natürlich, mit Fussball ist das nach wievor nicht zu vergleichen, aber beeindruckend war es alleweil. Auch derWeltsportler der Jahre 2004 - 2006 lobte danach den Enthusiasmus der Canas-Anhänger, liess es sich aber nicht nehmen, die seltenen unsportlichen Buhrufe ebenfalls zu kommentieren.

Nichtsdestotrotz veranlasste diese im Tennissport wohl nicht alltägliche Stimmung sogar die lokale Tagespresse zu speziellen Erwähnungen... ZitatMiami Herald: "Stadium Court was awash in light blue-and-white flags, andfans chanted ''Olé-Olé-Olé'' during changeovers, making the match look and feel like a World Cup game."Das war vielleicht ein wenig übertrieben, aber nicht ganz gelogen. Der Funke sprang immer wieder vom Publikum zu den Spielern über und umgekehrt.Während den atemberaubenden Ballwechseln hätte man eine fallende Stecknadelhören können, davor und danach war jeweils tosender Applaus,ohrenbetäubender Jubel und zugleich die berühmten Aaaaah und Oooooohh's festzustellen. Eine wirklich elektrisierende Stimmung, die wir teilweise selbst initiiert hatten, andererseits uns auch wiederum anstecken liessen. Verachtete man während den vorhergehenden Partien die Sitznachbarn insgeheim als "Tennispublikum", fieberten wir nun plötzlich selber total mit und als es im dritten Satz auch zum Tie-Break kam, erinnerte die eigene Pulsfrequenz an ein Elfmeterschiessen in einem wichtigen Pokalspiel. Und natürlich gab man sich längst als Tennis-Experte und fachsimpelte, als ob wir die gesamte ATP-Tour schon mehrmals komplett hätten... ;-).

Es kam, wie es nicht kommen musste. Canas war an diesem Abend der nervenstärkere und wohl auch der bessere Spieler, Federer ging zu fahrlässig mit seinen Bällen um und so siegte Guillermo Canas sensationell zum zweiten Mal hintereinander gegen die vermeintlich unschlagbare Nummer 1 der Welt.

Obschon Federer danach den Statistikern fehlendes Fingerspitzengefühl beider Interpretation von "Unforced Errors" (Federer 51, Canas 15) vorwarf, so vermittelten die Zahlen eine eindeutige Sprache. Trotz den vielen Fehlern von Federer, das war wirklich ganz grosses Tennis von den beiden und hat bei uns einen bleibenden Eindruck hinterlassen! Nicht ganz ernst gemeint kündigten wir dem Fussball ab sofort unsere Liebe und planten die zukünftige Roger-Federer-Allesfahrerei.

Im Schwung der Emotionen fuhr man leicht enttäuscht und doch irgendwie total glücklich und fasziniert vom Geschehenen zum Hotel zurück, um sich auf das speziellste Nachtessen der Woche vorzubereiten. Ich glaube kaum, dass es jemand von unserer Gruppe bereut hat, sich zwei Tage hintereinanderdem Tennissport zu widmen!

Bericht zum Spiel mit oben erwähntem Zitat:http://www.miamiherald.com/588/story/55257.html

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

"hesch d´stürärklärig scho usgfüut?"