Es ist Samstag Nachmittag, ich sitze im Zug nach Biel. In Zürich steigen kaum Leute ein, ich bin gar der einzige Hellhäutige im Abteil. Dementsprechend locker ist die Atmosphäre, wild gestikulierend und fröhlich wird diskutiert. Laute afrikanische Musik dröhnt aus den Kopfhörer meiner Mitfahrer. Mir singt der deutsche Sänger und Poet Udo Lindenberg ins Ohr "ich geh mit dir durch Dick und Dünn, aber nicht durch Dick und Doof". Wie wahr wie wahr….Draussen fängt es an zu Regnen, die Schweiz zieht am Zugfenster vorbei, Aarau, Olten, Solothurn. Ich schaue raus, geniesse diesen Moment, Gedanken kreisen.
Nach etwas mehr als zwei Stunden erreiche ich die zweisprachige Stadt Biel/Bienne. Freunde erwarten mich, einige sehe ich öfters, andere weniger häufig. Erlebnisse werden ausgetauscht, sie verbrachten den Tag am Bielersee, das Wetter ist schön. Der Bus fährt uns zum schönen Stadion Gurzelen, man sieht Leute mit roten FC Biel Kappen an den Stadionkassen. Wir werden zum Gästesektor verwiesen. Ein langhaariger Sicherheitsmann durchsucht peinlichst genau die Taschen, er ist freundlich. Aus dem Kassenhäuschen beim Auswärtssektor schaut entäuscht eine Frau, sie macht heute nicht das Geschäft ihres Lebens. Wir sind schon alle im Besitz von Karten und mehr Gästefans kommen heute garantiert nicht. Ein Sicherheitsmann prahlt mit seiner Vergangenheit bei einer schlagkräftigen Fangruppe, während seine Kollegen mit einem Hund spielen. Ein Sprint, nackt über das Feld, hätte an diesem Tag wohl eine Tollwut Impfung zur Folge. Jugendliche stehen am Rande des Gästesektor und schreien „ici c'est Bienne", solche Dinge gehören zur NLB, wie das Amen in der Kirche. In der Pause bin ich dran mit Bier holen, Glück gehabt, gibt noch was, danach ist das Fass leer. Hektisch telefonieren die Angestellten, sie sind auf der Suche nach Nachschub "Bier bruchts da", die FC Biel Würste brutzeln derweil gemütlich vor sich hin. Ein grosser Teil der Gästeanhänger entblössen ihren Oberkörper. Spuren von Sonnenbrand, und zu viel fettigem Essen werden deutlich sichtbar.
Nach dem Spiel, wieder geht’s auf den Bus. Wir laufen an einem Kebab Laden vorbei. "Pizza-50%Rabatt" steht da. Jemand von uns jammert entäuscht "Das isch vorem Spiel aber no nöd so gsi"! Sprachenwirrwarr im Gefährt Richtung Bahnhof, Biel ist eine multikultuerelle Stadt. Am Bahnhof sitzen, liegen oder Stehen viele verwahrloste Leute. Sie streiten um Bier,Schnaps oder sonstige Dinge, und sie sind für diese Uhrzeit schon in einem ziemlich üblen Zustand. In deren Leben muss leider viel mehr schief gelaufen sein, als ein Abstieg ihrer Lieblingsmannschaft. Wir verpflegen uns aus dem Bahnhofs Laden einer grossen Schweizer Lebensmittelkette. 2 Pack Fleischkäse und 1 Brot für CHF 7.80. Ein Kollege entschliesst sich zum Kauf von drei Flaschen Aigle-Weisswein, ein wagemutiger Entschluss. Wir verabschieden uns von unseren Berner Freunden, das "Viel Glück bim Cupfinal" sparen wir uns dieses Mal. Hat vor ein paar Jahren kein Glück gebracht.
Ohne Umsteigen bis nach Hause, wieder mal profitieren wir vom Verkehrsknotenpunkt Gossau. Die Gespräche kreisen um die üblichen Dinge, Fussball, SBB Kontrolleure, Reisen und aussergewöhnliche Leute im Bekanntenkreis. Resultate werden per Handy abgerufen, Servette und Locarno gewinnen. Die Stimmung könnte nur noch ein spontanes Jürgen Drews Konzert im Zugs-Abteil retten. Schon sind wir an Zürich vorbei, zwei Aigle Flaschen sind leer. Der Konsum des weissen Traubensafts ging an unserem Kollegen erwartungsgemäss nicht spurlos vorbei. Die Sätzen werden kürzer, der Blick langsamer. Bald schon kommt Winterthur, nächstes Jahr spielen wir gegen deren Nachwusmannschaft. Die dritte Flasche ist zur Hälfte leer. Statt mit zusammenhängende Sätzen, teilt sich unser durstiger Gefährte nur noch mit melancholischen "Patent Ochsner" Songs mit. Es ist herzzerreisend.
Wir erreichen Gossau.
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