WM Qualifikation
Karaiskakis, Piräus
30'000 Zuschauer
Das Erreichen des 30.Lebensjahr, ruft bei einigen Leuten so etwas wie eine verfrühte Midlife-Crisis hervor. Dreissig ist halt so ein Alter, wo man definitiv nicht mehr als Jungspund durchgeht. Das Zeigen des Ausweises vor der Discothek ist genauso wenig von Nöten, wie selbiges beim Erwerb von Alkohol im Coop oder Denner. Die ersten Falten oder grauen Haare veraten nämlich definitv, dass man nicht erst in den Neunziger Jahren des letzten Jahrhunderts geboren wurde. Es heisst auch nicht mehr "ah du bisch 29", wenn jemand nach dem Alter fragt, nein es heisst "wa du bisch scho 30". Deshalb Feiern auch viele Leute ihren 30.Geburtstag nicht so richtig. Es gibt Kollegen, die flüchteten am besagten Tag schon mal auf hohe Berge, weil sie da keinen Handy Empfang hatten. Ich trat hingegen die Flucht nach vorne an, und reiste mit einigen Kollegen in die griechische Hauptstadt. Jetzt nicht wegen dem Geburtstag, weil der ist mir nicht so wichtig (das meine ich übrigens Ernst, und schreibe ich nicht nur, weil ich gerade Dreissig wurde). Jedenfalls ergab es sich, dass just 30 Jahre nach meiner Niederkunft auf einem Planeten Namens Erde, die Schweizer Nationalmannschaft ein kapitales Auswärtsspiel in Piräus austragen musste.
Athen und Piräus grenzen direkt aneinander, und zusammen haben die beiden Städte 3,5 Millionen Einwohner. In Piräus befindet sich der historische Hafen der griechischen Hauptstadt Athen und auch das Stadion Karaiskakis, indem Olympiakos Piräus seine Heimspiele bestreitet. Da wir am Vortag bereits die touristischen Höhepunkte von Athen auf dem Programm hatten, beschlossen wir am Spieltag schon frühzeitig mit der U-Bahn in die Hafenstadt zu fahren. Dort konnte man sich wieder mal überzeugen, was aus Sportstätten nach Olympischen Spielen (Athen 2004) geschieht. Nämlich gar nichts. Schon ein Wahnsinn, wenn man das riesige Hafengelände abschreitet, und alles sieht kilometerlang trist aus, ab und zu gibt es wieder mal einen Hinweis auf die Olympiade, oder ein leerstehende und vor sich hin vegetierende Beach Volleyballstadion.
Irgendwann gab es dann doch wieder erste Anzeichen von Zivilisation, und dies nützten wir gleich für ein ausgiebiges Mittagessen. Die Angestellten liess uns allerdings im menschenleeren Lokal einige Zeit warten, rsp. nahmen uns erst gar nicht zur Kenntnis. Nach 10 Minuten fragten wir nach dem Grund für den überaus prompten Service? Worauf uns der Kellner auf die rot-weissen Trikots hinwies, die einige von uns trugen. Er dachte, wir seien Olympiakos Piräus Fans, und diese hätte er nicht bedient. Er wollte mal abwarten was dann so passieren würde. Doch bei uns Schweizern sehe das natürlich anderes aus, wir seien Freunde.
Nach der Stärkung mit Souvlaki, einigen schönen Mythos Bier, und diversen Ouzos zogen wir weiter, irgendwas musste diese Stadt doch zu bieten haben? Nach weiteren, ziemlich ereignislosen Kilometern, sahen wir endlich etwas, das wie ein richtiger Bootshafen ausschaute. Der Gesamtwert der Jachten, die da standen, hätte wohl locker das Bruttosozialprodukt eines mittelgrossen, westafrikanischen Landes ausgemacht. Unser Auftauchen sorgte deshalb für hektische Betriebsamkeit beim Sicherheitsdienst dieses Luxus Hafen. Die Security Typen, waren sehr erleichtert, als unsere Gruppe nach einiger Zeit das Gelände verliess, und bis auf die äusserst schmucken Toiletten, wurde von uns "ach so assozialen" Fussballfans nicht einmal etwas beschmutzt.
Nach unserer ziemlich erfolglosen touristischen Exkursion machten wir uns dann langsam zum Stadion auf. In einem Park davor, stimmten wir uns auf das Spiel ein. Dort nahm ich auch dankend, und zu Tränen gerührt, ein fantastisches Geburtstagsgeschenk von Kollegen an, die erst kurz vor dem Spiel in Griechenland eintrafen. Sage und schreibe 30 Tüten gesalzene Sonnenblumenkernen! Was sind schon 30 Kerzen auf einer Schwarzwälder Kirschtorte, gegen so ein Präsent? Die lokale Köstlichkeit wurde, zwecks Überfluss, auch fleissig an anwesende griechische Kinder und Rentner weiter verschenkt. Nur ein ziemlich, verwirrter und sichtlich drogenberauschter Kerl, hätte lieber ein Bier von uns gehabt, als einige dieser Sonnenblumenkernen. Der Typ war halb Grieche, halb Deutscher, und ging uns mit seinem Geschwaffel ziemlich auf die Nerven. Als sein Wunsch nach Bier nicht in Erfüllung ging, beschimpfte er uns mit den lustigen Worten "Ich bin deutscher Pazifist, aber euch Schweizer mag ich überhaupt nicht".
Doch deutsche Pazifisten mit glasigen Augen hin oder her, der Höhepunkt des Tages folgte natürlich noch. Das sogenannte 6-Punkte Spiel für die Schweizer Nati lockte 29'400 Griechen ins Stadion, und auch 600 Schweizer. Es hätte allerdings durchaus mehr Platz gehabt im Gästesektor. Was den Umstand, dass nur diese geringe Anzahl an Karten in die Schweiz gingen, noch unverständlicher erscheinen lässt. Das Spiel ging los, und ziemlich früh schoss die Schweiz den Führungstreffer. Zu diesem Zeitpunkt hatten sich schon ein paar griechische Fans, am Rande des Gästesektors eingefunden. Einge von ihnen hatten schlichtweg null Interesse am Fussballspiel, dafür hatten sie ihr Hauptaugenmerk auf den Schweizer Anhang gerichtet. Daraus entwickelten sich diverse amüsante Spielchen. -Grieche wirft Wasserflasche Richtung Gästesektor. Wasserflasche nimmt ihren Weg zurück. -Grieche will Wasserflasche werfen. Schweizer Fans sehen das, zeigen auf besagten Herrn. Der Grieche schaut ungschuldig. -Security Typ entledigt sich seiner Weste und baut sich martialisch vor Schweizer Anhänger auf. Der warnende Zeigfinger der Schweizer Fans, ob er den seinen Job loswerden wolle, engegnet er lakonisch mit den Worten"My Problem". -Laser Pointer werden auf Schweizer Fans gerichtet, echt mühsam, man kann das Alex Frei nachfühlen.
Ich will nichts Schönreden, es gab auch eine verletzte Person im Schweizer Sektor. Trotzdem verlief das Ganze eigentlich doch in einem normalen Rahmen. Es kamen auch nicht Fackeln oder Farbeimer geflogen wie beim legendären WM Barrage Spiel in der Türkei, sondern eben "nur" kleine Wasserflaschen und sonstiger Krimskram. Das alles konnte eh nicht abklenken von der cleveren Leistung der Schweizer Nati, und den verdienten 3 Punkten, die man aus Piräus mitnehmen konnte. Die Stimmung im Auswärtssektor war zudem für Nationalmannschafts Verhältnisse sehr gut.
Die etwa 45minütige Blocksperre nach dem Spiel nützte man zum fröhlichen Weitersingen. Leider waren einige im Auswärtssektor intellektuell überfordert, als der alte Gassenhauer "Griechischer Wein" angestimmt wurde, aber seis drum, hat trotzdem Spass gemacht. Ausserdem bleibt ein 30. Geburtstag wohl ewig in Erinnerung, wenn einem von 600 Leuten noch ein "Happy Birthday" dargebracht wird, zudem gab es ja noch weitere Geschenke. Die 3 Punkte von der Mannschaft, die Sonnenblumenkerne, und nicht zu vergessen, diverse Wasserflaschen von griechischen Fans.
Die Nacht war aber noch lange nicht zu Ende. Eine grössere Gruppe von lustigen Leuten, versammelte sich bei einem kleinen Kiosk, direkt bei unserem Hostel. Der Inhaber traute seinen Augen nicht, als er wohl seinen Monatsumsatz innerhalb von 20 Minuten locker getoppt hatte. Einige hätten noch die ganze Nacht vor dem Kiosk verbracht. Leider hatten die Bewohner oberhalb des Ladens etwas gegen diese Pläne einzuwenden. Zuerst flog mal ein Böller in die Richtung von uns, dann auch noch ein Stuhl, und zuletzt machte die Polizei auch noch ihre Aufwartung. Dies führte zwar zu kurzeitiger Hektik bei unsereins, doch schlussendlich war auch das halb so wild.
Ein wunderbarer Abschied von den zwanziger Jahren, und ein schöner Start in die Dreissiger. Gerne kann der 15. Oktober 2018, in ähnlicher Weise ablaufen. So machen Geburtstage Spass. Allerdings bitte das nächste Mal ohne diese verdammten Sonnenblumenkerne. Ich kann sie nicht mehr Sehen, geschweige den Essen
Learning “Low Budget” Lektion 2:
Diesmal eine Auswärtsreise mit der Schweizer Nati:
-Regional Zug nach Stuttgart (Baden Württemberg Ticket für 9 Euro pro Person)
-Billigflug von Stuttgart nach Athen (ca. 80 Franken)
-U-Bahn Tagesticket in Athen (3 Euro)
-Akropolis Besichtung Gratis anstatt 12 Euro
-Billigflug von Athen nach Mailand/Malpensa ( ca. 80 Franken)
-Regionalzug bis an die Schweizer Grenze (Gallerate-Domodossola für 8.50 Euro)
-Zug von Domodossola nach Gossau (Migros Duo Tageskarte für 27 Franken pro Person)
PS: Gut gemacht (derjenige den ich meine, was wovon ich spreche)
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