Mittwoch, Oktober 01, 2008

Ein Tag im Leben des Soldaten Frey


Montag Morgen, der Wecker schrillt mit einer erschreckenden Genauigkeit. Wieder mal hat Frey schlecht geschlafen, vor einem sogenannten "Dienst bei der Armee". Was würde ihn dieses Mal wohl erwarten? Endlose Wartereien? arrogante und selbstverliebte "Vorgesetzte"? Sicher aber viel Sinnloses und noch mehr Nutzloses, dass stand für ihn schon mal fest. Irgendwo im Nirgendwo, sollte er sich bei einem Zeughaus um Punkt 0830 zum Dienst melden, so die vagen Informationen auf dem Marschbefehl. Vieles hatte er die letzten Jahre versucht, um vom Militärdienst wegzukommen, ganz weg kam er nie, dies aus verschiedenen Gründen. Es ist wie bei einer Drogensucht, nur total umgekehrt. Man will überhaupt nicht, und trotzdem muss man hin, denkt Frey. Wenigstens ist Soldat Frey die Waffe losgeworden, und ausser dem viel zu grossen Armee-Kampfanzug, befindet sich nicht mehr viel Militärisches in seinem Besitz.

"Was Frey? dieser Name steht nicht auf unserer Liste." Frey ist in einer grossaufgezogenen Militär Übung angelangt, die wohl irgendwie den Krieg oder etwas ähnliches simulieren soll. Das hat ihm gerade noch gefehlt.
Der Korporal, Wachtmeister oder Offizier, der ihn am Eingang kontrolliert, muss erst einmal seinen Vorgesetzten fragen, wieso Frey nicht auf der Liste der Übungsteilnehmer steht? Korporal, Wachtmeister oder Offizier, Frey kennt weder die Militär Abzeichen noch weiss er, welcher Dienstgrad über dem anderen steht. Ein Kollege von Frey würde jetzt sagen, "Es ist in etwa so egal, wie wenn in China ein Fahrrad umfällt".
Irgendwann, kommt der Korporal, Wachmeister oder Offizier wieder, und sagt, er solle draussen vor dem Tor warten, vielleicht kommt ihn dann da jemand abholen. Frey hockt sich in die Wiese vor dem Eingangstor. Warten, auch so etwas das ihn nervt. Warten auf die Ungewissheit, warten auf noch mehr Wartereiei, und wieder die ungewissen Gedanken, was würde wohl dieses Mal auf ihn zukommen?
Nach 2 Stunden kommt jemand, und sagt Soldat Frey, er solle sich mal ein "Pass" für das Gelände ausstellen lassen. Irgendein Vorgesetzter hätte gemeint, wenn er schon mal da sei, könne er auch gleich hier bleiben. Man werde schon irgendeine Beschäftigung für ihn finden, so die Aussage.

NZZ, Tagblatt, Tagesanzeiger. Abends um Fünf, hatte er jeden Artikel in diesen Zeitungen gelesen. Die Zuschauerzahlen der italienischen und englischen Liga hätte er auswendig aufsagen können. Ebenfalls hätte Frey einen Vortrag über die Begegnung von Goethe und Napoleon in Erfurt halten können (Napoleon erste Worte zu Goethe: "Voila un homme").
Eine grandiose Begrüssung, denkt sich Frey. Ob Goethe wohl auch Militärdienst leistete, denn früher galt man, zumindest in der Schweiz, nicht als richtiger Mann, wenn man nicht mit einer Waffe sein Land verteidigte. Heute ist das gottseidank nicht mehr so, und die Motivation der Soldaten scheint sich von Jahr zu Jahr, mehr und mehr dem Niveau von Soldat Frey anzunähern. Die "Vorgesetzten" haben allerdings immer noch ihre Freude an der Miliz Armee. Soldat Frey hat sich schon oft den Kopf darüber zerbrochen, was wohl der Grund dafür sein mag? Sicherlich sie haben z.b. ihr eigens hergerichtetes Caffee, wie bei dieser Übung. Ob das wohl im sogenannten "Ernstfall" auch so sein würde, rätselt Frey?
Unübersehbar steht da draussen vor dem Eingang, "nur für Offiziere". Für den Soldat gibt es Tee und Müsliriegel in einer kargen, kühlen Lagerhalle. Doch der Nussgipfel und der Kaffi Creme alleine, können wohl kaum der Antrieb sein für einen monate oder gar jahrelangen Dienst bei der Armee. "Für die Karriere sei das gut, wenn man im Militär ein hohes "Tier" ist", hörte Frey früher viele Erwachsene sagen. Heute ist das sicher nicht mehr so. Der Führungsstill in der Armee ist etwa so weit von der Privatwirtschaft entfernt, wie Dieter Bohlen von einem Literatur Nobelpreis. Wahrscheinlich ist es einfach das pseudo "Elitäre" was immer noch Menschen anzieht im Militär Karriere zu machen. Dieses Klassenverhältnis, wir da oben, die da unten, und es gibt keine Widerrede wie bei der Frau zuhause. Nirgendwo sonst ist die Hierachie so klar definiert, nirgendwo sonst kann man den Müller oder den Meier noch zusammenscheissen, ohne das er sich gleich einen neuen Job bei der Konkurrenz sucht.

Soldat Frey macht sich diese Gedanken, während er barfuss in der Wiese liegt, sich die Sonne auf den Kopf scheinen lässt und einfach hofft, dass die Zeit im Dienst möglichst rasch vorbei gehen wird. Irgendwann quitschen Autoreifen einige Meter von seinem Kopf entfernt. Hysterisch steigt ein junger, gut frisierter Mann aus, und fragt "Wo ist der Pausenraum?". Frey antwortet, dass er nicht wisse wo sich der Pausenraum befände. "Hier ist aber sicher kein Pausenraum, gehen sie woanders hin", meint der Jüngling und steigt wieder in sein Militärgefährt ein. Frey packt seine Armeestiefel, und macht sich auf die Suche nach dem Pausenraum. Der Pausenraum ist allerdings nicht so gemütlich wie der Platz auf der Wiese. Es ist schattig und die Wiese ist so steil, dass man sich nur auf die Treppe daneben setzen kann. Kaum abgesessen, kommt der nächste mit Militärgrad "Irgendwas" angestiefelt "Was machen sie hier?". Langsam nervt sich Frey und er antwortet: "Leider kann mir niemand sagen, was ich hier mache". Der korpulente Mann, dessen Waffengürtel seinen üppigen Körper betont, scheint zufrieden mit der Antwort, und macht sich samt seinem Funkgerät wieder auf die Suche nach dem Feind.

Mittlerweile sitzt Soldat Frey schon seit 11 Stunden in diesem, zur Hochsicherheitszone umfunktionierten, Zeughaus. Was man doch so viel schlaueres in dieser Zeit hätte machen können, denkt Frey. Manchmal kommen ihm in solchen Situationen Songtexte wie der folgende in den Sinn "Es wird keiner kommen, um dich einmal zu holen, geh alleine los! Weil du nur einmal lebst!" Campino von den Toten Hosen hat diese Zeilen geschrieben, er war bestimmt nie im Militär, aber für Soldat Frey passen sie zu seiner momentanen Lage. Jede Stunde seines Lebens, die er in der Armee verbrachte, war vergeudete Zeit, eben "Weil du nur einmal lebst", überlegt sich Frey.

Irgendwann so gegen 19 Uhr findet sich doch noch ein Job für Soldat Frey. Er soll zwischen 2 Uhr in der Nacht und 8 Uhr am Morgen, irgendwelche Protokolle ausfüllen. Wenigstens weiss man jetzt mal, woran man ist, denkt sich Frey.
Endlich kann er auch dieses Areal verlassen, um sich vorher noch einige Stunden schlafen zu legen. In einer dieser typischen Dorfbeizen gönnt sich Frey noch ein Bier. Die Gaststätte ist gut gefüllt, und es wird viel geraucht und gelacht. Hier wird bestimmt auch nach dem 1.Oktober weiter geraucht, und hier würde man wohl keine Abstimmung für die Abschaffung der Armee gewinnen.
Frey sitzt zusammen mit einem Mathematiker und einem studierten Geografen. Beide füllen heute Nacht auch Protokolle aus, und beide befinden sich auch auf der untersten Hierachiestufe der Armee. Irgendwie bezeichnend, irgendwie ebenfalls bezeichnend, dass die drei von einem ebenfalls anwesenden "Vorgesetzten" mit bösen Blicken abgestrafft werden, als er ihre Getränkeauswahl erblickte. Frey denkt, dass ist ja sein gutes Recht, wir befinden uns ja im Krieg, und da ist man wahrscheinlich besser nüchtern.

Soldat Frey findet kaum Ruhe in diesen Zivislchutzbunkern, andauernd hört man die Lüftungsanlage und das hin und her Gelaufe von den aufstehenden und sich schlafen legenden Wachen. Nach einigen Stunden Schlaf, oder zumindest so was ähnlichem wie Schlaf, macht er sich wieder auf Richtung Zeughaus. In der Kommandozentrale ist die Hektik gross, nicht etwa wegen der Übung, sondern wegen dem neusten Börsen Crash in New York. Betriebsam werden Internet Seiten angewählt, und Kurse überwacht. Für einmal rückt auch der Schnupftabak in den Hintergrund. Das Ritual mit dem Tabak, scheint gradunabhängig beliebt im Militär.

Die Nacht ist lang, verdammt lang. Ab und zu treffen fiktive Meldungen ein, die auf dem Protokoll notiert werden müssen. Ab und zu kommt auch ein Vorgesetzer und fragt Frey etwas. Da stellt man sich besser rat und ahnungslos, dass hat Soldat Frey in seiner Militär "Karriere" gelernt. Nicht das man noch irgendwie positiv auffällt, oder am Ende noch irgendwas "Wichtiges" erledigen muss, denkt Frey.

Lesen, gut liest man gerne, überlegt sich Soldat Frey. Ansonsten wäre diese Nacht unendlich lange gewesen. "Stille" heisst das Buch, dass irgendwie gar nicht zum Militärdienst passt, aber zu dieser Nacht schon. Frey denkt, wäre das Ganze nicht so schlimm, wenn nicht alles in Stille ablaufen würde, könnte man sich dann an das Ganze gewöhnen? Nein, sicher nicht, verwirft er den absurden Gedanken sofort. Es würde nicht gehen, Stille ist das Gegenteil von Militär. Militär bedeutet laute Waffen, herum brüllende Vorgesetzte, es bedeutet Gewalt, Entzug von persönlicher Freiheit und noch so vieles mehr, dass Frey widerstrebt.

Soldat Frey geht schlafen, morgen ist wieder so ein Tag. Vor dem Einschlafen überlegt er kurz, wie lange er nun schon hier ist. 24 Stunden, 24 Stunden, und man denkt, man sei schon eine Ewigkeit hier.

*Soldat Frey ist eine fiktive Person. Übereinstimmungen, Ähnlichkeiten mit wirklichen Personen, oder Handlungen sind rein zufällig.

4 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Grandioser Bericht!
Da fühl ich mich gleich wieder bestätigt, alles richtig gemacht zu haben als ich mich diesem Verein nicht anschliesste!
Mein Beileid für Soldat Frey..

Anonym hat gesagt…

mein gott, super und auf den punkt geschrieben.
bin ich froh diesen müll hinter mir zu haben.
kommt mir alles sooooooo bekannt vor.

Anonym hat gesagt…

Zum Glueck wollte uns dieser Drecksverein nicht (mehr) haben. Besonders nachdem wir die ganzen Kriegsmuseen in Vietnam und Kambodschabesichtigt haben, wurde uns die Sinnlosigkeit dieser Geldverschwendungsmaschinerie wieder einmal vor Augen gefuehrt.
Gruss aus Siem Reap Bock und Stecki

Anonym hat gesagt…

WIE GEIL!!!!!!!!

Meine Lieblingsstelle: "Es ist wie bei einer Drogensucht, nur total umgekehrt."

Ich hab den Entzug ja gottseidank hinter mir. Nur die Spritze "muss" ich irgendwann noch abgeben. Liebe Militaristen, wenn Ihr mir dazu nicht bald ein Aufgebot schickt, bring ich das Zeugs selbstinitiativ vorbei...

Ach ja, Soldat Frey, was für ein Radl ist das genau, das in China? Etwa ein ... *hust*... ;-)