Donnerstag, Oktober 22, 2009

SC Herisau : EHC Uzwil

Gästeblog von C.G: langjähriger treuer SC Herisau Fan, in guten wie in schlechten Zeiten. Den Blog-Stammlesern dürfte C.G. auch von seinem gerne gelesenen und äusserst geschätzten Gast-Kommentaren auf dieser Seite bekannt sein:

EHC Uzwil – SC Herisau 6:2
Qualifikationsrunde 1. Liga
Uzehalle, 695 Zuschauer

Ehrlich gesagt, nach dieser diskussionslosen Niederlage hatte ich so ziemlich überhaupt keine Lust mehr, über dieses Spiel einen Blog-Eintrag zu schreiben. Doch versprochen ist schliesslich versprochen und wenn man schon mal die Ehre erhält, für diese Seite einen Bericht zu schreiben, wäre man ja töricht, wenn man ablehnen würde!

Diese Niederlage war für mich umso schmerzlicher, als dass meine Vorfreude auf dieses Derby riesig war. Einerseits war es das erste Spiel des SC H`s, welches ich in dieser Saison besuchen würde. Andererseits ist die Affiche Uzwil – Herisau jedes Mal mit viel Emotionen und Spannung sowie einem grossen Zuschaueraufkommen verbunden. Beste Voraussetzungen also für ein spannendes Hockeyspiel. Vor allem der Punkt mit dem grossen Zuschaueraufkommen verdient einen Blick zurück in die Vergangenheit. Als beide Klubs in den 80ern noch B-klassig waren (ja, diese Konstellation gabs tatsächlich mal), zog dieses Derby jeweils um die 3000 Zuschauer an. Es ist zwar schwer vorstellbar, wie 3000 Leute in die Uzehalle reinpassen sollen. Doch solche alte Eishockeybaracken haben irgendwie die Fähigkeit, bei wichtigen Spielen plötzlich Unmengen von Zuschauern zu schlucken. Bestes Beispiel dafür ist das alte Sportzentrum in Herisau vor der Renovation. Beim entscheidenden Aufstiegsspiel in die NL A gegen GC vermochte es nicht wie anhin maximal 3500 Zuschauer zu fassen, sondern plötzlich 5000. Von Leuten, die diesen denkwürdigen Match damals live mitverfolgt haben, hört man heute noch, sie hätten sich eher in einer Sardinenbüchse gefühlt, denn in einer Eishalle. Wenn ich schon in Erinnerungen an den Aufstieg in die NL A schwelge (denn das tut in der momentanen sportlichen Situation noch ganz gut), möchte ich auch kurz erzählen, wie ich damals diesen völlig unvorhergesehenen Aufstieg miterlebte. Dieses Spiel fand an einem Samstagabend statt. Für einen Sechstklässler wie mich kam es auf elterliche Order hin natürlich nicht in Frage, dass ich so spät (20.00 Uhr...) noch ein Eishockeyspiel besuchen durfte. Teletext oder Internet-Liveticker? Damals noch so weit entfernt wie heute die Lösung des Gossauer Verkehrsproblems. So blieb mir also nichts anderes übrig, als abzuwarten. Und zu schlafen. Als ich während der Nacht erwachte, schlich ich in die Stube, wo unser altehrwürdiger PTT-Telefonapparat hing. Dort wählte ich die Nummer 164 (Ein Anruf: etwas mehr als 2 Franken). Damals war dies die Nummer des Sporttelefons, ich weiss nicht, ob es diese Nummer heute noch gibt. Ich glaube zwar kaum, dass es die Internetrevolution überlebt hat. Dann kamen die bangen Sekunden. Denn auf diesem Sporttelefon wurde einfach ein aufgezeichneter Text in der Endlosschlaufe wiederholt. So musste man vielleicht zuerst die Reschultate der Nuschel-Nuschel Rtina Ingisch oder die Zeiten der damaligen Schweizer Skiasse abhören, ehe dann die Infos kamen, welche einen interessierten. Irgendwann kam sie dann, die Frohbotschaft der unbekannten Ansagestimme: „Herisau gewinnt gegen GC und steigt somit erstmals in der Vereinsgeschichte in die NL A auf.“ Wie ich da so barfuss und in meinem „Pischi“ in der Stube stand, boxte ich ein paar Mal lautlos in die Luft und machte eine Serie von Gewinnerposen, ehe ich mich dann wieder geräuschlos zurück ins Bett begab.

Doch nun genug in (allzu) alten Erinnerungen geschwelgt, zurück zum Match Uzwil – Herisau. Meine Vorfreude auf dieses Spiel war „wiäxsait“ (um es mit Yakins/Sforzas Worten auszudrücken) riesig. Ich versprach mir auch einiges vom Zuschaueraufmarsch, obwohl beide Mannschaften momentan in der hinteren Tabellenregion herumgurken. Ausserdem sieht man bei diesem Derby meistens Herisauer Fans, die man noch nie an einem Match gesehen hatte. Irgendwelche Mittfünfziger, welche extra für dieses Spiel wieder ihren alten, gestrickten, vor Jahren gebrauchten SC H-Fanschal ausgegraben haben und mit einer Anteilnahme und Gesten, die ihresgleichen suchen, am Match mitfiebern. An diesem Abend hielt ich jedoch vergebens Ausschau nach einem solchen Original.
Das Spiel verlief lange ausgeglichen. Beide Mannschaften bemühten sich, dass man sich sehnlichst zurück in die warme Stube wünschte, denn das Spiel war bis dahin nicht gerade ein typischer Derbykracher. Immerhin, nach zwei Dritteln war Herisau „nur“ mit 2:3 im Rückstand. Es bestand immerhin noch Hoffnung, was eigentlich eine Leistung war, da nach den ersten paar Meisterschaftsspielen in dieser Saison festzustellen ist, dass Uzwil über das bessere Kader verfügt als Herisau.
Wenn das Spiel auch nicht so erbaulich war, so gab es trotzdem ein paar erfreuliche Dinge. So fanden z.B. sicherlich 200 bis 250 Herisauer an diesem Dienstagabend den Weg in die Uzehalle. Weiter durfte ich mit Freude sehen, dass die Herisauer Fans mittlerweile auch über ein paar schöne Fahnen, einen Doppelhalter und eine Blache mit der Aufschrift „SC HERISAU FANS ON TOUR“ verfügen.

Für Unterhaltung sorgte auch ein Uzwiler Fangrüppchen, welches zehn Meter neben uns stand. Ihrem Aussehen und Verhalten nach zu urteilen, muss bei ihnen jetzt dann bald die Konformation oder das erste Bewerbungsschreiben für eine Lehrstelle anstehen. Aus ihren Reihen hörte man auch immer wieder mal Sprechgesänge, welche dem grossen Fussballverein aus dem Kanton abgeschaut und auf „EHC Uzwil“ umgemünzt wurden. Höhepunkt dieser Produkte unkontrollierter Östrogen- (es hatte auch ein paar Mädchen darunter) und Testosteronschübe war ein Torjubel eines dieser Uzwiler Anhänger. Nach einem Tor für Uzwil rannte er quer über die Tribüne hinab an die Plexiglasscheibe, so dass er sich genau vor uns Herisauern befand. Mit diesem Torjubel direkt vor unserer Nase wollte er uns den erneuten Führungstreffer der Gelb-Blauen noch ein bisschen bitterer schmecken lassen. Doch soweit kam es nicht. Ganz zu unserem Amusement. Als er nämlich – mit seinem Uzwil Fanschal in der einen Hand – die Plexiglasscheibe hochsprang, um sich daran festzuhalten, erreichte er die Kante des Plexiglases nicht und rutschte wieder runter. Man kennt ja diese Pose von Fans, welche die „Barrikaden“ hochsteigen und stolz ihren Fanschal in die Höhe strecken. Der Jüngling versuchte es zwar nochmals, doch auch beim zweiten Versuch bekam er die Kante des Plexiglases nicht zu fassen und konnte diese Pose, die er wahrscheinlich an einem Fussballmatch beobachtet hatte, nicht kopieren. Nur blöd, dass sein Versuch, das Alphatierchen der Uzwiler Teenyfanschar zu markieren, von den Herisauer Fans live mitverfolgt wurde. Ein schallendes Gelächter aus mehreren Dutzend Kehlen – da gibt es sicherlich schöneres.

Im den letzten 20 Minuten entschied der EHC Uzwil das Spiel dann für sich. 3:0 gewannen die Uzwiler das letzte Drittel und hätten sogar noch höher gewinnen können, wenn sie die Chancen effizienter genutzt hätten. Von Herisau war im letzten Drittel nicht mehr viel zu sehen. Die Mannschaft wirkte stumpf und ausgelaugt. Am allerschlimmsten war das Herisauer Powerplay, welches meistens gar nicht ersichtlich machte, dass die Herisauer in Überzahl waren. Vom Aufbau eines druckvollen Überzahlspiels vor dem gegnerischen Tor ganz zu schweigen. Geschwiegen haben dann irgendwann auch wir. Allerspätestens nach dem 5:2 durch Uzwil hatte jeder unter uns eingesehen, dass an diesem Abend nichts mehr geht.

Ich persönlich freute mich seit ein paar Minuten schon wieder auf das Verlassen dieses Ortes. Dies aus zwei Gründen: Einerseits wurde jedes Mal, wenn eine Strafe ausgesprochen wurde, über Lautsprecher der alte Gassenhauer „Jo läck du mir am Tschööpli“ angespielt. Für Leserinnen und Leser, welche diesen Schweizerdeutschen Spruch nicht verstehen: Auf „maradonisch“ würde diesen Worte in etwa soviel bedeuten wie „B... mir doch einen!“. Da war also dieses Lied, das einem spätestens nach fünf Mal gnadenlos auf den Sack ging. (Insgesamt gab es an diesem Abend 21 Strafen...) Andererseits folterten uns die Uzwiler Stadionverantwortlichen auch noch mit anderen Liedern. Da wäre besonders die Sängerin Norah Jones herauszuheben, deren Lieder an diesem Abend hoch im Kurs standen. „Sunrise, sunrise, feels like morning in your eyes...“ Verdammt nochmals, es ist aber Abend, an den nächsten Morgen und den darauf folgenden Arbeitstag wollen wir noch gar nicht denken und überhaupt: An einem Eishockeymatch haben solche Schnulzen nichts zu suchen!

Um gut 22.10 Uhr war das Spiel dann zu Ende und hinterliess enttäuschte und auch einige verärgerte Herisauer Fangesichter, vor allem unter den Herisauer Allesfahrern. Gerüchte und Meinungen über die Gründe der momentanen sportlichen Talfahrt machten die Runde. Ob die Gerüchte stimmen oder nicht, sei dahingestellt. Zu einem Gerücht jedoch muss ich sagen: „Bloss nicht! Was zwei Mal schief ging, wird auch ein drittes Mal nicht funktionieren.“
Nach diesem Abend bleibt die Erkenntnis, dass es diese Saison für den SC Herisau schwierig werden wird, den Ligaerhalt zu erreichen. Denn wieder hinunter in die Niederungen der 2. Liga und wieder Spiele gegen so klingende Namen wie den EHC Bassersdorf oder gegen den HC Prättigau-Herrschaft - darauf hat nun überhaupt niemand Lust. Dann doch lieber alle CD`s von Norah Jones kaufen und als Weckmelodie auf dem Handy das Lied „Oh läck du mir am Tschöpli“ einstellen.

5 Kommentare:

gossau-fen hat gesagt…

-Grande Text C.G. u.a. für die Textzeile über den Gassenhauer "jo läck du mir am Tschöööpli" sollte man der guten Herta Müller den Literatur Nobelpreis abluchsen und dir in die Hand drücken :-))

-ich hoffe für die vielen SC Herisau Fans in unserer Region, dass sich die Appenzeller in der 1.Liga halten können. Ein Verein mit dieser Tradition und diesem Publikum hat nichts in der 2.Liga zu suchen.

Dänu hat gesagt…

werter c.g.: sensationell! die erzählungen von der aufstiegsnacht (ja, ich kenne das "hundertvieresächzgi" auch noch) und dem rahmenprogramm (in uzwil steckt scheinbar viel wil drin) kommen so gelungen rüber, dass du dir ernsthaft gedanken machen solltest, mehr gästeblogs zu schreiben. oder gar einen eigenen zu eröffnen.

gruss von einem, der "wiexäit" seit mehreren jahren ertragen muss.

Anonym hat gesagt…

Der SC Herisau hat den Trainer entlassen!!! Es kommt ein Trainer aus der 2.Liga..!! was soll man dazu sagen?!

Anonym hat gesagt…

@ gossau-fen und dänu: vielen dank fürs kompliment! ich denke zwar, dass ich nach den positiven rückmeldungen nicht gerade einen eigenen blog auftun werde, aber mich sicherlich wieder mal mit einem gästeblog zu wort melde. aber jetzt ist zuerst einmal ein anderer dran, über eine klatsche zu schreiben, die noch viel grösser ausfiel (8:0) als jene von herisau gegen uzwil:-)

Anonym hat gesagt…

[url=http://www.youtube.com/watch?v=pa8xW-AQGHA]Handy-Spionage[/url]