Dienstag, Oktober 13, 2009

Luxemburg:Schweiz


WM Qualifikation
Stade Josy Barthel
8'200 Zuschauer (ausverkauft)

Einige Franzosen werden diesen 10. Oktober verflucht haben, und wahrscheinlich werden sie nächstes Jahr an diesem Tag nicht aus dem Haus gehen, oder einfach "krankheitsbedingt" nicht bei der Arbeit erscheinen. Als sie an diesem Samstag Morgen nämlich gemütlich beim "Zmorgen" sassen, ein Croissant oder ein Froschschenkel verspeisten und in der "France Soir" geblättert haben, wird dort nichts gestanden sein von diesem Länderspiel der „Petit Suisse gegen Luxemburg“. Vorallem werden sie nicht damit gerechnet haben, dass sie auf ihrem Arbeitsweg einige Begegnungen der besondern Art haben werden.

Der Regionalzug fährt mit zwei Wagen von Strassburg nach Metz, an einem normalen Samstag sicherlich kein Problem. Allerdings entstehen Schwierigkeiten, wenn aufeinmal mehrere hundert Schweizer in diesen Zug drängen. Von hinten wird gedrückt und geflucht, wahlweise auf französisch oder im Schweizer Dialekt. Die Abteile sind logischerweise schnell überfüllt, draussen stehen aber noch dutzende Leute, die auch noch mitreisen möchten. Den Blicken der Einheimischen sieht man an, sie haben nicht die geringste Ahnung was hier gerade vor sich geht. Ein spontanes Konzert von Präsidentengattin Carla Bruni im Regionalzug hätte bei den Elsässern wahrscheinlich nicht für viel mehr Erstaunen gesorgt.
Schiere Verzweiflung bei den Mitarbeitern der französischen Bahn. Per Lautsprecherdurchsage werden die rot-weiss gekleideten Fahrgäste höflich aufgefordert den Zug bitte zu Verlassen, und die nächste direkte Verbindung nach Luxemburg zu nehmen. Ein Bahnangestellter meint, dass es definitv zu viele Schweizer im Zug habe, und zudem absolut zu viel Alkohol konsumiert werde, so fahre dieser Zug nicht weiter. Die Eidgenossen gelten aber gemeinhin als sturres Völkchen, so war es auch nicht anders zu erwarten, dass schlussendlich nur ganz Wenige ausgestiegen sind, und dies waren vor allem Franzosen. So ging die Reise mit 20 Minuten Verspätung dann doch weiter,natürlich mit den zwei Waggons.

Mit Fahnen werden diese Waggons geschmückt, "Käseplättli" zubereitet, bereits wird heftigst gesungen und einige haben schon eine Ausdünstung, als ob sie die letzte Nacht in einem Féchy Fass übernachtet hätten. Eine edel angezogene, ältere Französin macht gute Miene zum bösen Spiel. Mit Charme antwortet sie verlegen auf die holprigen Schulfranzösisch Versuche eines Urner Nati-Fans. Ein unangenehmer Geruch durchströmt den Zug. Eine fatale Mischung aus Essiggürkli, Appenzeller Käse, Bündner Fleisch, schalem Bier und Zwiebeln macht sich in den Abteilen breit. Besonders schlimm trifft es diejenigen Einheimischen, die sich nicht bis in die Waggons vordrängen konnten. Sie stehen vor dem einzigen Klo im Zug, dass natürlich bei dem „geringen“, morgendlichen Alkoholkonsum gut frenquentiert wird. Augen zu, tief durchatmen, und an eine frisch gemähte Wiese im Sommer denken...2 Stunden dauert die Fahrt nach Metz, den Gesichtern einiger französicher Fahrgäste sieht man an, es sind die längsten 120 Minuten ihres Lebens.
Irgendwann entkommen sie allerdings auch diesem helvetischen Inferno, in Metz quilt die Masse aus dem Zug. Für die Franzosen geht’s wohl zukünftig mit dem Auto zur Arbeit, und für die Schweizer geht’s weiter nach Luxemburg.

Luxemburg ein spezielles, fast schon merkwürdiges Land. Sprechen die Leute hier mehrheitlich Französisch oder doch Deutsch? Fühlen sie sich als Luxemburger, oder eher als Belgier, Holländer, Deutsche oder Franzosen? Man wird nicht ganz schlau draus. Es bleibt aber nicht gross Zeit um sich darüber Gedanken zu machen. Als Einwohner der kleinen Schweiz trifft man hier einfach zu viele bekannte Gesichter. Französisch und Deutsch sprechendes Servierpersonal, dazu viele betrunkene Schweizer, dies könnte auch ein Heimspiel in Biel oder Fribourg sein.

Auf dem grössten Platz der Stadt tummelt sich tatsächlich die „gefühlte“ halbe Schweiz. Die unvermeidlichen Typen mit Kuhglocken belästigen mit ihrem Gebimmel die armen Luxemburger, ganz schlimm wird die Mischung, wenn diese neuen „Fan-Krachmacher“ aus Südafrika zum Einsatz kommen. Wenn der Teufel auf der Suche zum Soundtrack der Hölle noch nicht fündig geworden ist, eine Mischung aus Kuhglocken und diesen Vuvuzelas wäre der todsichere Tipp für den Herrn Luzifer. Dieser Lärm tut nicht allen Köpfen gut, als eine kleiner Antifasistischer Demonstrationszug über den Platz zieht, hüpfen unvermeidbar einige Kahlrassierte in Schweizer Trikots aus den Büschen. Das hätten sich diese Leute in ihren Pullovern mit altdeutscher Schrift nicht eträumen lassen, dass ihnen noch ein paar 16-jährige Linksaktivisten aus Luxemburg vor den Augen vorbeilaufen. Das war für einige ein Gefühl wie 1.August auf dem Rütli, und Gedenkfeier zur Schlacht am Moorgarten an einem Tag. Bis auf die üblichen Provokationen bleibt es aber gottseidank ruhig.

Das Stadion ist schon eineinhalb Stunden vor Spielbeginn gut gefüllt. Viele der Zuschauer möchten mit einer Fahne oder einem Spruchband am Zaun, eine Botschaft loswerden. Das ein Intelligenztest für die Erhaltung einer Karte manchmal keine schlechte Lösung wäre, beweisen einige Leute, die ein „Streller Raus“ Transparent an den Zaun hängen. Der Sicherheitschef der Luxemburger beweist Entschlossenheit und reisst das Ding unter dem Protest der „Hersteller“ nach kurzer Zeit wieder runter. Neben mir steht eine Gruppe Aargauer, „er sei aber FC Basel Fan und sicher nicht vom FC Aarau“, meint einer von ihnen entschieden. Der FC B Anhänger ist jung und hat ein ziemlich unschönes Tattoo am Hals, so eine chinesisches Teil, solche Dinger die vor Jahren mal modisch waren, wahrscheinlich auch im Aargau. Der Tätowierte war fleissig und hat sich drei kleine Schweizer Fahnen zu einer Grossen zusammengebastelt. Er wirkt symphatisch und schwingt seine Eigenkreation während 90 Minuten. Das Spiel ist ausverkauft und das Stadion fest in Schweizer Hand. Die Stimmung ist aber eher lau, nach 6.Minuten steht es 2:0 und die Sache ist gelaufen. Nach dem 3:0 bleibt 70.Minuten Zeit, einige Schweizer nützen diese um sich hektorliterweise alkoholfreies Bier in den Rachen zu stürzen. Ein anderer Gästefan hat keine Zeit, um sich über die ausbleibende Wirkung von 3 Liter Bier zu wundern, er hetzt verzweifelt die Stadiontreppe rauf und runter. „Wo isch min Ehering?“ ruft er verzweifelt. Mangels Aktivitäten auf dem Spielfeld unterstütze ihn viele Zuschauer bei der Suche, leider vergeblich. Der Arme... wie erklärt er das bloss seiner Frau? Klar, wenn jemand von der Thailand Geschäftsreise ohne Ehering nach Hause kommt ist das schon mal Suboptimal, aber wenn jemand vom Luxemburg Auswärtsspiel ohne Schmuck am Finger vor der Haustüre steht, tja dann liegt der Ehebetrug wohl auf der Hand.

3:0 das Spiel ist aus. Gewonnen, aber noch können Herr und Frau Müller das dreiwöchige Travelclub Angebot nach Südafrika nicht buchen. Später am Abend siegen die Griechen gegen Lettland und bleiben der Nati dicht auf den Fersen. Der Schweizer Fan-Pulk zieht nach dem Spiel Richtung Innenstadt. Jetzt wird gefeiert, die Nati, die Schweiz und viele nicht zuletzt sich selber. Die zahlreichen Kneipen der Stadt werden bald von tausenden Schweizern überströmt. Das weltbekannte Luxemburger Oktoberfest ist dagegen anfänglich nicht sehr gut besucht. Mangelndes Selbstvertrauen kann man den Preisgestaltern dieses Anlasses nicht vorwerfen, unsymphatische 17.—Euro kostet eine Schweinshaxe, 10.—Euro der Eintritt, was die Groundhopper in unserer Gruppe erschaudernd in die Flucht treibt. Das Positive ist die orginal, traditionelle Oktoberfestmusik und die einigermassen günstigen Bierpreise. Diese zahlreichen Getränke vefehlen dann auch nicht ihre Wirkung, und im Verlauf des Abends testen so einige Leute die Stabilität der Luxemburger Festbänke.

Sonntag Morgen geht die Reise wieder zurück in die Schweiz, dieses Mal auf dem direkten Weg. Einigen dröhnt noch der Kopf von der hübschen Blasmusik, oder lag es doch am weltberühmten Luxemburger Oktoberfestbier? Sieben Stunden später sind wir jedenfalls Zuhause. Im Sportpanorama bringen sie einen Bericht über eine Fan Carfahrt nach Luxemburg. Der Typ mit dem chinesischen Zeichen am Hals schreit euphorisch und leicht angesäuselt in die Kamera. Die französischen Pendler können froh sein, dass nicht alle Schweizer mit dem Zug nach Luxemburg gereist sind, denke ich und gehe müde schlafen...Oans-Zwoa-Gsuffa!


5 Kommentare:

Nici hat gesagt…

Ihr hattet den besten Platz für einen Fetzen.Bei jedem Eckball sah man ihn.Herrlich

gilardino hat gesagt…

Ich glaub ich würd am Rad drehen bei der Klientel, die die Nati anzieht... Kompliment trotzdem fürs Durchhalten :-)

gossau-fen hat gesagt…

@Nici: logisch wir haben trotz grosser "konkurrenz" immer den besten fahnenplatz, ob in luxemburg oder auf dem sportplatz gossau :-))

@gilardino: wahre worte, wahre worte...der grund wieso wir immer noch fahren, ist wohl eine zünftige portion Sarkasmus, und eine tolle Reisegruppe, die ähnlich über dieses Klientel denkt wie man selber...

groundhopping.ch hat gesagt…

wie immer gelungener bericht. respekt an alle von euch, die der nati regelmässig an die spiele folgen. nur ihr habt solche erfolge wirklich verdient. aber echt tragisch - wenn leider auch absehbar - was für leute durch die aktuelle erfolgswelle angezogen werden. zuletzt sogar so gesindel wie meine wenigkeit... ;-) (ok, war halt eingeladen.) auf alle fälle viel kraft (und sarkasmus) auch zukünftig mit den elenden konsumenten im stadion. und hopp alle-vereine-die-auf-au-enden! :D

gossau-fen hat gesagt…

@groundhopping.ch: jetzt melden sich noch die "nati" erfolgsfans zu wort :-)))). Nein im ernst, schön zu wissen, dass durch deine anwesenheit der prozentuale anteil an wirklichen fussballanhängern wenigstens minim gesteigert wurde.

PS: hopp tägerwilen! (du weisst was ich meine)