Samstag, Oktober 13, 2007

Gästeblog: Samstag 6.10.07 Bern

Ich wollte schon lange mal einen Gästeblog schreiben, bis jetzt habe ich es aber nie geschafft, oder ich hatte gerade kein Thema das für den Leser genug Interessant sein könnte. Wobei die Handygeschichte von Bulgarien wäre bestimmt ein lustiger Blog geworden J
Aus aktuellem Anlass und als Gegenpol zu den undifferenzierten und zum Teil auch komplett falschen Medienberichten möchte ich hier meine Sicht zu den Geschehnissen, die am Samstag 6. Oktober in Bern passierten, schildern:

Samstag 06.10.07 in Bern
Die grösste Partei des Landes will eine Wahlmanifestation durchführen, sie marschiert friedlich los und wird von 500 Linksextremen Chaoten daran gehindert durch die Altstadt zu marschieren und musste dadurch umkehren und ihre Manifestation am Startpunkt der Route abhalten. Währenddessen verstrickten die 500 Chaoten die Polizei mit einer Guerilla-Taktik in stundenlange Auseinandersetzung, auf dem Höhepunkt derer das ganze Mobiliar, das auf dem Bundesplatz für die Reden 2 unserer Bundesräte bereitgestellt wurde, zerstört wurde.
So lässt sich kurz die Medienmittelungen in der Schweizer Presse der letzten Tage zusammenfassen.


Schauen wir die ganze Sache doch mal ein wenig sachlicher an.

Beginnen wir früher, sagen wir vor 2 Monate. Der Wahlkampf geht richtig los. Die SVP beginnt mit einer beispiellosen Plakatkampagne und greift politische Gegner an wie es die Schweiz noch nie erlebt hat. Unter anderem mit Plakaten die von der UNO als rassistisch eingestuft wurde, in der Schweiz hingegen scheint das niemand zu stören. Weiterhin heisst eine Kampagne “Sicherheit schaffen“, da frage ich mich doch welche Departemente in der Schweiz für die Sicherheit zuständig sind und wer steht diesen Departementen vor? Genau, die SVP Bundesräte. Das die SVP damit ihre eigene Politik verurteilt fällt niemanden auf. Wir müssen ja die SVP wählen, und dadurch unsere Schweiz stärken. Stärkt man die Schweiz mit einer Kampagne die dazu führt das die Schweiz in der englischen Presse als „Dunkelheit Europas“ betitelt wird? Oder stärkt man die Schweiz mit einem Wahlkampf der den Spiegel dazu veranlasst Parallelen zum 3. Reich zu ziehen. Klar, das sind alles Medienenten, nur weil die SVP kriminelle Ausländer ausschaffen will heisst das ja nicht das sie Rassisten sind. Kriminelle Ausländer will ja niemand hier haben, deshalb: SVP wählen! Aber, wir haben ja schon ein Gesetz mit dem kriminelle Ausländer ausgeschafft werden können. Was will den die SVP mit dem neuen Initiative? Wenn man genauer hinschaut sieht man dass die SVP ganze Familien ausschaffen will wenn einzelne Familienmitglieder kriminell werden bzw. sind. Sowas nennt man Sippenausschaffungen, das gab es in Europa zuletzt in Deutschland in den Jahren 1933 bis 1945.
Die 2 Monate ziehen sich dahin und der ach so „demokratische“ Wahlkampf geht langsam in den Endspurt. Eines der wichtigsten Rechte der Demokratie ist die Meinungsfreiheit und die Chancengleichheit für alle. Unter Chancengleichheit gilt auch die Chancengleichheit für arme und reiche. Wenn aber eine Partei aufgrund privaten Spenden von Reichen 15 Millionen für einen Wahlkampf aufwenden kann, während andere Parteien nur einen Zehntel aufwenden können, weil sie nicht so reiche Wähler haben, weil sie sich eher für die armen und nicht für die Reichen einsetzten, dann hat das überhaupt nichts mehr mit Demokratie zu tun. Es hat auch nichts mehr mit Meinungsfreiheit zu tun wenn man rassistisches Gedankengut auf Plakaten zur Schau stellt, denn dann ist es verbale Gewalt an Menschen (jaja auch Ausländer sind Menschen, und es gibt sogar nette Ausländer, welch Sensation) und dann ist es verboten, für das haben wir ja die Antirassismusnorm in der Schweiz. Christoph Blocher will zwar diese Norm, wie in der Türkei der dortigen Regierung versprochen, abschaffen, denn schliesslich ist für sein Rechtsverständnis völlig Unrecht wenn Türken dafür bestraft wenn sie denn Völkermord an den Armenier verleugnen, es sind ja auch nur eine Million Menschen ums Leben gekommen, so schlimm ist das nicht, also darf man das ruhig verleugnen.
Dadurch ist die Wut vieler gegen die SVP immer grösser geworden, es findet weder ein fairer, noch ein demokratischen Wahlkampf statt. Dazu der sich immer öfters offen zeigende Rassismus, das steigert die Wut und das Unverständnis noch mehr.
Also Höhepunkt des Wahlkampfes wollte die SVP am letzten Samstag in Bern eine Manifestation durchführen, die sie öffentlich als „Marsch auf Bern“ bezeichnet. Die Parallele zu Mussolini´s „Marsch auf Rom“ im Jahre 1932 ist ein weiteres Indiz dafür dass die SVP seinen Rassismus offen ausleben kann.
Am Samstag war es dann soweit, 3000-4000 SVP´ler (so viele waren es laut offiziellen Polizeimeldungen, die Presse übernahmen aber alle die Zahl 10000 aus der SVP-Medienbotschaft) kamen am Bärengraben zusammen, um ihren Marsch durchzuführen. Gleichzeitig kamen in der Altstadt von Bern, mehrheitlich auf dem Münsterplatz, über 5000 Leute zusammen um ein friedliches Zeichen gegen die rassistische Politik der SVP zu setzen. Auch ansonsten fand man vielerorts in der Stadt Leute mit „SVP nein danke“ Plakaten. Für viele Leute war aber klar dass man die SVP gar nicht durch die Stadt marschieren lassen will. Denn ein Umzug der den faschistischen Namen „Marsch auf Bern“ trägt und bei dem über 100 Neonazis, darunter bekannte PNOS-Politiker, die schon wegen Gewalttaten an Ausländer vorbestraft sind, mitlaufen hat nichts mehr mit demokratischem Recht zu tun, sondern ist ein Verbrechen. Deshalb sammelten sich gegen 13.30 Uhr, also dem Starttermin des Umzuges, am Ende der Nydeggbrücke am Eingang der Altstadt ca. 300 Leute um mit einer Sitzblockade den Umzug zu verhindern. Und genau diese Aktion, die von der ganzen Medienlandschaft als undemokratisch dargestellt wurde, genau das ist Demokratie und zeugt von Zivilcourage. Nämlich Menschen die sich gewaltlos gegen einen Umzug, der rassistisches Gedankengut akzeptiert und in sich trägt, wehren. Die 300 Menschen, darunter auch meine Wenigkeit, sammelten sich und setzten sich mitten in den Eingang zur Altstadt. Bis zu diesem Zeitpunkt gab es noch keinerlei gewalttätige Szenen in Bern. Die Polizei setzte uns eine Frist von 2 Minuten um die Strasse frei zu machen, es blieben weiterhin alle friedlich sitzen. Nach den 2 Minuten und einer weiteren Frist von 30 Sekunden lief die Polizei auf uns los, im Wissen was passiert nahmen einige Leute Sonnenschirme und stellten sie zu unserem Schutz als Barrikade vor die Sitzblockade. Es wurde aber weiterhin keine Gewalt angewendet und es flog nichts Richtung Polizei. Als die Polizei genug nah an uns war schossen sie mit Unmengen von Gummischrot und Tränengaskapseln auf uns und die Passanten, die mit „SVP nein danke“ an der Umzugsroute standen. Daraufhin schossen einige Demonstranten Flaschen auf die Polizei, danach rannten alle in die Altstadt um dem Tränengas und dem Gummischrot zu entkommen. Während dem Rückzug stellten einige Demonstranten Müllsäcke und Material von angrenzenden Baustellen auf die Strasse um der SVP den Durchmarsch zu erschweren. Zum Teil wurde auch Müllsäcke angezündet, aber man muss sagen dass das alles äusserst harmlos war und dass man das nicht als Gewaltakte deklarieren kann. Beim Zytgloggenturm angekommen standen wir alle rum und diverse Gerüchte machten die Runde, die SVP marschiere eine Gasse weiter drüben und die SVP marschiere an der Aare entlang Richtung Bundesplatz, es war jedoch wieder alles ruhig. Dann kam die Polizei und zwar von 3 Seiten, so dass der einzige freie Weg die Hotelgasse war, sodass alle Demonstranten zum Kasinoplatz laufen mussten. Dort kamen dann immer mehr Polizisten, die Leute mischten sich unter die Passanten, so wie ich, oder flüchteten weiter, und die einzigen Wege die nicht von der Polizei besetzt war, waren die beiden Strassen die zum Bundesplatz führten. Was dort passierte haben wohl alle im Fernsehen hundertfach gesehen. Natürlich ist Gewalt keine Lösung, doch man kann die Menschen auch verstehen, die bis dahin friedlich ein Zeichen gegen Rassismus gesetzt haben und als Dank von der Polizei mit Gummischrot und Tränengas durch die Stadt gejagt wurde, das sich dann sich dann halt die Wut, die sich den ganzen Wahlkampf hindurch aufgestaut hat, entlädt und das SVP-Mobiliar zerschlagen wird. Sicher zu verurteilen sind Angriffe auf Menschen und solche Auswüchse wie Autos anzünden. Gewalt an Personen wurde aber fast keine ausgeführt, kein einziger Passant verletzte sich. Gewalt an Wahlplakaten, die zu Rassenhass führen, kann ich aber beim besten Willen nicht verurteilen. Ich persönlich war aber zu diesem Zeitpunkt schon lange beim Münsterplatz, wo ein absolut friedliches Fest gegen Rassismus durchgeführt wurde.
Dort erfuhren wir das die SVP nicht durch die Altstadt marschierte.

Ich bin stolz darauf das es in meiner Heimatstadt genug Leute gibt die sich friedlich gegen einen Umzug von Rassisten oder von Personen, die sich nicht klar von Rassisten abgrenzen, wehren!

Die SVP bewies am Montag darauf wieder mal wie schlecht sie differenzieren kann, wurden doch Bilder von friedlichen Demonstranten auf der Homepage gezeigt und die Personen als Chaoten bezeichnet, obwohl die Personen auf den Fotos bei keinerlei Gewaltakten zu sehen sind obwohl viele der Fotografierten überhaupt keine Gewalt ausgeübt haben, wie ich zum Beispiel auch. Zum Glück habe ich mich vermummt, ich würde nicht gerne in der Öffentlichkeit als Chaot dargestellt werden, obwohl ich nur friedlich demonstriert habe.

Während in Schweizer Medien nur die Gewaltakte von einzelnen verurteilt wurde, während vom friedlichen Protest von mehreren Tausend Menschen kaum was erwähnt wurde, wurde in ausländischen Berichterstattungen vor allem die SVP kritisiert. Sogar in der New York Times schaffte es die Schweiz auf die Titelseite, im Artikel steht unter anderem das die Schweiz das rassistischste Land in Europa sein soll. Das sind also die Wahrnehmungen im Ausland, ob man dadurch die Schweiz stärkt ist eine ganz komische Logik.
Deshalb bitte ich jeden einzelnen Leser hier gut nachzudenken wenn er wählen will.
Wollt ihr eine Partei wählen die Fremdenhass schürt, die bewusst Vergleiche mit Faschisten wie Mussolini provoziert?

Übrigens steht keine Partei hinter den „Chaoten“ die den Bundesplatz verwüstet haben, auch wenn die SVP gerne das Gegenteil behauptet.

Als Zeichen das ich nicht anonym im Internet diesen Text veröffentliche, sondern auch dazu stehe, verspreche ich das ich jedem, der per Kommentar zu diesem Blog seine Mailadresse schreibt, eine Mail schreiben werde, für den Fall das jemand mit mir nicht einverstanden wäre und für den Fall das jemand behaupten würde die hier genannten Fakten stimmen nicht.

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