Donnerstag, Mai 03, 2007

Sowas gibts selten....

Eine Frage, was gibt es fast noch seltener als Meisterschaften vom FC Schalke 04?
Die Antwort ist einfach, intelligente Profifussballer.

Wo sind sie bloss die Gegenbeispiele zu Lothar Matthäus, Bastian Schweinsteiger und Wayne Rooney?
Klar, die drei genannten, haben mit ihren Sprüchen und Aktionen durchaus zur allgemeinen Belustigung beigetragen und logisch braucht es solche Spieler auch, aber nochmals wo sind die belesenen und kritisch denkenden Profikicker?

Spontan fallen mir folgende Spieler ein, Oleguer Presas der Verteidiger des FC Barcelona seines Zeichen linksradikaler Kämpfer gegen die Globalisierung oder auch Cristiano Lucarelli, ebenfalls "Linker" und treuer Spieler des US Livorno, aus deutscher Sicht wäre sicher der Ex-Nationalspieler Marco Bode zu erwähnen, und aus der Schweiz könnte man durchaus Alain Sutter ("Stop It Chirac") noch in diesen Kreis einbeziehen.

Ansonsten kommen halt politsches Engagment und kluge Sätze nicht so gut an in der heutigen Zeit. Der geneigte Starkicker kann ja nicht gleichzeitig für den neusten Sponsoren-Sportwagen Werbung betreiben und sich daneben noch für die Grünen in den Wahlkampf stürzen.

Kürzlich allerdings las ich ein Interview eines Profifussballers in der WOZ. Die klugen Sätze und die interessanten Ansichten, liesen mich dieses Gespräch richtiggehend verschlingen. Der Fussballer heisst Ivan Ergic und spielt beim FC Basel.
Halt, halt, jetzt weiterlesen, auch die vielen Anti-Basler, dieser talentierte Mann, hat wirklich einiges zu erzählen.

Ivan Ergic spielte eine traumhafte Champions League Saison 2002/2003, danach fiel er durch phyische und psychische Problem in eine langwierige Depression. In dem oben erwähnten Interview erzählt er, wie er die Krankheit besiegt hat und was seine Ansichten zum modernen Fussball und auch zur heutigen Gesellschaft sind.
Er beschreibt seine Zeit bei Juventus Turin, als er erstmals die "dreckige" Seite des Sports mitgekriegt hat. Ergic möchte auch nicht ausschliessen, dass jene schlimme Seite des Fussballs auch zu seiner Krankheit beigetragen hat.
Der Serbe erzählt weiter wie er mit Hilfe einer stationären Behandlung in einer Klink, inmitten sensibler und kreativer Menschen, wieder aus seinem persönlichen Tief gefunden hat.

Hochinteressant seine Ansichten zum heutigen Fussball. Ergic spricht von seinem persönlichen revolutionären Gedanken eines fairen Spieles, dieses faire Spiel stuft der 26-jährige sogar höher ein als den Erfolg. Der Basler Mittelfeldspieler spricht auch von seinem Stolz, in dieser Saison noch keine Gelbe Karte erhalten zu haben. Er kritisiert die Trainer die immer mehr Aggresivität fordern, anstatt andere, kreative Möglichkeiten auszuschöpfen. Bewundernd erzählt der serbische Nationalspieler vom Argentinier Messi und desen Spielkunst und auch von Gary Lineker, die englische Fussball-Legende hat in seiner ganzen Karriere nie eine Spielsperre erhalten.

Die Kritik an der Aggresivität verbindet der serbisch-australische Doppelbürger gleichzeitig auch mit Kapitalismuskritik. Ergic zitiert Karl Marx, der schon vor 150 Jahren die Widersprüche des Kapitalismus erkannt hat. "Geld zerstört die Welt", Ergic ergänzt "Es zerstört auch den Fussball".
Der WM Teilnehmer von 2006, kommt noch ein weiteres Mal in seinem Interview auf Karl Marx zu sprechen, den er übrigens als eine seiner wichtigsten Insperationen beschreibt.
Ergic stimmt der marxistischen These zu, dass der Kapitalismus viele Widersprüche birgt, dass das Wesen des Menschen verschwindet, dass eine völlige Enfremdung stattfindet.

Er bewundert auch Cesar Luis Menotti, den argentinischen Weltmeister Trainer von 1978, der stets für ein Offensivspetakel stand. Menotti sprach von einem "linken" Fussball, für einen ästhetischen Fussball. Ergic bedauert, dass heute fast niemand mehr diesen wunderbaren Trainer kennt.

Nach seiner Karriere will Ivan Ergic kein Trainer werden. Er habe sich den Fussball nicht so vorgestellt, heute müsse man hart und abgebrüht sein, und so sei er nicht. Im Vordergrund stehe heute das Geschäft, nicht die Schönheit und Ästhetik, wie er sich das früher immer vorgestellt habe.

Wirklich eines der beeindruckendsten Interviews, dass ich je von einem Profisportler gelesen habe. Ein Spieler macht sich intelligente Gedanken, nicht nur über den heutigen Fussball, sondern auch über unsere Gesellschaft.

Das Interview ist hier zu finden: http://www.woz.ch/artikel/2007/nr18/sport/14903.html

PS: auch sehr zu empfehlen, der DRS 3 INPUT vom letzten Sonntag. Fans im Offside!
Mit ebenfalls interessanten Aussagen eines bekannten Luzern Fans.
http://www.drs.ch/index.cfm?gbaction=ECCC4AE7-A122-4A2E-8CCA9BC4A22162CF&categorynodeid=B7747210-9CB3-4BC0-AC485A932DEE68B1&prg=DRS3&sendegefaess=Input&szm=programm%2Finput&szmcha=drs3

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Flo, wiederum ein sehr interessanter Artikel. Nur, um Himmelswillen: Was hat Alain Sutter mit Intelligenz gemeinsam? Gruss Ralf