Sonntag, Februar 01, 2009

Lukas reist...(Teil 4)


http://www.youtube.com/watch?v=oiFtwalmOuA

faszinierende Eindrücke



der vierte Teil des Reiseberichts beschäftigt sich mit den ersten Spielen in Argentinien. Gästeblog von Lukas:
Südamerika Tour Oktober 2008-Argentinien

Nach Besorgen eines Stadtplans und einem kurzen Internetcheck fuhr ich zum Hotel O’Rei, das die nächsten 6 Tage meine Heimat werden sollte. Das Hotel besticht mit seiner ausgezeichneten Lage mitten in der Fussgängerzone und seinem Preis, der unter den Hostelpreisen liegt. Mittags traf ich mich mit einem St. Galler, der ein ganzes Jahr in Südamerika rumreist und momentan in Buenos Aires ist. Ich hatte aber leider nicht lange Zeit, da um halb vier schon der nächste Termin anstand. Mit einem Vorortszug fuhr ich von der Estacion Constitution, vorbei an der Station „Dario y Maxi“, die eigentlich Temperley heisst, bei der aber alle Schilder von Dario und Maxi mit ihren Namen übersprayt wurden, bis zur Station Gerli. Von dort sind es nur noch 3 Blocks zum Stadion von El Porvenir, einer 4. Liga Mannschaft aus Buenos Aires. In deren Stadion spielte heute aber der 4. Ligist Berazategui gegen Canuelas. Die Cancha, Ausdruck für Stadion im Volksmund, von Berazategui ist momentan vom Verband gesperrt da sie nicht mehr den vorgegebenen Sicherheitsstandards genügt.
Viele von euch fragen sich jetzt sicher wieso man ein 4. Liga-Spiel in Argentinien besucht, aber nirgendwo erlebt man Argentinien authentischer als beim Fussball, hier leben die Argentinier. Sei es der Barrio Bewohner, der täglich ums Überleben kämpft, oder der Bankier der die Woche im Büro verbringt, während den 90 Minuten sind alle gleich, alle singen gemeinsam und innbrünstig ihre Lieder. 90 Minuten Ekstase, 90 Minuten Leidenschaft! Während dies in Europa nur eine Minderheit lebt, lebt es in Argentinien jeder, jeder hat seinen Verein. Natürlich geht auch hier nicht jeder ins Stadion, vielen ist es einfach nicht möglich, aber jedermann ist seinem Verein verbunden und hört die Spiele im Radio oder schaut sie im Fernsehen. Andererseits ist es für mich als Fussballfan natürlich ein Muss, denn genauso wie Argentinien Fussball ist, ist Fussball Argentinien. Vergesst England, das sogenannte Mutterland des Fussballs, vergesst Brasilien, das Fussballland schlechthin ist Argentinien.
Bei Anpfiff war das Stadion noch fast leer. Auf der Haupttribüne sassen ein paar ältere Herren, dazu Linke, ein Kollegen aus Hannover der für 3 Monate in Buenos Aires weilt, und mit dem ich dort abmachte. und eben ich. In der 25. Minute kamen dann die Heimfans ins Stadion, wie oft in Argentiniens Unterligen zu spät. Warum das so ist weiss keiner so genau, bei einem Spiel am Freitagnachmittag und erst noch weit weg von zuhause allerdings auch nicht verwunderlich. Kaum waren die ca. 400 eingetroffen ging es auch gleich los und von da wurde bis zum Schluss durchgesungen, abgesehen von einer kleinen Pause wegen einer Rangelei im Heimblock. Schon das erste Spiel in Argentinien wusste zu begeistern, während in Europa (und in der Schweiz sowieso) mehr gebrüllt den gesungen wird, könnte eine Argentinische Kurve locker bei einer Talentshow mitmachen. Selbst wenn das Lied über 10 Minuten gesungen wird tönt es immer noch als würde es aus einem Mund kommen, keine Kanons, keine Geschwindigkeitsunterschiede, einfach perfekt! Wenn man sieht wie laut es da mit 400 Leuten wird, kann man schon traurig werden was YB mit 15‘000 erreicht. Gästefans waren leider keine da, herrscht in Argentinien von der 2. bis zur 4. Liga ein Gästeverbot. Meinen Kommentar hierzu erspare ich…

Nach dem Spiel ging es zügig via Estacion Constitution zur Cancha von Argentinos Juniors, dem Heimatverein von Diego Armando Maradona, in Argentinien nur Dios (Gott) genannt, nach dem das Stadion auch benannt ist. Aufgrund Stau und langsamer Taxifahrer wurde es ganz schön knapp, doch Dank der üblichen argentinischen Verspätung war ich pünktlich da. Wie vieles andere ist auch der Spielereinlauf hierzulande extrem chaotisch. Nicht selten beginnen Spiele 15-20 Minuten verspätet, mit 10 Minuten kann man eigentlich immer rechnen. Wenn die Spieler auf den Platz laufen stehen noch Unmengen an Journalisten, knapp bekleidete Frauen mit grossen Regenschirmen, auf denen Sponsorenlogos prangen und viele andere die sich wichtig fühlen auf dem Platz. Nach Einlauf wird dann von den beiden Mannschaften ein Mannschaftsfoto gemacht, danach will jeder Journalist noch die einzelnen Spieler einzeln fotografieren und bis dann jeder, ausser der Schiedsrichter und die Spieler, vom Platz sind dauert es halt… Typisch Argentinien.
Nun also mein erstes 1. Liga-Spiel in Argentinien, die Vorfreude war gross, obwohl dieses Spiel ja nur ein Kleines ist und nur ein kleiner Vorgeschmack für die zwei folgenden Tage sein sollte. Der Gegner Huracan stammt auch aus Buenos Aires, das Spiel allerdings als Derby zu bezeichnen wäre völlig falsch, da von den 20 Mannschaften in Argentiniens erster Liga zwölf bzw. vierzehn aus Buenos Aires kommen, je nach dem ob man die zwei aus La Plata dazuzählt oder nicht. Hinzu kommen neun von 20 Zweitligisten und ab der 3. Liga gibt es verschiedene Gruppen, wobei in einer Gruppe nur Mannschaften aus Buenos Aires sind. Das ergibt unzählige Vereine in Buenos Aires und selbstverständlich hat jeder sein eigenes Stadion und seine eigene Fanszene. Argentinos Juniors ist eher ein kleiner Verein, das Stadion ist mit einem Fassungsvermögen von 25‘000 auch eines der kleinsten der Liga. Da die Mannschaft momentan Letzter ist befanden sich nur ca. 15‘000 Zuschauer im engen Stadion ein, davon ca. 5‘000 Huracan-Fans. Abstiegsangst muss Argentinos Juniors allerdings nicht haben, da in Argentinien der Durchschnitt der Punkte pro Spiel der letzten 3 Jahre errechnet wird und so eine eigene Absteigstabelle erstellt wird. Da die Saison in Südamerika generell in Apertura und Clausura, Frühlings und Herbstsaison, unterteilt sind, ist die Chance grösser das man durch eine Krise absteigen kann, da bei 19 Spielen wenig Chancen zum Aufholen sind. Und da der Verband nicht will das grosse Mannschaften wie Boca, River usw. absteigen gibt es diese Regelung. River z.B. hätte es diesen Herbst erwischt, da sie Letzter wurden.
Ich merke gerade dass ich etwas abgeschweift bin, aber da viele der Leser wohl noch nie in Argentinien waren, müssen halt auch allgemeine Infos eingebaut werden.
Das Stadion hat nur 3 Tribünen, wobei die Gegentribüne (1/3 Sitzplätze und 2/3 Stehplätze) komplett den Gästen gehört. Hinter dem einen Tor ist nichts während hinter dem anderen Tor eine kleine Tribüne für de Heimfans ist. Auf der Haupttribüne sind oben Sitzplätze und unten Stehplätze. Da ich direkt bei der Gegentribüne ankam machte ich deutlich dass ich nicht supporten will und kaufte mir eine Karte, diese war dann in dem Sitzplatzbereich des Gästeblockes. Haupttribüne oben wäre besser gewesen, da ich nun direkt neben den Huracan Leuten sass und deren, wie mir später von zwei Deutschen beschrieben, anscheinend sehr geile Stimmung nicht so gut mitbekam. Dafür umso besser die von Argentinos Juniors, nicht nur die Hintertortribüne, sondern auch der Unterrang der Haupttribüne machte gut mit. Zum Schutz der fussballuninteressierten Leser gehe ich nun nicht immer näher auf die Stimmung ein, aber natürlich auch hier lange wunderschöne Lieder, hüpfende Menschen auf den Wellenbrechern, sich nur aneinander oder an den Stoffbanner, die unten am Zaun befestigt sind, festhaltend. Das Spiel endete 2:0 für Argentinos Juniors, Fussballerisch ist Argentinien näher an Europa als Brasilien.
Nach dem Spiel durfte ich sofort raus, da wie in Argentinien üblich, die Gästefans zuerst aus dem Stadion durften, während für die Heimfans eine bis zu 30 Minuten dauernde Heimblocksperre gilt. Und zwar für alle, egal ob Kurve oder Haupttribüne. Sicherheitsmässig macht dass sicher mehr Sinn also die völlig sinnlose Gästeblocksperre wie in Europa üblich, aber in Europa würden die Kunden und Eventbesucher auf der Haupttribüne sich das nicht gefallen lassen.
Nach dem Spiel lief ich mit einem englischen Journalisten, der gerade nach Buenos Aires gezogen ist und versucht sich als freischaffender Journalist für europäische Medien über Sport und Politik zu betätigen, zurück zum Bus. Im Bus redeten wir noch ein wenig und als er ausstieg bemerkte ich plötzlich dass neben mir zwei Deutsche sassen. Der eine ist Dortmunder und ist soeben nach Buenos Aires gezogen um dort mit seiner Freundin ein 2. Studium zu machen, der andere war Kölner und verbringt 4 Monate in Argentinien. Bei guten, interessanten Gespräche und Diskussionen liessen wir den Abend bei Bier (für die anderen) und Wasser (für mich) ausklingen, dazu gab es leckere Fleischtaschenbrötchen. Pierre, der Kölner, schlief im gleichen Hotel wie ich, da Janni, der Dortmunder, mit seiner Freundin noch keine richtige Wohnung hatte und erst ein Zimmer bewohnte.
Am nächsten Tag schlenderte ich etwas durch die Fussgängerzone von Buenos Aires bevor ich kurz vor halb elf mit Pierre den Bus Richtung Estacion Buenos Aires bestieg. Nicht das dies der Hauptbahnhof wäre, in Buenos Aires gibt es diverse Bahnhöfe, der hiess einfach so, war aber einer der kleinsten. Das Stadtsystem ist eigentlich ganz einfach, im Zentrum fahren U-Bahnen, die oft ihre Endstationen an diesen Bahnhöfen haben, von dort kommt man dann in die ganzen Aussenbezirke. Dazu gibt es natürlich unzählige von Bussen. Am Bahnhof Buenos Aires wartete Linke und zu dritt fuhren wir mit dem Vorortszug ca. 1 Stunde bis Isidro Casanova. Vom Bahnhof sahen wir das Stadion schon und nach einem kurzen Fussmarsch waren wir schon da. Merkwürdiges Ding, insgesamt 4 Tribünen, wobei die alle einfach so in der Gegend stehen. Zu gefallen wusste auch die Farbe des Vereins und die schöne farbige Tribüne.


Hier sollte das 3. Liga-Spiel Almirante Brown gegen CA Colegiales stattfinden. Gästefans wie immer in unteren Ligen leider keine, scheiss Gästeverbot. Immerhin 30 standen im Gästeblock, irgendwie können sich ausgewählte 30-50 registrieren lassen und dürfen dann trotzdem ins Stadion. Die Heimkurve bestand aus 2 Gruppen die sich wohl nicht so verstanden, die eine war ziemlich pünktlich da und legte gleich los, die andere erscheint erst so in der 25. Minute und nach einer Prügelei mit der anderen Gruppierung legten beide zusammen los, und auch hier treffen es die Worte faszinierend und genial am besten um das zu beschreiben. Vor 3‘500 Zuschauer, davon ca. 2‘500 in der Kurve, endete das Spiel 1:1. Nach dem Spiel fuhren wir mit dem Zug zurück, stiegen kurz vor Estacion Buenos Aires aus und latschten gemütlich zum San Lorenzo Stadion. Die Gegend hinter der Haupttribüne sollte man als Tourist eher meiden, da waren wir schon froh dass einige Polizisten dastanden.


Bei San Lorenzo waren wir genug früh im Stadion und konnten noch ein paar argentinische Stadionhamburger verdrücken. Die sind echt genial, normalerweise esse ich ja nichts in Stadion, aber die Hamburger in Argentinien sind echt ein Genuss! Erinnern mich immer an die Hamburger im alten Wankdorf. Schon vor dem Spiel war einiges los im Stadion und vor allem von den Gästen aus dem nordargentinischen Tucuman war ich sehr überrascht, waren doch der Gästeblock mit 3‘500 Leuten sehr gut gefüllt, viele davon arbeiten aber wohl in Buenos Aires, da Tucuman eine ziemlich arme Gegend ist. Ausserdem befanden sich viele Huracan-Fans im Gästeblock ein, da die eine Fanfreundschaft mit San Martin de Tucuman haben und wenn es erst noch gegen Hassgegner San Lorenzo geht erscheinen die natürlich zahlreich. Das erfuhr ich übrigens am Tag darauf in der Zeitung „Ole“, eine täglich erscheinende Sportzeitung, wobei alles nur um Fussball geht, abgesehen von den ca. 3 Seiten bei denen es sich um Tennis, Basketball oder andere Sportarten dreht. Dort hat es immer diverse wichtige Infos, z.B. vor den Spielen stehen die Ticketpreise und die Infos wo und wann man zu den Tickets kommt.
Je näher der Anpfiff rückte desto weniger nahmen wir die vielen San Martin Fans wahr, nicht das sie leiser geworden wären, aber wenn San Lorenzo loslegt dann können die 3‘500 Gäste noch so laut singen, man hört nichts. Es sollte stimmungsmässig eines meiner besten Spiele werden die ich je gesehen habe. Lange vor Anpfiff bis lange nach Abpfiff sang die ganze Kurve durch und nicht selten zogen auch Gegen und Haupttribüne mit. Egal ob 70 Jährige Rentner oder 50 Jährige Mütter, selbst auf der Haupttribüne stehen die Leute, hüpfen (soweit es ihr Alter zulässt) und singen mit, absolut genial. Und dann erst noch die Lieder, so laut, so melodiös, hat man es nicht gesehen kann man es sich gar nicht vorstellen. VIDEO. Einfach sensationell! Am Eingang bekam jeder ein Matchprogramm in die Hand, das dann fast jeder zu Konfettis zerriss und beim Spielereinmarsch in die Luft warf. über die San Lorenzo Kurve wurden ausserdem 2 grosse Blockfahnen gezogen Das Spiel verging wie in einem Rausch und wir liessen uns von der im ganzen Stadion herrschenden Euphorie anstecken. San Lorenzo gewann das Spiel vor 35‘000 Zuschauer mit 1:0 und ist damit dem Meistertitel einen Schritt näher gerückt. Nach Spielschluss wollten wir schnell raus, was uns allerdings aufgrund der Heimblocksperre verwehrt wurde, da half alles Bitten und Betteln nichts. So genossen wir noch die erst lange nach Spielschluss ausklingenden Lieder von San Lorenzo und warteten bis die Tore öffneten.
20 Minuten nach Spielschluss war es endlich soweit und wir sprinteten die Strasse zwischen Barrio und Haupttribüne los und suchten ein Taxi, da an diesem Tage ja noch ein 3. Spiel stattfinden sollte

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Weltklasse Berichte Luggas, schade schreibst du nicht mehr von deinen Touren...