Mittwoch, August 13, 2008

Geht der Fussball den (Dosen-) bach runter?


Vor einigen Jahren hiess unsere zweithöchste Fussballliga noch Nationalliga B. Das war gut so, dieser Name erinnerte an alte Holztribünen, fluchende Rentner am Spielfeldrand, und an den Geruch von Bratwürsten. Damals wurde die Nati B Tabelle auch noch im Sportpanorama eingeblendet, und der junge Beni Thurnherr las mit bedächtiger Stimme das Resultat von Vevey gegen Grenchen vor.
Heute hat man beim Schweizer Fernsehen keine Zeit mehr für die Ergebnisse der Nationalliga B, dafür ist man anderswo auf das "Stiefkind" des Schweizer Fussballs aufmerksam geworden. Das Topspiel wird Live im sogenannten „Schweizer Sport Fernsehen“ übertragen, und die Liga heisst auch nicht mehr Nationalliga B sondern Challenge League.

Die NLB heisst also übersetzt "Herausforderungs Liga". Was mit Herausforderung gemeint ist, weiss man nicht genau. Vielleicht dachte man an die Fans, für die es teilweise eine ziemliche Herausforderung ist, den ganzen Biervorrat und die Fahnen quer durch die Schweiz an die Auswärtsspiele zu transportieren. Da ist nichts mit Extrazügen oder Fancar's wie in der NLA, da ist Eigeninitiative gefragt. Vielleicht dachte man bei der Bezeichnung "Challenge", aber auch an die grotesk wirkenden Auflagen, die ein NLB Verein zu erfüllen hat, um überhaupt in dieser Liga mitspielen zu können.

Jedenfalls hat die Bezeichnung "Challenge League" nun überraschenderweise einen lustigen Gefährten erhalten. Dachte man in Fussballfan-Kreisen bis anhin, dass österreichische Wortschöpfungen wie Tipp3-Bundesliga und ADEG-Bundesliga an Kuriosität kaum mehr zu übertreffen sind, wurde nun in der Schweiz das Gegenteil bewiesen. Die Nati B heisst ab sofort "Dosenbach Challenge Leauge", sozusagen der längste Liga-Name der Welt. Die Schuh-Firma erhofft sich mit dem "Naming" (Neudeutsch für Namensgebung), einen bedeutenden Schritt in der Markenkommunikation. Man setzt, darauf, dass die Marke, dank "Star TV" Liveübertragung, dem Publikum auch ausserhalb des Stadions zugänglich gemacht wird. Ob man mit einem Werbespot vor dem "Donnschtig Jass" nicht mehr Schuhkäufer erreicht hätte, als bei einem Spiel zwischen Thun und Gossau sei dahin gestellt. Vorallem weil bei einem solchen Spiel, von den potentiellen TV-Zuschauern sowieso 95% im Stadion weilen, und daher die Einschaltsquoten dementsprechend gering sein werden.

Einige fragen sich wohl, was die Aufregung soll, ist doch bloss ein Liga Name. Die Gefahr besteht, aber das dies erst der Anfang einer völligen Kommerzialisierung des hiesigen Fussball bedeutet. Erschreckt schaut der geneigte Fussballliebhaber zu unserem östlichen Nachbarn, wo es Fussballvereine mit Namen wie z.b. SC Interwetten.com gibt oder gab. Auch der Standort dieser Vereine ist durchaus nicht festgelegt. Lizenzen werden wie auf dem Jahrmarkt angepriesen. So spielt der frühere FC Superfund Pasching, mittlerweile als FC Kelag Kärnten in Klagenfurt.

Bei der Bezeichnung „Dosenbach Challenge League“ denkt man, an Schuhcreme, günstige Puma Schuhe und neumodische englische Fremdwörter. Da ist mir der Gedanke an Holztribünen, Bratwürste und den Geruch von frischgemähten Fussballplätzen doch um einiges lieber.
Deshalb wird die neue Liga Bezeichnung zwar auf Werbebanden und Trikots gedruckt, aber nie in den Sprachgebrauch der Fussballfans vordringen. Um mit einem Zitat des römischen Philosophen Marcus Tulius Cicero abzuschliessen „Wehret den Anfängen“.

Lieber Dosenbier anstatt Dosenbach

Top 5 der schlimmsten Liga-Bezeichnungen in Europa

1) Dosenbach Challenge League (NLB Schweiz)
2) Tipp3-Bundesliga (1.Bundesliga Österreich)
3) PRVA Liga Telekom (1.Liga Slowenien)
4) IRN-BRU SFL First Divison (First Divison Schottland)
5) AXPO Super League (NLA Schweiz)

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

spannender bericht! es stellt sich wirklich die frage, wie weit das mit der kommerzialisierung des fussballs noch geht... natürlich, wir alle hätten nichts dagegen, wenn der fc gossau plötzlich fc stadtbühler bier gossau heissen würde:-)
hoffen wir, dass unser fc gossau auch in zukunft seinen namen behalten wird und uns unsere enkel, wenn wir dann 90 sind, nicht ins ohr schreien müssen: "jaaa, genauuu. ich war am spiel fc fly emirates gossau gegen den fc afg st.gallen!" Ok, in diesem Fall wäre es dann gar nicht so schlecht, wir würden nicht mehr alles verstehen...

Anonym hat gesagt…

Um mit einem Zitat des römischen Philosophen Marcus Tulius Cicero abzuschliessen „Wehret den Anfängen“.

-> Ein sehr schöner Bericht mit den richtigen Schlussworten. Die Entwicklung in der Schweiz ist im Moment zwar noch nicht fortgeschritten, ich verfolge den Fussball in Österreich jedoch stark und auch mein dortiger Verein (Wacker Innsbruck) hatte schon X Namen und Vereinslogos... "Wehret den Anfängen" trifft es wirklich gut: Stell dir vor, Fly Emirates Gossau spielt gegen den FC AFG in der BBC-Arena... So lustig es in dem Moment klingt, so tragisch ist die ganze Szenerie. Und irgendwann verschwinden dann die fluchenden Rentner, an ihre Stelle treten seelenlose Konsumenten oder gar niemand, weil das Interesse gar nicht da ist, wenn sich der Fussball vom Volk entfernt. Und ich hatte Hakan Yakin bei ebendiesem Zitat vor der EM noch halb ausgelacht... Und dann verschwindet der Bratwurst-Geschmack und wird durch Hot-Dogs und Pop-Corn ersetzt. Und irgendwann ist es nicht mehr nötig, die "Challenge" mit den Fahnen im Zug quer durch die Schweiz auf sich zu nehmen.
Ich will natürlich nicht, den Teufel an die Wand malen (OK, schon 1000 Mal gemacht), aber der Fussball muss weiterhin dem Volk gehören! Ich sage Prost, und freue mich auf ein Bier mit dir am St. Gallerfest. :-)