Sonntag, Februar 07, 2010

Werner Widmer wieder mal in Gossau

Hier sollte also in einer halben Stunde Werner Widmer auftreten? Ein bisschen ratlos standen ein Kollege, seine Freundin und ich vor dem Saal der evangelischen Kirchgemeinde. Natürlich, es haben sich im Vorfeld keine hysterischen Fans an einem Bahnhofsschalter um die letzten Karten für diesen Event geprügelt. Es tippten sich auch keine Leute stundenlang die Finger wund, um bei der Ticketagentur-Hotline durchzukommen. Ein Zusatzkonzert stand wohl auch kaum zur Debatte. Trotzdem, hier sah es an diesem Abend ganz und gar nicht nach einem bevorstehenden kulturellen Anlass aus.

Auch die obligate Runde um das Gebäude (man weiss ja nie, ob der Anlass in die spezielle Atmosphäre eines schweizerischen Luftschutzraums verlegt wurde) brachte kein Ergebnis. Als wir Licht entdeckten spähten wir durch die Vorhänge in einen Raum. Dort sahen wir jedoch lediglich einige Personen die händeverwerfend und mit trübsinnigen Gesichtern, über ein wohl sehr, sehr ernsthaftes Thema diskutierten. Nein, an diesem Ort deutete tatsächlich nichts auf einen Auftritt vom "Blues Max" hin.

Vielleicht tritt er ja in der nahegelegenen Turnhalle auf? meinte ich zum befreundeten Päärchen. Diese Hoffnung wurde jedoch enttäuscht. Hier rannten nur einige sportliche und auch ein paar bierbäuchige Feierabendfussballer einem Ball hinterher. Der eine davon mit einem GC Trikot aus den Neunziger Jahren mit der Aufschrift "Why Drugs?".
Why, why, why, ist hier nichts???? dachte ich, und befürchtete schon, dass ich hier zwei Personen völlig grundlos ins abendliche Gossau gelotst hatte.

Ein profanes technisches Hilfsmittel aus dem aktuellen Jahrtausend liess uns dann feststellen, dass in der Zeitung der falsche Veranstaltungsort bekannt gegeben wurde. Dass Gossau nicht New York oder London ist und wahrscheinlich nicht mal Zürich-Altstetten bewies wieder einmal die Tatsache, dass der richtige Konzertraum nur 300 Meter Fussweg entfernt lag. Beim Ticketkauf an der Abendkasse zeigte sich die freundliche Kartenverkäuferin überrascht von unseren Hinweis wegen dem falsch publizierten Veranstaltungsort. Da aber der Grossteil der Zuschauer sowieso dem veranstaltenden Kulturverein zugehörig schienen, führte unsere Information verständlicherweise nicht gerade zu Schweissausbrüchen bei den Organisatoren.

Die Zuschauer-Klientel des Konzerts bestand wenig überraschend aus vielen Personen, die langjährige pädagogische Erfahrung im Umgang mit den örtlichen Jugendlichen und Kinder aufzuweisen haben. Das restliche Publikum gehörte ebenfalls eher zu den ARTE Kulturnacht Konsumenten, als zu den "Sat 1. Wendler Clan" Zusehern.

An der provisorischen eingerichteten Bar nippten die Zuschauer vor dem Anlass an ihrem italienischen Rotwein. Mit einer Horde Fussballfans wurde wohlwissentlich nicht gerechnet. Der Biervorrat schien nach der Bestellung von drei Bier jedenfalls schon ziemlich ausgereizt. So standen die Kulturinteressierten unseres Städtchens beieinander, und der einen oder anderen bekannten Person wurde freundlich lächelnd zugenickt.

"Der Alltag, das Zwischenmenschliche ist voller kleiner Katastrophen. Das Witzige an der Sache ist, wie die Menschen sich dagegen stemmen, das Schicksal besiegen, um gleich wieder auf die Schnauze zu fallen." Dieses Credo gibt "Blues Max" auf seiner Homepage bekannt. Vor Jahren entdeckte ich seinen Humor, als ein Kollege öfters die Lieder des Zürchers zum Besten gab. "Cervelat oh Cervelat" niemals hat jemals so poetisch über das Schweizer Wurst-Heiligtum philosophiert wie Werner Widmer. Es ist jetzt nicht so, dass ich selber eine erotische Beziehung zu der braunen Wurst hege, aber der Kabarett Stil von "Blues Max" hatte es mir in der Folge durchaus angetan.

Pünktlich um 20.00 betrat dieser "Blues Max" dann die kleine Bühne. Der Saal war nicht ganz ausverkauft, aber sehr gut gefüllt. Die Veranstaltug bewegte sich im kleinen, symphatischen Bereich. Es werden wohl kaum 100 Zuschauer anwesend gewesen sein. Vor mir sass wie schon bei unserem letzten Besuch bei Werner Widmer ein Gossauer Lehrer. Dieser scheint ein wirklicher Hardcore Fan zu sein. Sein Applaudieren war jeweils ziemlich ausdauernd, und er schien sich köstlich zu amüsieren. Ob der Pädagoge in "Blues Max" Bettwäsche schlafen geht entzieht sich meiner Kentniss, verständlich wäre es allemal. Auch am heutigen Tag begeisterte Werner Widmer nämlich sein Publikum. Ähnlich wie vor einigen Jahren in St.Gallen, als die Atmospähre bei Flaschenbier und betont verrauchter, schroffer Lokalität allerdings noch etwas spezieller war.

"Wenn ich än Bonus häd so 22 Millione, würd ich in obere Zürisee im Kanton Schwyz go wohne, dän häd ich ende Johr sogar bim Stüürerklärig mache öpis z'lache. 22 Millone im Johr umgrechnet gid das 11'000 Franke i dä Stund, jo me schaffed halt scho viel ringer wenn au öpis inne chund." Die Aktualität geht an Werner Widmer jedenfalls nicht vorbei, und seine Texte vermochten sowohl die Alt-Linken im Publikum, wie auch den einen oder anderen Kleinunternehmer zu begeistern. Die Lieder über den Alltag eines Musikers vom "Znüni" mit den Büezern bis zum Enten füttern am Nachmittag, oder eben auch vom "Cervelat" liesen den Abend schnell vorbei gehen.

Nach etwas mehr als zwei Stunden beendete "Blues Max" seinen Auftritt in Gossau. Es sei dies sein letzter Termin der Tournee gewesen, meinte der Zürcher Musiker. Es freue ihn besonders, dass der Konzertabschluss in der Stadt Gossau stattfand. Der Chinese bei dem er das Abendessen genoss, sei hervorragend gewesen. Er habe sogar noch einen Dessert genommen. Zudem habe er vor 30 Jahren schon einmal einen Auftritt in Gossau gehabt. Damals im Restaurant National habe er noch lange Haare gehabt, so der begnadete Kaberettist. Die Nennung der immer noch existierenden "Beiz " brachte einige alteingessesen Gossauer zum Schmunzeln. "Gömer nochher no is Nat's?" rief jemand lachend aus dem Publikum.

Nicht ins Restaurant National, sondern ins Restaurant Hirschen ging es für uns nach dem Auftritt. Ein Bier sollte es noch sein, hier würde der Gerstensaft wohl kaum ausgehen. Das Zielpublikum war ein anderes wie beim "Blues Max". Die unterschiedlichen Frisuren der Gäste, die wahrscheinlich verschiedenen kulturellen Interessen des Besucher-Klientel. Die Bedienung, eben noch Mitte Fünfzig , mit Brille und einem braven Pullover ausgestattet, war nun Anfang Zwanzig, leicht bekleidet, und Hochdeutsch sprechend.
Eine Art "Clash of Culture" sozusagen

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