Montag, August 31, 2009

Kein Grund zum Abheben

Michel Avanzini fehlte leider verletzt, vielleicht war das ein Mitgrund wieso gegen den FC Schaffhausen nicht die erhofften drei Punkte eingefahren werden konnten.
Ich unterhielt mich für das Gossauer Matchprogramm "BlauWiss" im Vorfeld der Partie mit dem jungen Talent.

Ich habe keinen Grund zum Abheben…

Es ist brütend heiss an diesem Abend, die Leute strömen nach Feierabend ins Gossauer Freibad oder trinken irgendwo ein erfrischendes Getränk. Michel Avanzini hat nichts dergleichen vor, in einer halben Stunde beginnt das Mannschaftstraining des FC Gossau. Davor erscheint er pünktlich zu unserem vereinbarten Gesprächstermin. Der Gossauer Captain wirkt von Anfang an äusserst sympathisch und dieser Eindruck wird sich auch im Verlaufe des Interviews bestätigen.


Michel, was hat dich dazu bewegt trotz der, gelinde gesagt, missglückten letzten Rückrunde beim FC Gossau zu bleiben?
Ich habe ein gutes Verhältnis zu unserem Trainer, ausserdem fühle ich mich im familiären Umfeld dieses Vereins wohl. Zudem durchlief ich persönlich eine sportlich positive Entwicklung im letzten halben Jahr. Ich hatte zwar zwei-drei Angebote aus der Challenge League, trotzdem hielt ich es für die beste Entscheidung beim FC Gossau zu bleiben.

Du bist der jüngste Captain in der Challenge League! Wie hast du reagiert, als du von Alex Kern zum Captain bestimmt wurdest?
Ich fühlte einen enormen Stolz, als mir unser Trainer die Entscheidung bekannt gab. Es ist auch eine extrem motivierende Sache für mich. Zudem muss ich jetzt Verantwortung übernehmen, und es wird meine Persönlichkeitsentwicklung fördern. Das Captainamt beim FC Gossau ist sicher ein grosser Meilenstein in meiner Karriere.

Du sprichst deine Verantwortung bereits an, was unternimmst du als Captain um den Zusammenhalt in der neu formierten und sehr jungen Mannschaft zu fördern?
Es war anfänglich schon eine spezielle Situation für mich. Noch vor einem Jahr gaben mir Marc Zellweger und Jiri Koubsky wertvolle Tipps, wie ich mich im Profikader des FC St.Gallen zur Recht finden konnte. Ein Jahr später bin ich bereits in derselben Situation wie die beiden Routiniers. Ich versuche viel mit meinen Mitspielern zu sprechen. Ich teile ihnen meine Gedanken mit, und übe auch mal Kritik, wenn etwas falsch läuft. Die Bedenken, die ich anfänglich wegen meines jungen Alters hatte, wurden schnell weggewischt. Selbst ein langjähriger Super League Spieler wie Enzo Todisco nimmt meine Gedanken auf.

Wie haben sich die Abgänge der routinierten Spieler wie Longo oder Damjanovic auf das Mannschaftsgefüge ausgewirkt?
Darko Damjanovic ist zweifellos ein sehr guter Torwart, genauso ist Dominque Longo ein super Verteidiger. Diese beiden Abgänge wurden aber durch Jean Pierre Tcheutchoua und den neuen Goalie Christian Leite hervorragend ersetzt. Leite ist für mich persönlich sowieso einer der besten Torleute der Schweiz.

20 Jahre alt, Challenge League Spieler und Captain, dazu Torschütze beim letzten Spiel der U-20 Nationalmannschaft, es läuft im Moment rund bei dir. Wie siehst du deine Entwicklung in den nächsten Jahren? Was sind deine persönlichen Ziele im Fussball?
Nach meiner abgeschlossenen KV Lehre konzentriere ich mich nun voll auf den Fussball. Das grösste Ziel ist nun der Klassenerhalt mit dem FC Gossau. In einem Jahr möchte ich den Sprung in die Super League schaffen. Dies ist allerdings noch Zukunftsmusik, im Moment setzte ich mich hundertprozentig für den FC Gossau ein.

Du sprichst von einem Engagement bei einem Profiverein, welches war oder ist dein Lieblingsverein?
Ich war schon immer Inter Mailand Fan. Am liebsten würde ich allerdings einmal für den HSV spielen. Hamburg ist eine tolle Stadt mit einem schönen Stadion und super Fans. Die Bundesliga ist meine Traumliga. Ich schwärme nicht wie viele andere junge Fussballer von der Premier League, sondern würde einen Wechsel nach Deutschland bevorzugen.

Jetzt kennen wir deinen Traumverein, hattest du auch ein fussballerisches Idol in deiner Jugend?
Ja, mein Idol war schon immer Zinedine Zidane.

Nächste Saison darf der FC Gossau seine Heimspiele voraussichtlich nicht mehr im eigenen Stadion austragen. Was denkst du über den bevorstehenden Wechsel in die AFG Arena?
Klar, wir fühlen uns auf dem Buchenwald Sportplatz zuhause. Allerdings würde ich einen Umzug in die AFG Arena nicht ablehnen. Wir könnten dort von einer optimalen Infrastruktur profitieren, und auch die Kabinen wären grösser. Das wir dann wohl vor einem fast leeren Stadion spielen würden, müssten wir wohl in Kauf nehmen.

Trotz Spielen in grossen Stadien in Genf oder Lausanne, ein Spieler in der zweihöchsten Schweizer Fussball Liga kann sich seinen Lebensunterhalt nur in den seltensten Fällen als Vollprofi verdienen. Welcher Beschäftigung gehst du neben dem Fussball nach?
Ich bin beim FC St.Gallen als Profi unter Vertrag. Letztes Jahr habe ich zudem die KV Sportlerlehre an der United School of Sports in Zürich abgeschlossen. Dort machte z.B. auch Diego Benaglio seine Berufslehre. Mein Fokus liegt im Moment voll auf dem Fussball, es ist allerdings nicht ausgeschlossen, dass ich zukünftig eine 30% Arbeitsstelle annehmen werde.

Du hast diverse Junioren Nationalmannschaften durchlaufen. Als Aussenstehnder vermutet man, da werde wohl vornehmlich über Gehälter und allfällige Angebote aus dem Ausland diskutiert. Welchen Eindruck nimmst du mit, von den Tagen im Kreis der grössten Schweizer Talente?
Ich will es nicht abstreiten, Geld ist sicher ein Thema. Teilweise wird auch schon sehr gut verdient. Schlussendlich steht aber der Sport klar an erster Stelle, wenn z.B ein Schönbächler beim FC Zürich nicht spielt, ist er frustriert, da kann er noch so viel verdienen. Zu den Angeboten aus dem Ausland, vor allem bei der U-16 Auswahl war es so, dass enorm viele Talentspäher an den Spielen waren. Da dachte man schon, wenn man gut spielt landet man bei Manchester United oder so. Ich persönlich hatte auch 2-3 Angebote aus dem Ausland, allerdings waren diese nicht sehr seriös. Da ruft einer an und meint, man solle für eine Woche nach England ins Probetraining kommen. Dort sind dann 50 Talente, ein paar nehmen sie schlussendlich auch unter Vertrag, weil die Spieler ja günstig sind. Die allerwenigsten schaffen aber jemals den Durchbruch. Ich bevorzuge den „Schweizer Weg“. Gökhan Inler von Udinese Calcio ist ein gutes Beispiel für eine seriöse Karrierenplanung.

Michel du machst sowieso einen bescheidenen Eindruck. Besteht nicht die Gefahr, dass man abhebt, wenn man mit 18. Jahren mit der 1.Mannschaft des FC St.Gallen trainieren darf?
Ich bin eher ein bescheidener Typ das liegt sicher auch an meiner strengen Erziehung. Ein Grund für überzogenes Selbstbewusstsein ist auch nicht vorhanden, ich habe ja noch nichts erreicht. Abheben darf man nur, wenn man soviel erreicht hat wie ein Ronaldo.

Der FC Gossau scheint unter Trainer Alex Kern wieder an Selbstvertrauen gewonnen zu haben. Was macht der Coach anders als seine Vorgänger (V.Nogic/H.Kodric)?
Alex Kern ist viel näher an der Mannschaft als seine Vorgänger. Er spricht viel mit uns Spielern, die Kommunikation stimmt jetzt wieder. Unter dem neuen Trainer weiss auch jeder in der Mannschaft wo er steht.

Schlussfrage, dein Vater scheint dein grösster Fan zu sein, man sieht ihn auch öfters an Auswärtsspielen. Wie wichtig ist das Thema Fussball in eurer Familie?
Wir sind eine äusserst fussballverrückte Familie. Mein älterer Bruder spielte kurze Zeit in der Challenge League beim FC Wil und mein Vater bestritt NLB Partien für den FC Winterthur. Meine Schwester ist zudem ein riesiger FC Zürich Fan. Mein Vater verpasst seit meiner frühsten Kindheit kein Spiel von mir. Er ist auch mein grösster Kritiker, er sagt mir nach den Spielen immer, ob ich gut oder schlecht gespielt habe. Diese Rückmeldungen von ihm schätze ich sehr.

Michel schaut auf die Uhr, noch fünf Minuten bis zur Trainings-Besammlung. Pünktlichkeit scheint ihm wichtig zu sein, eine Eigenschaft die zu seinem bescheidenen Auftreten passt. Ich verlasse dieses Gespräch mit der Gewissheit, dass Michel Avanzini seinen Weg gehen wird

Michel Avanzini ist 20 Jahre alt. Seine Karriere startete er beim FC Winterthur, in dieser Stadt ist er auch aufgewachsen. Er hat zwei ältere Geschwister, sein Grossvater stammt aus Italien, daher sein südländischer Name. Avanzini durchlief von der U-15 bis zur U-20 alle Schweizer Juniorennationalmannschaften. Momentan steht er beim FC St.Gallen unter Vertrag und ist an den FC Gossau ausgeliehen.

2 Kommentare:

Unknown hat gesagt…

Korrektur: Der jüngste Captain der Challenge League ist Luca Zuffi vom FC Winterthur (Jahrgang 1990), derzeit allerdings verletzt.

Odi hat gesagt…

Naja, er wurde vor Saisonbeginn zum Captain ernannt, ist jedoch seit April verletzt und wird voraussichtlich erst in der Rückrunde eingreifen können. Somit stimmt die Aussage bisher noch ;-).

Aber eigentlich egal, die punkte müssen her, das ist wichtig!