Montag, Juni 22, 2009

Muttersberg

Es ist kühl an diesem Sonntag Morgen im Voralberg. Dunkle Wolken hängen über dem kleinen Städtchen Bludenz. Nur wenige Leute sind unterwegs, wer kann schläft an einem solchen Tag lange aus, oder verlässt zumindest nicht das warme Wohnzimmer.
Läufer sind nicht ganz "normal" heisst es ab und an, solche Gedanken kommen mir manchmal auch, z.b.dann wenn ich bei -5 Grad Celsius an einem nasskalten Wintertag Morgens um Sieben losrenne. Heute sind die Bedingungen aber geradezu ideal. Mein Cousin ist davon noch nicht ganz überzeugt. "Meine Teilnahme an diesem Lauf, könnte zur viert schlechtesten Entscheidung meines Lebens werden", meint mein Begleiter, gelinde gesagt nicht gerade euphorisiert. Sein Blick schweift auf den Muttersberg, dort müssen wir heute hoch. Von unserem Ziel sehen wir allerdings nicht viel, der Berg ist von dickem Nebel umhüllt. Vielleicht auch besser für meinen Cousin, dass man die Bergstation der Muttersberg-Seilbahn (1'400 m.Ü.M) nicht sieht. Psychologisch betrachtet sehen nämlich 840 Meter Höhendifferenz viel Schlimmer aus, als sie tatsächlich sind.
Bei der Startnummernausgabe hat sich das typische Läufervölkchen eingefunden. Drahtige Typen ohne ein Gramm Fett, nervös hin und herlaufend, oder mit Laufkollegen über die nächsten Ziele diskutierend. Es gibt die Bescheidenen, die mit ihren zurückliegenden Top Leistungen nicht hausieren gehen, und es gibt die Prahler, die von ihren "übermenschlichen" Leistungen erzählen. Wie im normalen Leben halt. Unter den 160 Startern finden sich aber auch viele Hobby Läufer oder ganz normale Jogger ein. In Kleidungsfragen sind sich die Teilnehmer, ob Hobby oder Elite aber nicht ganz einig. Von kurzen Hosen und Träger Shirt, bis zu Handschuhen und Kappen sind man die ganze Bandbreite. Mein Cousin überlegt auch noch, "zu Kalt habe er es eben nicht gern" meint mein Verwandter. Ich könnte ihm empfehlen, eine der Bierdosen zu öffnen, die im Startpaket inbegriffen ist (Österreich halt...). Allerdings wärmt ja Alkohol nur anfänglich, also keine gute Idee.

Der Bürgermeister gibt den Startschuss zum 25.Muttersberglauf. Die Läufer preschen los, die einen wie von der Tarantel gestochen, die anderen gemächlich. Einer tut mir besonders leid, im Stille eines Usain Bolt sprintet er bei der ersten Steigung an mir vorbei. Er schnauft wie das Pferd "Fury" kurz vor dem Ableben. "Was soll das Ziel dieser Aktion sein?" denke ich. Vergeblich suche ich nach ORF Kamerateams am Strassenrand, auch die „Miss Austria“ wird sich an diesem kalten Juni Morgen kaum ins Voralberg aufgemacht haben. Etwa zwei Minuten später, überhole ich den 200 Meter Spezialisten auch schon wieder. Der Spuk hat ein Ende, stark schnaufend, wie nach 4 Packungen Marlboro Rot, lässt er sich zurückfallen. Wahrscheinlich hat der gute Mann am Start eine Überdosis Adrenalin erwischt, nun wird sein Weg auf den Muttersberg eine Qual werden. Die anderen Läufer tasten sich vorsichtig an den Berg heran, zuerst treffen wir auf einige steile Wanderwege, ehe es nach Kilometer 3 stetig auf schmalen Strassen Richtung Bergstation hinauf geht. Der Lauf ist ein Genuss, auf den letzten Kilometer erhält man gar einen fantastischen Blick auf das Tal hinunter. Sogar die Sonne gibt sich scheu zu erkennen. Noch Tausend Meter bis ins Ziel, noch eine letzte Steigung. Etwa fünfzig Meter vor mir rennt ein Läufer mit letzter Kraft. Ich komme immer näher, wahrscheinlich hört er nun meine Schritte. Er stösst einen gewaltigen Urschrei aus, mir ziehts beinahe die Laufschuhe aus. Der Kämpfer kann sich nochmals aufrappeln, und legt einen Zwischensprint ein. Ich falle wieder einige Meter zurück, dann kommt der allerletzte Anstieg. Unter grossem Stöhnen hechelt mein Konkurrent hoch, ich ziehe einigermassen locker vorbei. Daraufhin fällt der gute Mann zurück und ich laufe in etwas mehr als 47 Minuten ins Ziel. Trotz der frischen Temperaturen haben sich einige Zuschauer eingefunden, wie immer bei österreichischen Läufen herrscht eine lockere und gelöste Atmospähre.

Der Neuseeländer Jonathan Wyatt, siebenmaliger Berglauf Weltmeister, ist der Sieger dieses Rennens. Ihn sehe ich im Zielgelände nicht mehr, wahrscheinlich ist er schon unterwegs Richtung Tal. Eine Woche später bestreitet er den Graubünden Marathon, einen der härtesten Läufe der Welt.
Die kenianischen Läufer befinden sich dagegen noch bei der Bergstation und verteilen fleissig Flyer. Sie werben für den „Kenyan Way“. Eine Trainingswoche in den österreichischen Bergen, inkl. Kenianischen Essen und Tee, und natürlich Lauftraining. Laufen boomt immer noch, dementsprechend eine gute Idee der Afrikaner. Mein Cousin erreicht auch das Ziel, zufrieden, glücklich und mit eine guten Zeit. Wir genehmigen uns noch ein frisch gezapftes Bier im schönen Bergrestaurant und er meint: „Sportlich gesehen war dieser Lauf einer der besten Entscheidungen in diesem Jahr“

Muttersberg du siehst uns bestimmt wieder im nächsten Jahr.

1 Kommentar:

Dänu hat gesagt…

Toller Bericht, danke! Und herzliche Gratulation zu Euren Leistungen, klasse!