hervorragender Artikel in der Zeitung "Der Bund" über Mark Ammann, einen der intelligentesten Menschen, der mir je begegnet ist, auch wenn die Vorurteile über Fussballfans ja andere sind :-)
Der Hardcore-Fan: Seit 14 Jahren leidet Mark Ammann mit den Young Boys
Er hat seit zwölf Jahren keinen YB-Match verpasst. Wenn sein Club Meister werden sollte, muss sich Mark Ammann tätowieren lassen.
Es hat schon schlecht begonnen. Seinen ersten Match besuchte Mark Ammann vor 14 Jahren, da war er zwölf. Die Young Boys verloren gegen Luzern mit 1:3. Das Spiel fand noch im alten Wankdorf statt, in der Fankurve standen keine 50 Nasen. Er hat gelitten bei seinem ersten Spiel. Dabei war es erst der Anfang einer jahrelangen Selbstkasteiung, die bis heute anhält.
Seit zwölf Jahren hat Mark Ammann keinen YB-Match verpasst. Seien es Uefa-Cup Qualifikationsspiele in Armenien oder himmeltraurige Auswärtsspiele, als die Berner gegen den Abstieg in die 1. Liga kämpften. Zudem besucht er zusammen mit etwa 15 anderen Eingefleischten sogar die Spiele der zweiten Mannschaft, soweit es der Spielplan zulässt. Gründe, ein Spiel zu verpassen, gibt es für Ammann nur sehr wenige. «Vielleicht wenn meine Frau in den Wehen läge», sagt er. Familienfesten sei er schon oft ferngeblieben, was die Verwandten nicht immer goutierten.
Mark Ammann redet nicht gerne über sein Fan-Sein. Vielleicht gerade, weil er weiss, dass es spektakulär ist, was er erzählt. Die Wortkargheit eines Unverstandenen. Der 26-Jährige ist Sachbearbeiter bei einer Bank. Er mag sie nicht mehr hören, die Sprüche auf der Arbeit, die Klischees und Vorurteile über Fans.
Selbstverständlich sei er ein Fanatiker. «Fan leitet sich von fanatisch ab», sagt Ammann, «aber ich bin ein normaler Mensch – mit einem etwas aussergewöhnlichen Hobby». Ultra, Allesfahrer, Hardcore-Fan – er mag sich keine dieser Etiketten aufkleben lassen. «Ich bin auch kein Gruppenmensch», sagt er. Das Einteilen in «wir» und «die anderen» ist ihm fremd, dieses Muster, das Aussenstehenden eine Grundsubstanz des Fantums zu sein scheint. Auch hege er keinen gekünstelten Hass auf andere Clubs, wie er in der Kurve gepflegt wird. «Niemand kann etwas dafür», meint er augenzwinkernd, «wenn er GC-Fan ist».
Zwei Wochen nicht zur Schule
Seinen Club könne man sich nicht auswählen, findet Ammann. Zum eigenen Club ist man verdammt. Eine Bürde, die man zu tragen hat – gerade im Falle der Young Boys. Die ersten sieben Jahre habe er nur gelitten, erzählt er. Als YB in die Nationalliga B abstieg, ging er zwei Wochen nicht zur Schule. Über den verlorenen Cupfinal gegen Sion spreche er nicht einmal, so ein Spiel vermiese ein ganzes Jahr. Trotzdem hat Ammann nie von YB gelassen. «Für Fans darf die Unterstützung nicht von der Leistung abhängen», sagt er. Fan-Sein habe halt auch etwas Masochistisches. Seit die Mannschaft wieder vorne mitspielt, ist es hip, am Sonntag ins Stadion zu gehen. Es sei wie bei einem Lottomillionär: Plötzlich habe der Club viele alte Freunde. Aber er fluche nicht gegen «Modefans», dieses Schmähwort aus der Kurve. «Ich beneide die Leute, die das Ganze als Unterhaltung ansehen.»
Und schliesslich seien Eventbesucher erwünscht im neuen Stadion, spottet Ammann, der sich bei «Gäubschwarzsüchtig» engagiert, dem Dachverband der YB-Fanclubs, und dort auch die Fanarbeit mit anregte. Es ist kein YB-spezifisches Phänomen, dass die Fankurve dem Vereinsvorstand skeptisch gegenübersteht; mit den höheren Ambitionen haben sich diese Konflikte eher noch verschärft. Das hat schon mit der Namensgebung begonnen: «Stade de Suisse». Ein Wort, das Ammann nicht in den Mund nimmt. Und in der Pause, wenn die Obi-Biber einlaufen, trauert Ammann manchmal dem alten Wankdorf und dem Neufeld nach: «Die Sicht war schlecht, es pfiff ein eisiger Wind, aber es war ein Stück authentischer und persönlicher.»
In die alte Fussballwelt taucht er nun woanders. Zum Beispiel in Estland, wo das Bier noch billig und die Rasenqualität noch grottig ist. Nebenbei pflegt Ammann nämlich noch eine weitere Leidenschaft: Groundhopping. Ziel eines Groundhoppers ist es, möglichst viele Stadien zu besuchen. Eine kleine, vernetzte Szene. Ammann beschränkt sich auf die 52 europäischen Staaten. 13 Länder fehlen ihm noch auf der Landkarte. «Wenn ich etwas tue, dann richtig», sagt er. Er sei auch Kinogänger. Was bedeutet: Er schaut sich fast jeden Film an, der in die Kinos kommt.
Je mehr man Fan sei, sagt Ammann, desto pessimistischer werde man. 1986 holte YB den letzten Meistertitel. Die Mitglieder seines Fanclubs Old-Town haben Wetten abgeschlossen – für den Fall, dass das Unmögliche wahr würde. Wenn YB tatsächlich Meister wird, muss sich Ammann «Uhrencup 2007» auf den Rücken tätowieren lassen – der bedeutendste Titel in letzter Zeit. Doch so weit komme es nicht, da ist Amman sicher: «Wenn es einen Gott gibt, ist er kein YB-Fan.»
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