Samstag, September 12, 2009

Lettland : Schweiz 2:2

WM Qualifikation
Riga,Skonto Stadion 9000 Zuschauer

Das mit dem günstig Reisen ist so eine Sache. Klar, man möchte nicht unbedingt die grosszügigen Margen-Rechner von dem einen oder anderen Fussball Reiseveranstalter unterstützen. Logisch, sollte die Reise auch möglichst mit symphatischen Zeitgenossen vonstatten gehen, also nicht unbedingt mit Nati Fans, die lieber ihre Kuhglocke im Handgepäck mitführen, als ein zweites Paar Socken.
So war eigentlich schon seit langem klar, dass uns die Reise via Bergamo nach Riga führen sollte. Günstig war der Flug sowieso, die richtigen Leute waren eh auch dabei, die Vorfreude auf ein paar Tage im Zeichen von sinnloser Konversation und dem einen oder anderen kühlen, lokalen Getränk war riesig. Der Weg nach Bergamo gestaltete sich allerdings ein bisschen schwierger als anfänglich angenommen. Der Teufel liegt bekanntlich im Detail. Da unsere 14-köpfige und durchaus ilustere Reisegruppe früh morgens von Italien Richtung Lettland fliegen sollte, stellte sich die Variante mit dem Zug nach Norditalien zu reisen ziemlich schnell als mühsam heraus. So dachten wir uns, dass man halt ausnahmsweise einen Kleinbus mieten könnte. Vorallem hatten wir auch noch die grosse Hoffnung, dass wir uns ein Fussballspiel der zweiten oder dritten italienischen Liga anschauen könnten. Die haben wie unsere NLB ein Montagsspiel zu erdulden (in diesem Fall wäre das für einmal zu unserem Vorteil gewesen). Leider liess sich der italienische Fussballverband für die Terminierung der Partie etwa so viel Zeit, wie Libyen mit der Freilassung der Schweizer Geiseln in Tripolis. Erst gut eine Woche vorher war klar, dass es kein Montagsspiel geben wird, auch dank Ottmar Hitzfeld. Einige Mannschaften der Serie B verschoben ihre Begegnungen, da sie Nationalspieler beschäftigen, so u.a. auch der Club von Alain Nef. Es wurde also nichts mit dem italienischen Vorspiel, trotzdem fuhren wir schon frühzeitig los Richtung Stiefel, um den Abend noch bei gepflegter Pasta in Bergamo zu verbringen. Nach kurzer und für die "Low Budget" Reisenden unter uns auch sehr frostiger Nacht trafen wir beim Flughafen auf weitere bekannte Gesichter. Leider mussten wir kurz vor dem Abflug in Richtung Baltikum schon den ersten personellen Verlust hinnehmen. Für einen Mitfahrer endete die Reise nach Lettland am Zoll von Bergamo, ist auch mühsam diese Ablaufdaten auf den Identitätskarten (Udo Lindenberg's Idee hätte da unserem ID-Opfer sicher geholfen: "alle Pässe werden verbrannt, ab jetzt darf jeder in jedes Land")

Der Rest unserer Reisegesellschaft schaffte es ohne grössere Probleme nach Riga. Gott hat es gut gemeint mit diesem Land, vor allem für das männliche Geschlecht. Was sich hier dem nicht gerade verwöhnten Schweizer Augen präsentierte, spottet jeder Beschreibung. Ich möchte mir keinen Ärger mit Feministinnen einhandeln, deshalb sei erwähnt, dass diese Feststellung auch von Schweizer Frauen bestätigt wurde. Ob man sich als Schweizer Mann deshalb vor jede x-beliebige Lettin stellen soll, und ihr laut "wa bisch du für ä Bombe, nöd normal da Land!!!" ins Ohr posaunen muss sei allerdings dahin gestellt. Ein Kollege probierte diese Anmachtaktik jedenfalls, scheiterte aber (wie gewohnt) überaus kläglich. Duch die schöne Umgebung war das Programm für die nächsten zwei Tage also schon ziemlich fixiert. Die Junggesellen konzentrierten sich auf die lokale Braukunst und aufs "Gaffen" und "Glotzen". Die Vergebenen inspizierten zusätzlich noch ein kulturelles Rahmenprogramm. Dies führte uns u.a. auch auf den Fernsehturm von Riga. Der Massentourismus hat bekanntlich im Baltikum noch keine exzessiven Formen angenommen, nur so ist es zu erklären, dass sich der Weg zu diesem touristischen Highlight als überaus beschwerlich erwies. Nachdem wir es nach Umwegen durch einen nahegelegenen Wald, inkl. Attacke durch Riesen Hornissen, doch noch irgendwann zum richtigen Eingang geschafft hatten, wurden wir zuerst von Sicherheitsleuten in sowjetischer KGB Manier gemustert und zum Warten aufgefordert. Nach dem frostigen Empfang folgte eine umso freundlichere Führung auf den Fernsehturm. Eine äusserst symphatische ältere Lettin erklärte uns im gebrochenen Deutsch ("Ihr seid Sportfans? Sport und Musik gut, gut, sehr gut") von oben die Sehenswürdigkeiten der Stadt. Einen gewissen Hang zum schwarzen Humor konnte die gute Frau nicht verbergen. "Dort Flugzeug, und Achtung dort zwei Türme" meinte die Einheimische schmunzelnd.
Nachdem der Fernsehturm auf der Liste der kulturellen Sehenswürdigkeiten nur bei den älteren Reiseteilnehmern auf dem Pflichtprogramm stand, war der Besuch eines historischen lettischen Lokals wieder bei Alt und Jung angesagt. Beim Verzehr von Schweineohren und diversen Bierprodukten lauschte man gebannt den Erzählungen einer hübschen (muss ich das überhaupt noch erwähnen?) Bedienung. Im selben Lokal hielt sich auch der ehemalige Nationaltrainer Paul Wolfisberg auf, der just sein Essen unterbrechen musst, um für ein Foto mit einem Dutzend nicht mehr ganz nüchternen Landsleute zu posieren. Leider wählte man einen der Jüngeren aus, um den Kult Trainer zu einem Fototermin aufzufordern. Diesem Jemand sagte wohl weder das Gesicht noch der Name Paul Wolfisberg etwas, nur so lässt sich seine Anfrage verstehen "du chasch mol no ä Foti vo üsere Gruppe mache?", bei gleichzeitiger Übergabe der Fotokamera.

Die Nächte in Riga gestalteten sich kurz, für einige gar sehr kurz. Diese WM Qualifikations Gruppe war reisetechnisch, wie auch sportlich ein Traum. Tel Aviv, Athen, Chisinau und Riga erwiesen sich als vorzügliche Destinationen, sowohl die Liebhaber schöner Frauen, wie auch die Kultur und Sonne Fans kamen auf ihre Kosten. Immer mehr Schweizer haben den Reiz der Auswärtsfahrten entdeckt. Wären vor fünf Jahren wohl höchstens 300 Fans nach Lettland gereist fanden sich nun schon ganze 2'000 Anhänger der Nati im Stadion ein. Gewisse Nati Fans machen sich mittlerweile auch das unheimlich grosse mediale Interesse an den Länderspielen zu Nutzen. Sie präsentieren der Schweizer Bevölkerung, in Stefan Effenberg Manier, via TV Kamera ihren Gemütszustand. 28 SMS'en und 15 Sekunden später kam auch schon die Reaktion auf die nicht gerade höfliche Geste.
Masse ist aber auch in Sachen Fussballfans nicht immer nur Klasse. Ich frage mich was Kuhglocken in Fussballstadien zu Suchen haben, und warum die "Boulevardzeitungs Leser" vor dem Spiel unbedingt Spottgesänge auf ein libysches Staatsoberhaupt singen müssen?
Jedenfalls war die Stimmung im Stadion meist laut, und das war zumindest gut so.

Nach der Partie tauchten die Meisten wieder in das lettische Nachtleben ab. Wie faszinierend dieses Gewesen sein muss, verdeutlicht die Tatsache, dass ein Kollege den Spitznamen "SF Info" verpasst bekam. Seine andauernden, wiederkommenden, verbalen Schwärmereien über die schönen Frauen und die gute Stimmung in unserer Gruppe waren der Grund dafür. Ob beim lettischen Poker im Casino, oder in einer der diversen Bars, die meisten Reisenden erwischten nur wenig Schlaf vor dem Heimflug. Dies wurde einem mir nicht näher bekannten Innerschweizer zum Verhängnis, der die ziemlich unglückliche Idee hatte, nach dem Hotel Auschecken noch ein kurzes Nicherchen einzulegen.

Das mit dem günstigen Reisen ist so eine Sache, spätenstens dann wenn man Müde in Bergamo landet und noch 8 Stunden Heimfahrt vor sich hat. Die Frage, ob das nächste Mal doch einfach der teuere Flug ab Zürich gebucht werden soll, kommt spätenstens dann hoch, wenn man vor dem Gotthard Tunnel im Stau steht. Wieso ein Ostschweizer Bus im Stau vor dem Gotthard steht? Na ja dies hat auch mit Kosten und einer guten Reisegesellschaft zu tun.

Eins ist jedenfalls klar, ob ich nun auch langsam zu alt bin für diese Art zu Reisen oder nicht, mit dieser Gruppe hat es wieder enorm Spass gemacht, da gebe ich unserem "SF Info" ausnahmsweise recht. Und zum Schluss sei gesagt, dass Live vor Ort halt doch am Schönsten ist, zumal einem im TV doch die eine oder andere provozierende Geste präsentiert wird.

PS: Grossen Dank an unseren Fahrer aus 9050




4 Kommentare:

Pädi hat gesagt…

Top Bericht!

War wirklich ein toller Ausflug nach Riga. Hostel Pub (gäll Werni) lässt grüssen :-)

Der unbekannte Luzerner kam übrigens gegen einen Aufpreis noch vor euch zu Hause an :-)

Gruss aus Luzern

Stefan Effenberg hat gesagt…

Naja, immerhin mit Stefan Effenberg verglichen, dat passt! :-)..macht die unglückliche aktion doch um einiges glücklicher ;-)

Bericht 1A!

gossau-fen hat gesagt…

@Pädi: wahrscheinlich hätte man mit dem bus direkt ab riga in die schweiz fahren können, und man wäre vor uns angekommen :-)))

Dänu hat gesagt…

für diesen aufpreis hätte er aber noch mindestens 3 weitere tage in riga bleiben können... ;-)