Donnerstag, Juli 10, 2008

Es gibt sie eben doch noch...

So ich verabschiede mich für 10 Tage in den wohlverdienten Urlaub. Zuvor hat mich aber noch die Schreibwut gepackt. Hier der Text, der sich (wie oft gefordert) wieder mal nicht um Fussball dreht. Weiter unten dann aber auch noch der Bericht über Hakan Yakin's Kickschuhe, H.P. Latours Ausraster, und sonstige grosse Momente vom grandiosen Frauenfelder Blitzturnier. Halt wieder Fussball...:-)
Gruss aus der Stadt der Liebe

Es gibt sie eben doch noch, diese Orginale, diese unverwechselbaren und nicht ganz gewöhnlichen Menschen. Fernab von selbstdarstellerischen TV Casting Shows oder Big Brother, leben sie in unter uns, sind auch ohne Fernsehshows, irgendwie berühmt. Zumindest im ihrem Umfeld.

Zato ist der Cousin meiner Frau, gleichzeitig aber auch einer der besten Freunde ihres Vaters und auch etwa gleich alt wie er.Wie das geht, fragt ihr euch? Das zu Erklären würde zu weit führen. Ich habe selbst Jahre gebraucht um die Verwandtschaftsverhälntisse meiner Frau einigermassen zu durchschauen.
Zato, das angesprochene Orginal, betreibt ein Tattoo Studio. Es ist sein Hobby. Er verdiene mit dem Studio so wenig, dass sich mittlerweile nicht mal mehr die Steuerbehörde für ihn interessiere, meint er schmunzelnd.

Es ist ein sehr heisser Sommertag. Ein Kollege von mir, will sich informieren wegen einer dauerhaften Körperverzierung. Wir betreten den Laden. Anfänglich weiss man gar nicht wo man hinschauen soll, auf die riesigen Bildern mit den kunstvoll gemalten nackten Frauen, oder auf die grosse Leinwand, die einen Tätowierer bei der Arbeit an wirklich sehr stark tätowierten Dame zeigt. Die Wände sind auch sonst ausgiebig geschmückt, diverse Säbel hängen an der Wand, und auch noch weitere Bilder. Der Blick geht aber erst mal an die Bar, dort sitzen 4 Leute und dahinter steht der eher kleingewachsene Zato. „Schätzeli, Schätzeli“ begeistert stürzt er auf meine Gattin zu. Fehlt nur noch der Satz „du wirsch au immer grösser“. Zato umgibt sofort eine positive Aura, es gibt solche Menschen, die einfach einen symphatischen Eindruck hinterlassen. Es scheint unmöglich auf so jemanden, die geringsten negativen Gefühle zu assozieren. Sofort setzt er sich mit uns an einen Tisch und fragt, was denn die Vorstellungen meines Kollegen wären. Die Vorlage meines Kollegen scheint ihm zu Gefallen. Er ist sofort voller Tatendrang. Nur die Folie, um dem Kollegen ein „Probe-Muster“ auf die Haut zu machen, ist unaufindbar. „Ach, die Putzfrau, ä geils Meitli aber strohdumm, leider.“meint er mit einem Lachen auf dem Gesicht. Er versucht sie auf dem Handy zu erreichen, aber die Putzfrau nimmt nicht ab. „Weisch jede treit es Handy umenand, aber überall chund nume die choge Combox“ leicht genervt zündet Zato eine Zigarette an. Er verschwindet dann mit meinem Kollegen, auch ohne die vermisste Folie.

Wir schauen uns weiter um im Studio. An der Bar sitzt mittlerweile nur noch ein Typ. Er ist an beiden Armen ziemlich tätowiert, und trägt längere Haare, die er zu einem Zopf zusammengebunden hat. Trotz Tattoos und „Töffbekleidung“ macht er aber einen harmlosen Eindruck. Er schaut sich Tattoobücher an, ab und an lacht er ohne ersichtlichen Grund. Zato und mein Kollege kommen wieder zurück. Es hat scheinbar auch ohne die Folie geklappt. Ganz zufrieden ist der Meister mit dem „Probe-Tattoo“ aber noch nicht.

Sie setzen sich wieder zu uns. Zato zündet sich erneut einen Glimmstängel an, und kommt ins Plaudern. Er erzählt gerne und viel, aber er ist einer der wenigen Menschen, die dabei nicht langweilig werden, oder gar nerven. Er kann Gegebenheiten herrlich und minuntiös beschreiben, da merkt man, dass er aus der gleichen Familie wie mein Schwiegervater kommt. Im Hintergrund läuft Bob Marley Musik. Zato ist ein grosser Jamaica Fan, und verbringt öfters seinen Urlaub auf der Heimatinsel des Reggae. An der Wand hängen Rasta-Köpfe, aus Holz geschnitzt, die er wohl von dort mitgebracht hat.

Ich frage ihn, ob er eigentlich alles tätowieren würde? Er schildert uns daraufhin ein Beispiel von einem Typen, der sich ein Hakenkreuz auf den Unterarm machen lassen wollte. In einem langen Gespräch, konnte er den verwirrten Menschen davon abbringen. Schlussendlich lief der Mann mit einem tätowierten Soldatenhelm, verziert mit einem Lorbeerkranz aus dem Geschäft. Zum Abschluss meinte der stolze Typ „Gell, isch scho recht Patriotisch?gell“. Zato ist überezeugt, dass der Kunde, wenn er ihn gleich weggeschickt hätte, wohl beim nächsten oder übernächsten Tätowierer mit einem Hakenkreuz auf dem Arm rausgelaufen wäre.
Heute arbeitet der Patriot, samt seinem Lorbeerkranz, für die Schweizer Armee im Kosovo. Auch bei jungen Kunden, die sich Sachen wie „Dirty Gangstas Rorschach City“ oder so, dauerhaft auf den Körper machen wollen, rede er solange ins Gewissen, bis diese davon ablassen.
Weiter erzählt Zato wie er als kleiner Junge, fasziniert war von den Tätoowierungen seines Grossvaters. Jener hatte, die zu dieser Zeit typischen Seemann-Tattoos. Wahrscheinlich war dies der Auslöser für seine Leidenschaft.

Der Typ an der Bar hört uns aufmerksam zu, gesprochen hat er immer noch kein Wort. Ich denke mir, was macht dieser Typ an einem Samstag Nachmittag bei 35 Grad Aussentemperatur in diesem Tattoo Studio? Sonderbar, er scheint aber eine Art Stammgast bei Zato zu sein.

Zato steckt die nächste Zigarette an, er scheint viel zu Rauchen. Er kommt noch aus einer Generation, wo Raucher noch nicht als Schwerverbrecher galten. Auf den ersten Blick würde man nicht sehen, dass Tattoos die grosse Leidenschaft von Zato sind. Seine eigenen Körperverzierungen sieht man nicht, wenn er ein Hemd trägt. Ihm ist wichtig, dass sich seine Kunden ebenfalls bewusst sind, was für Auswirkungen sichtbare Tätowierungen evtl. auf das Berufsleben haben können.

Nun kommt er ins Schwärmen. Er berichtet von einer hübschen Assistentin, die er ausgebildet habe, und die ihm nun von einem anderen weggeschnappt wurde. Ich denke mir, tja so ist es halt, auch bei den Tattoo-Studios herrscht Konkurrenzsituation. Er meint aber weiter, dass es wie Liebe gewesen sei, einfach nicht so richtig wegen dem Altersunterschied halt. Ich sage: „also du meinsch platonisch?“. Er antwortet „Nei, Nei scho mit Küsse und so, aber einfach nöd meh“. Ich stell mir das Bild vor, die hübsche Assistentin mit dem kleinen Zatto, der gegen die Sechzig zugeht. Tja, das passt zu dem Mann, er ist alles andere als Gewöhnlich.

Mein Kollege macht noch die letzten Details ab. Zato drückt ihm eine Visitenkarte ihn die Hand. Er solle ihn anrufen, wann es ihm terminlich passe.
"Tschau Schätzeli", Zato verabschiedet sich von meiner Frau, und von uns. Der Typ an der Bar, sitzt immer noch dort.

Schön gibt es (noch) solche Orginale wie Zato.

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