Dienstag, August 16, 2011

Sierre-Zinal Berglauf 2011

Am Samstag Abend gegen elf Uhr gönnte ich mir auf einer Terrasse in Worb ein lokales Galopper Bier. Gerade war ich hier angekommen, ein guter Kollege stellte mir ein Nachtquartier zur Verfügung. Zeitlich wäre eine Anreise aus der Ostschweiz am Tag des Sierre Zinal Berglauf nicht möglich gewesen.
Galopper Bier, hoffentlich ein gutes Omen für den morgigen Wettkampftag. Mit diesen Gedanken legte ich mich schon bald Schlafen.

Nach einer kurzen Nacht und ziemlich unruhigem Schlaf nahm ich, morgens um halb Sechs, die Reise von Worb via Bern nach Sierre auf mich. Der Sierre-Zinal Lauf gehört zu den ältesten Bergläufen Europas, und gilt vom Renommee her als "New York Marathon der Berge". Von Jonathan Wyatt (mehrfacher Berglaufweltmeister und Rekordhalter bei Sierre-Zinal) ist die Aussage überliefert, dass man diesen Lauf einfach einmal erlebt haben muss. Der Lauf der Superlative umfasst 2'000 Höhenmeter (-800m) und 31 Kilometer. Die Top Ultra Läufer der Welt finden sich Jahr für Jahr in den Walliser Bergen ein.

Der ganze Wettkampf ist symphatisch organisiert, und nicht so "durchkommerzialisiert" wie ähnlich grosse Laufveranstaltungen in der Deutschschweiz. Den Startschuss nimmt der vierfache Sieger Pablo Vigil aus den USA vor. Dieser Mann ist eine wirkliche Legende. Er hatte immer seine eigenen Ansichten zum Spitzensport. Manchmal unterhielt er seine Fangemeinde bis tief in die Nacht, und gewann am folgenden Tag trotzdem einen Lauf. Vigil war auch ein begehrtes Modell für die Werbung. Seine Aktiv-Karriere ist beendet, er läuft nicht mehr die Berge hoch. Im Gegensatz zu den etwas mehr als 1'100 Teilnehmern der 38. Austragung des Sierre-Zinal Berglauf

Warm ist es an diesem Morgen. Wolken sind noch kaum in Sicht, die angekündigten Regenschauer dürften erst am Nachmittag einsetzen. Das Stimmengewirr am Start verrät, dass hier Teilnehmer aus den unterschiedlichsten Ländern teilnehmen. Zwei Engländer diskutieren, ganz wie es das Klischee besagt, über die besten Teesorten.
Pünktlich um Neun Uhr erfolgt der Startschuss. Der erste Kilometer darf ruhig als Einstimmung angesehen werden. Hier fällt das Laufen noch leicht, obwohl es natürlich schon bergwärts geht. Doch kaum hat man den Tritt gefunden wird es brutal. Nun folgen extrem steile Passagen, die durchaus an den Schlussteil des Gamperney Berglauf in Grabs erinnern. Auf den ersten 8 Kilometer legen die Teilnehmer bereits 1'300 Höhenmeter zurück. Es ist der brutalste Anstieg, den ich je an einem Berglauf mitmachte. Ob die berüchtigte Eiger Moräne am Jungfrau Marathon, der Anstieg auf das Schilthorn beim Inferno Halbmarathon, oder auch letzte hochalpine Teil beim Glacier 3000. Dieser Einstieg beim Walliser Trail-Running Klassiker übertrifft dies alles. Ich bin schon nach wenigen Kilometern ziemlich abgekämpft. Meine Beine sind schwer und ich fühle mich ausgelaugt. In der Woche vor dem Wettkampf habe ich mir eine leichte Erkältung eingefangen, ansonsten müsste meine Form allerdings stimmen. Immer wieder werde ich von einzelnen Läufern überholt. Dieses Phänomen der sogenannten "Berggeissen" habe ich bei solchen extremen Läufen schon oft angetroffen. Darüber mache ich mir allerdings keine weiteren Gedanken, meist hole ich diese Plätze im "normaleren" Gelände wieder auf.

Wahrscheinlich bin ich nicht der einzige Teilnehmer der froh ist, dieses fiese Waldstück schon bald verlassen zu können. Ich setze darauf, die Strapazen des Aufstiegs schnell abschütteln zu können, allerdings ist diese Hoffnung vergeblich . Es scheint nicht mein bester Tag zu sein, selbst kleine Steigungen fallen mir ungewohnt schwer. Etwas Mut verleiht mir der Ausblick aufs Matterhorn, und das Erreichen der zweiten Verpflegungsstation. Hier zeigt ein Schild an, dass nun 33% der Laufzeit vorüber sind. Zeitlich scheint für mich das Ziel 3h30min noch realistisch zu sein.

Nun folgt der schönste Teil des Rennens. Der breite Weg mit den kleinen Steigungen würde meinen Qualitäten entgegenkommen, allerdings gelingt den Beinen die Umsetzung nicht nach meinen Wünschen. Beim Bergdorf Chandolin werden wir von vielen Zuschauer begeistert empfangen. Nun gilt es die nächste Etappe zum Hotel Weisshorn auf 2387m/ü.M. zu bewältigen. Auf diesem Streckenteil täuscht das Profil gewaltig. Die auf der Homepage publizierte Grafik "versteckt" die vielen Steigungen. Ich beanspruche für diese Passage mehr Zeit, als ich eingeplant hatte.

Beim Hotel Weisshorn bin ich froh endlich eine Cola trinken zu können. Die Zuckerdosis tut meinen Körper gut und ich nehme die wirklich allerletzte Höhenmeter bergwärts auf mich. Ich befinde mich nun auf 2425m.ü.M, es folgen die letzten 8 Kilometer nach Zinal. Das erste Mal an diesem Berglauf habe ich nun das Gefühl in "Normalform" zu laufen. Das Geröll, die Steine und die vielen Wurzeln erfordern zwar ein hochkonzentriertes Laufen, trotzdem kann ich mein Tempo hochalten. Ich überhole mehrere Läufer. "Sorry! Merci"-"Sorry-Merci" diese zwei Wörter wiederhole ich x-Mal. Die teilnehmenden Bergwanderer der sogenannten "Touristes" Kategorie machen aber immer Platz und feuern mich sogar teilweise an.

Zuversichtlich erreiche ich die letzten 3 Kilometer. Ich habe zwar gehört, dass der Schlussteil sehr steil bergab führen soll, aber eine Zeit von 3h30min könnte doch noch drinliegen. Halsbrecherisch stürze ich mich Richtung Ziel, wieder lasse ich einige Teilnehmer hinter mir. Das Tempo ist allerdings nicht hoch, das Gelände ist schlicht zu steil, das ständige Bremsen kostet viele Sekunden. Die Gelenke werden es mir zudem die nächsten Tage doppelt und dreifach zurückzahlen.

In 3h31min erreiche ich Zinal. Ich schleppe mich zum Getränkestand und kippe einige Becher Wasser runter. Dieser Lauf hat mich ziemlich geschafft. Ein Urteil über meine Leistung fällt mir noch Tage danach schwer. War das einfach nicht mein Tag? Kommt dieser Lauf nicht meinen Fähigkeiten entgegen? Hat meine Form nicht gestimmt? Die Zeit entspricht den Resultaten von leistungsmässig, ähnlichen Läufern aus meinen Umfeld. Trotzdem bin ich vor allem mit den ersten 2/3 des Rennens nicht zufrieden. Ich denke bereits darüber nach im nächsten Jahr eine erneute Teilnahme ins Auge zu fassen. Irgendwie hab ich noch eine Rechnung offen mit diesem Berglauf.

Mein Puls geht noch eine Stunde nach dem Zieleinlauf nicht runter, so was hab ich noch nie erlebt. Erst als ich im Zug von Visp nach Zürich sitze und ein Glas Walliser Rotwein trinke, sinkt er wieder auf "Normal-Niveau". Eins ist sicher, diesen Sierre-Zinal Berglauf muss man einfach einmal erlebt haben, Jonathan Wyatt hatte da sicher Recht mit seiner Aussage.

PS: hier noch ein kleiner TV Bericht des TSR über den Lauf.

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