Donnerstag, September 15, 2011

SC Brühl : FC St.Gallen 1:3







NLB
Paul Grüninger Stadion
5'500 Zuschauer

Mein Schwiegervater hat 16 Geschwister. Als jüngster Zögling einer Arbeiterfamilie wuchs er als Einziger nicht im Krontal-Quartier auf. Seine Eltern zogen vor seiner Geburt ins Zentrum der Gallus-Stadt. Trotzdem drückte er in den 60iger Jahren, bei den Duellen der beiden Stadtrivalen, den Brühlern die Daumen. Rund Fünfzig Jahre nach den Spielbesuchen mit seinem "alten Herrn" besucht er heute wieder einen "Stadtmatch". Auf die Parallelen zu damals angesprochen meint er augenzwinkernd: "Damals habe sein Papa die Eintrittskarte bezahlt, nun sein Schwiegersohn".

Bei der Haltestelle Grütli steigen die Matchbesucher aus dem überhitzten Bus. Die meisten geben sich durch ihre Kleidung als Anhänger des grösseren Vereins zu erkennen. Die fanatischten Anhänger der Espen marschieren vom Marktplatz Richtung Paul Grüninger- Stadion. Der friedliche Aufzug der Fans, ist auch als Zeichen gegen Medienhetze und sonstige Vorurteile gegenüber Fussballanhängern gedacht. Die Zuschauer beim letzten Derby 1971 hätten solche Dinge kaum für möglich gehalten. Der Fussball hatte damals noch keine grosse gesellschaftliche Bedeutung. Das Fangruppen gar Teil einer Jugendkultur werden, wäre wohl undenkbar gewesen.

Beim Eingang zum Stadion bildet sich ein lange Reihe, geduldig wird auf Einlass gewartet. Im Matchprogamm, auf grossen Blachen und an vielen anderen Orten wird auf die "alten Zeiten" hingewiesen. Der SC Brühl präsentiert sich, als der etwas andere Verein. Wieviel davon ist geschicktes Marketing und wie aussergewöhnlich ist dieser Club wirklich? Die Meinung darüber gehen ausseinander.

Speziell für dieses Spiel wurde eine Gegentribüne erstellt. Die Sonne brennt unerbittlich auf die Stahlkonstruktion. Ein Zuschauer nutzt ein schattiges Plätzchen unter den Rängen für ein Nickerchen. Wer wohl in seinen Träumen dieses Spiel gewinnt?

Selbstredend ist das Bier an diesem heissen Tag sehr gefragt. Es wird angestanden, wie in St.Gallen halt für Bier angestanden wird. Kreuz und quer und möglichst nahe am Zapfhahn. Die arme Angestellte ist symphatisch verzweifelt. Sie weist die Leute mit freundlichem aber bestimmten Ton zurecht, selbst der "extrovertierteste Ultra" nimmt das Ergeben zur Kenntnis. "Die Herrin des Gerstensafts" ist eine wichtige Person am heutigen Nachmittag, man will es sich mit ihr nicht verscherzen.

Ein leidenschaftlicher Anhänger des Gast-Vereins gesellt sich zu uns. Er ist sichtlich nervös und angespannt. Eine Niederlage gegen den Stadtrivalen wäre für ihn wohl ähnlich dramatisch, wie ein Wegzug der Olma-Messen nach Basel. Kurz darauf steht der St.Galler Allesfahrer auf dem Feld und beseitigt mit Kollegen die Rückstände der Fan-Choreografie. "D'Stadt isch do" steht auf einem Spruchband hinter den Auswärts-Supportern. Das Selbstverständnis der Espen lässt keine Fragen offen. Der Spielbeginn verzögert sich um einige Minuten, erfreulicherweise ohne das gepanzerte Menschen den Platz stürmen.

5'500 Zuschauern hoffen entweder auf einen Pflichtsieg oder auf die grosse Sensation. Es herrscht dabei eine friedliche, volksnahe Atmosphäre. Mehr oder weniger lustige Sprüche werden den Spielern entgegen gerufen. Einer ruft:"Hopp GC".Ein Mittelfeldakteur des FC SG muss sich wohl oder übel mit den Folgen eines Transfergerüchtes herumschlagen.

In der Pause scheint die St.Galler Bratwurst gegessen, der haushohe Favorit führt klar. Weit weg scheint die Zeit, als Brühler niemals den Fuss in das Stadion des Erzrivalen gesetzt hätten und umgekehrt. An diesem Tag gibt es Zuschauer, die sich sowohl bei den St.Galler Toren, wie auch beim Ehrentreffer der Heimmannschaft freuen. Die ganze Szenerie ähnelt eher einem Volksfest, als einem erbitterten Duell um die Vorherrschaft in der Stadt.

Am Schluss steht es 3:1. Der Brühler Mittelfeldakteur Christian Böhi begrüsst Bekannte hinter der Werbebande. Die St.Gallen Fans feiern unterdesen einen ehemaligen Spieler, der nun im Trikot der "Kronen" aufläuft. Die Schlange hinter dem Getränkenstand hat sich mittlerweile gelichtet. Ein Deutscher steht mit Bierdose, Frau und Kind am Strassenrad. Er trägt einen SC Brühl Schal und wirkt wenig glücklich.

Ein Verwandter meines Schwiegervaters fährt mit dem Velo nach Hause. Hinter ihm sein Nachwus, alles Espen-Fans und sie wirken zufrieden. Der St.Gallen Match 2011 ist Geschichte. Ein schöner Fussballnachmittag geht zu Ende. Ein bisschen wenig Emotionen, dafür viel St.Galler Folklore. Schützengarten, Bratwurst, Krontal und Tranquillo Barnetta im Publikum.

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