Donnerstag, November 04, 2010

Weisse Zähne, Schnelle Füsse, Lucerne 2010

"Stephan Weiler, das sei doch dieser Ex-Meister Schweiz, der sich nach der Wahl sofort die Zähne restaurieren liess." Einige Ostschweizer diskutieren im Zug nach Luzern angeregt über den ehemalig schönsten Eidgenossen. "Ja und im Augang habe ich ihn auch schon oft gesehen, und heute kann man ihm 21,1km hinterher rennen ". meint eine junge Läuferin schmunzelnd. Der St.Galler Beau ist einer der (Cervelat-) prominenten Tempomacher am Lucerne Marathon 2010.

Die Veranstaltung in der Innerschweiz hat sich in den letzten Jahren als beliebter Herbstlauf etabliert. An diesem Sonntag pilgern über 8'000 Sportler nach Luzern. Darunter auch "Zege". Hochmotiviert, von einem Fuss auf den anderen hüpfend steht der Athlet zuvorderst im ersten Startblock. Dieser Mann wird über sich hinauswachsen, dieser Mann ist Bereit für grosse Taten, dieser Mann wird heute Geschichte schreiben. Seine Gestik und seine Mimik, verdeutlichen ganz klar, Muhammad Ali und Haile Gebrselassie waren Gestern, heute ist der Tag von "Zege". Die Empfehlung des Speakers an die Läufer, die warmen Kleider aufgrund der angenehmen Temperaturen abzulegen, ignoriert "Zege" ohne ein Schulterzucken. Wollmütze, Trainingsanzug und Töfffahrer-Handschuhe, Rocky Balboa schlug in den Achtziger Jahren in dieser Aufmachung auf Schweinehälften ein.
Der Startschuss ertönt, abgegeben vom griechischen Botschafter. 2500 Jahre Marathon-Geschichte liegen hinter der Menschheit und nun möchte man "Zege" zurrufen: "Flieg mein Junge, Flieg bis zum Olymp". 400 Meter weiter, fällt "Zege" in ein unerwartetes Leistungsloch, stark schnaufend wird er von vielen Läufern überholt. Die "Töffhandschuhe" haben sich zu diesem Zeitpunkt noch nicht ausbezahlt

Beim Luzerner KKL, in der Nähe des Bahnhofs, werden die Teilnehmer frenetisch angefeuert. Aus den Boxen ertönt die Stimme der Innerschweizer Laufikone Viktor Röthlin. Das Spitzenfeld besteht vornehmlich aus Halbmarathon-Läufern, die jetzt schon um jede Sekunden kämpfen. Auf hügligen Strassen geht es über Langensand, St.Nikolausen und Kastanienbaum hinweg. Sportler, welche Strecken bevorzugen, die flach sind wie die Hinterteile von französischen Topmodels sind hier am falschen Rennen. Persönliche Bestleistungen fallen nicht wie Äpfel von Luzerner Obstbäumen. Der schöne Lauf führt am malerischen Vierwaldstättersee entlang. Ein gegelter Jüngling steht vor einer herrschaftlichen Villa und schaut verschlafen dem Treiben vor seinem Haus zu. "Ja, hier lasse sich gut leben, er könne sicher nicht klagen" beantwortet er die Frage eines neugierigen Zuschauers am Streckenrand.

Bei Kilometer 13 erreichen wir Horw. Neben der Luzerner Innenstadt, einer der Stimmungshochburgen dieser Veranstaltung. Kinder strecken die Patschhändchen zum Abklatschen aus. Iso Getränke werden gerreicht und klebrige Energie Gels für eine konstante Geschwindigkeit auf den letzten Kilometer hinuntergewürgt. Die Batterie der Sportuhr am Armgelenk hat sich blöderweise in die ewigen Jagdgründe verabschiedet. So heisst es nach Gefühl laufen. Halb so schlimm, der Typ der vor 2'500 Jahren von Marathon nach Athen rannte hatte ja schliesslich auch noch keinen Schimmer, was eine Pulsuhr mit integrierter Zeit-und Kilometermessung ist.

Die Kircheglocke schlägt 10.00. Eine Stunde hetzt die Läufermenge nun schon durch den Kanton Luzern. Die letzten 5 Kilometer stehen an. Ein Läufer glaubt nicht mehr an seine anvisierte Zeit unter 80 Minuten und beendet das Rennen kurz vor dem KKL. Nochmals Tempobolzen, vorbei an den Zuschauermassen in der der Leuchtenstadt. Wo jetzt wohl Zege ist? Er führt jedenfalls nicht das Feld der Marathonläufer an. Der spätere Sieger passiert soeben den Wendepunkt zur zweiten Runde. Die Halbmarathonläufer preschen Richtung Ziel im Verkehrshaus. Noch 50 Meter, die Uhr zeigt 1h 19min 49 Sekunden an, ai ai ai, persönliche Bestzeit? Ein Schlussspurt lohnt sich jedenfalls. Im Ziel meint jemand von den Helfern. "Stopp, Stopp, ganz langsam, der Lauf ist hier vorbei".

Stephan Weiler erreicht samt weissen Zähnen in 1h 54min die anvisierte Zeit unter 2 Stunden. Später sitzt FDP Präsident Fulvio Pelli in Laufkleidung auf dem Schiff Richtung Bahnhof Luzern. Der See glänzt im herbstlichen Sonnenlicht und passt zur entspannten Atmosphäre, weitab vom Trubel der Grossveranstaltung.

1 Stunde 19 Minuten 57 Sekunden

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